Horrende Summen sind im Umlauf. Die einen sprechen von 350 Millionen Euro, die die Generalsanierung des Opernhauses Nürnberg kosten soll, andere von 500, wiederum andere von 800 Millionen Euro. Andere wiederum regen sich über solche Zahlen auf, basieren sie doch vorwiegend auf Vergleichen mit Referenzhäusern - immerhin haben die konkreten Planungen in Nürnberg noch gar nicht begonnen. Dass aber die Sanierungskosten schwindelerregend werden dürften, bestreitet keiner. Warum eigentlich? Ein Hausrundgang lässt es zumindest vermuten.
Vielleicht fängt man in der Bühnenmaschinerie an, Unterboden. Die wird am Staatstheater Nürnberg - dem mit Abstand größten Mehrspartentheater in Bayern - teils per Hand in Bewegung gesetzt. Jedenfalls im Opernhaus. Ein Anblick, der das Herz jedes Theaterhistorikers hüpfen ließe, gerade wenn der sich mit dem 19. Jahrhundert beschäftigt. Wer die Gnade hat, nicht mehr über korrekt funktionierende Sinnesnerven zu verfügen, der riecht dort unten wenig.
Alle anderen klagen über fauligen Gestank, im Sommer soll's dort miefen wie in einer Fäkaliengrube. Es gibt Örtlichkeiten in diesem Haus, deren Putz alljährlich abgeschlagen werden muss, des Schimmels wegen. Wie das sein kann? Vermutlich liegt es am U-Bahnbau vor gut 50 Jahren, direkt neben dem Haus. Seither hat man ein Grundwasserproblem.
Bei der Eröffnung 1905 war es topmodern
Hunderte Millionen Euro für eine Sanierung? Da lebt jemand seine Schöner-Arbeiten-Träume aus, ist mitunter in der Stadtgesellschaft zu hören. Oder ein Mitarbeiter der örtlichen Berufsfeuerwehr hat sich mal einen Wunschzettel zusammengeschrieben, Thema: Das würde uns maximal glücklich machen! Tatsächlich war es eines der größten Sachverständigenbüros der Republik aus dem Rhein-Main-Gebiet, das die vertretbare Restlaufzeit des Hauses aufs Jahr 2025 taxiert hat. Danach wäre ein Spielbetrieb nicht mehr vertretbar.
Woran das liegt? Daran etwa, dass dieses Haus bei seiner Eröffnung 1905 als eines der modernsten in Europa galt. Toll, vieles elektrisch. Noch besser: Man fror nicht mehr, was damals noch einigermaßen üblich war in Theaterhäusern. Grund für den Fortschritt waren die quer durchs Haus gelegten Schächte, durch die man warme Luft blasen konnte. Was den Besuchern ein wohliges Gefühl bescherte, heute aber brandschutztechnisch schwer vertretbar ist. Tritt irgendwo Qualm ein, "dann wissen wir nicht wo", sagt Peter Gormanns, der Technische Direktor.
Gormanns, 59, hat schon einige Theatersanierungen mitgemacht. Unter Claus Peymann im Schauspielhaus Bochum fing er als Bühnentechniker an, über etliche Stationen ging es 2006 nach Nürnberg. Dass das dortige Schauspielhaus eine Frischzellenkur benötigt, haben sie ihm gesagt damals. Die Sache mit dem Klops namens Opernhaus nicht so richtig. Ist Gormanns denn der richtige Mann jetzt? Immerhin würde es laut Plan erst in vier Jahren losgehen mit der Sanierung. Mit der - bislang so geplanten - Rückkehr an den Richard-Wagner-Platz wäre es dann womöglich 2035 so weit, vielleicht auch später. Er plane nicht, mit 65 das Arbeiten schon einzustellen, antwortet Gormanns. Und meint das offenbar ernst. Das sei schon auch eine Herzenssache, dieses Projekt.
An vielen Stellen ist es nicht barrierefrei
Es geht ja auch nicht nur um Brandschutz. Es geht auch um die Frage, ob die Nürnberger Oper als so ziemlich letzte ihrer Liga ohne gescheite Seitenbühne auskommt auf Dauer. Der Oberste Rechnungshof hat das moniert 2014: mehr Spielen, mehr Produzieren, forderte er das Haus auf. Mahnte aber gleichzeitig an, dass dafür mehr Platz notwendig sei, um das hinzubekommen, dieses Produzieren. Immerhin ist das Haus einem mittelständischen Industriebetrieb nicht unähnlich: 650 Leute arbeiten an der Oper, mehr als 18 Stunden lang ist Betrieb, unter zum Teil wenig beneidenswerten Bedingungen. Es gibt nicht wenige in diesem vermeintlichen "Kulturtempel", die im Keller arbeiten, ohne Tageslicht, ohne Frischluft. Etwa ein Drittel mehr Raumbedarf hätte das Haus. Barrierefrei ist es an vielen Stellen nicht.
Die Akustik wiederum gilt als problematisch. Seit die Nationalsozialisten in den Opernraum eingegriffen haben - der Jugendstil musste raus und es bedurfte Platz für die "Führerloge" -, ist das Haus unter Musikern gefürchtet. Man hört sich selbst schlecht beim Spielen, ist geneigt immer lauter zu werden und womöglich Brei zu produzieren. Viel zu tun also in Nürnberg.
An diesem Freitag will die Opernhauskommission ihre Empfehlung abgeben, ob die Oper nach der Generalsanierung grundsätzlich an den Richard-Wagner-Platz zurück soll - was als wahrscheinlich gilt, schon der Synergieeffekte mit dem dort benachbarten Schauspielhaus wegen. Wohin ein Interim könnte, wird ebenfalls beratschlagt. Favorit von CSU und Grünen ist der Innenhof der Torso gebliebenen NS-Kongresshalle.