Süddeutsche Zeitung

Erinnerungskultur:Auf den Spuren von Leidensgeschichten

In Nürnberg erinnern Stolpersteine an die Opfer des Nationalsozialismus. Auf einer Internetseite kann man sich nun über deren Biografie informieren.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

In der Heideloffstraße 24 in Nürnberg, südlich des Hauptbahnhofs, ist ein Stolperstein für Margarete Müller in den Boden eingelassen. Seit Freitag kann man sich im Internet über ihre Geschichte informieren, ebenso wie über das Schicksal von 128 anderen Menschen, die Opfer des Nationalsozialismus geworden sind. Seit 2004 werden Stolpersteine - ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig - in Nürnberg verlegt, der Verein "Geschichte Für Alle" recherchiert seit drei Jahren die Biografien der Opfer.

Frei von Pathos kann man nun also die Geschichte von Margarete, genannt Grete, Müller nachlesen. Sie wurde am 30. September 1898 in Nürnberg geboren, ihr Vater war Geschäftsführer, ihre Mutter arbeitete als Schneiderin. In der Heideloffstraße 24, wo heute ein Stolperstein an sie erinnert, lebte ihre Familie.

Margarete Müller absolvierte zunächst eine Wissenschaftliche Frauenschule und war als Erzieherin tätig. Später ließ sie sich zur Gymnastiklehrerin ausbilden, besuchte Webkurse und gab Unterricht. Ein Treppensturz, so haben es "Geschichte für Alle" und Schülerinnen und Schüler des Hermann-Kesten-Kollegs Nürnberg recherchiert, führte zu Beschwerden, die eine Berufsausübung verhinderten. An diesem Umstand litt sie auch psychisch. 1934 wurde sie in eine "Heil- und Pflegeanstalt" eingeliefert, wo man Schizophrenie diagnostizierte. Im Dezember 1940 wurde Margarete Müller in die Tötungsanstalt Schloss Hartheim bei Linz verlegt und in der Gaskammer ermordet. Die Täter nannten das "Euthanasie", gemeint war "planmäßige Vernichtung", sagt der Historiker Pascal Metzger.

Stolpersteine, sagt er, erinnern an Menschen, die Opfer des NS-Staats geworden sind: Juden, Homosexuelle, psychisch Kranke und viele mehr. Beim alltäglichen Weg durch die Stadt werde man mit ihren Namen und einer Botschaft konfrontiert: "Die Verfolgung begann hier, jeder konnte es sehen."

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