Für Tessa Ganserer ist die Sache klar: "Ich gehe einfach gar nicht mehr ins Schwimmbad." Seit zweieinhalb Jahren sei das so, aus Angst vor Abwertung. Die Nürnbergerin hat sich 2019 öffentlich komplett zum Frausein bekannt, tritt als Tessa Ganserer auf, privat und im Landtag, wo sie für die Grünen sitzt und zuvor als Mann bekannt war. Sie kennt Diskriminierung. Jetzt, da Nürnberg einen Badetag für trans- und intergeschlechtliche Menschen bekommt, sei ihre Freude "natürlich riesig".
Der queere Badetag war das Ziel der Grünen in Nürnberg und sobald Corona wieder einen Schwimmbad-Regelbetrieb erlaubt, soll dieser getestet werden. Vergangene Woche hat der Werkausschuss im Stadtrat einem entsprechenden Antrag der Fraktion zugestimmt, nur die AfD war dagegen. Der Plan: Einmal im Quartal soll ein Schwimmbad im Süden der Stadt nur für trans- und intergeschlechtliche Menschen öffnen.
Zuvor gab es Bedenken und nicht alle im Ausschuss konnten sofort mit der Badetag-Idee etwas anfangen. Der Dritte Bürgermeister Christian Vogel (SPD) räumt ein, er habe zunächst gedacht: Damit würden jene Trans- und Intermenschen ja "separiert". Warum könnten sie nicht einfach mit allen anderen schwimmen? Ja, warum eigentlich nicht, ist die Gesellschaft nicht längst so weit?
Ganserer kennt diese Reaktion. "Viele Menschen machen sich keine Vorstellung davon, was für Diskriminierungserfahrungen Menschen mit normabweichenden trans- oder intergeschlechtlichen Körperlichkeiten machen", sagt sie. Sie wisse von Transmenschen, die aufgrund ihres Äußeren in Männerumkleiden "angegafft" worden seien. Vor Geschlechtsumwandlungen träten oft Probleme auf, etwa weil man im Schwimmbad abgebundene Brüste wie sonst unter weiter Kleidung kaum verbergen könne.
Uwe Scherzer, der den Antrag im Stadtrat eingebracht hat und dort als Travestiekünstlerin "Uschi Unsinn" auftritt, betont, es gehe darum, "einen Schutzraum zu schaffen". Transgeschlechtlichen Menschen wurde, so formuliert es Ganserer, bei der Geburt das falsche Geschlecht zugeordnet. Intergeschlechtliche Menschen haben Geschlechtsmerkmale, die von der medizinischen Norm weiblicher oder männlicher Körper abweichen.
Für Ganserer, Scherzer und die Nürnberger Grünen geht es darum, dass sich auch trans- oder intergeschlechtliche Menschen im Schwimmbad "richtig" fühlen können und nicht beleidigend kommentiert werden. Und es geht immer wieder auch um das Problem, sich in einer binär geprägten Gesellschaft entscheiden zu müssen: Gehe ich auf die öffentliche Männer- oder Frauentoilette? Ziehe ich mich in der Männer- oder Frauenkabine um? Die Frage stelle sich für vor allem für Menschen mit dem Geschlechtseintrag "divers", die sich nicht eindeutig einem Geschlecht zuordnen. Für sie selbst, sagt Tessa Ganserer, sei das klar. Und doch fürchtet sie im Schwimmbad Ablehnung.
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Und sogar mehr: Immer wieder würde trans- und intergeschlechtlichen Menschen vor allem in sozialen Medien der Vorwurf gemacht, sie würden absichtlich in Schutzräume anderer eindringen. Natürlich wäre es schöner, wenn alle gemeinsam ins Schwimmbad gingen, sagt Ganserer, aber solange solche Narrative bedient würden, brauche es Extra-Badetage.
Im Nürnberger Katzwangbad soll dieser starten, sobald die Corona-Pandemie einen Regelbetrieb zulässt. Bedenken gab es zuletzt, weil eigentlich schon alle Schwimmzeiten in den Stadtbädern für die Öffentlichkeit oder für Vereine verplant sind. Man wolle niemandem Badezeit wegnehmen, sagt Bürgermeister Vogel, aber auch ein inklusives Angebot machen. Also stellt die Stadt das Bad nun einmal im Quartal zur Verfügung, sonntagmorgens von 8.30 bis zehn Uhr. Das Schwimmen muss die Szene als Verein organisieren, Erlangen und Fürth haben angekündigt mitziehen zu wollen. So wie in Köln und Berlin, wo es schon vergleichbare Badetage gibt.