Süddeutsche Zeitung

Großprojekte in Nürnberg:"Es wird also nicht billig"

Nürnbergs Baureferent Daniel Ulrich hat zwei extraordinäre Kulturbaustellen vor der Brust: die Opernsanierung und den Bau eines Interims auf dem ehemaligen NS-Gelände. Ein Gespräch über schwer kalkulierbare Kosten, vermintes Terrain und kurze Nächte.

Interview von Olaf Przybilla, Nürnberg

Daniel Ulrich, 49, ist seit 2014 Baureferent von Nürnberg. Ein Gespräch über die Qualität seines Schlafes, kreativen Druck und die bange Frage, ob das Nürnberger Interim am Ende teurer werden könnte als die Hamburger Elbphilharmonie.

SZ: Herr Ulrich, darf man sich nach der Qualität Ihres Schlafes erkundigen?

Daniel Ulrich: Ich schlafe kurz, aber gut.

Die beiden - wie es in Ihrem Referat so schön heißt - "Großkulturprojekte" liegen Ihnen also nicht auf der Seele?

Nein, diese Projekte sind beherrschbar. Ich fühle mich da auf festem Boden.

Das Opernhaus ist mehr als 100 Jahre alt. Und die Ausweichspielstätte, ein NS-Monstrum, darf als Inbegriff einer komplexen Baustelle gelten.

Die Tücken sind bei beiden Projekten unterschiedlich. Die Kongresshalle, eine der größten noch nicht wirklich genutzten NS-Hinterlassenschaften in Deutschland, hat den Haken, ideologisch vorbelastet zu sein. Es gibt sehr viele Meinungen dazu - die eine, endgültige gibt es nicht. Bauen in der Kongresshalle aber ist relativ simpel. Ein riesengroßer Rohbau, statisch superstabil, man kann wenig kaputtmachen, weil wenig drinnen ist, er besteht im Wesentlichen aus Toiletten und Treppenhäusern. Daraus kann man als Baumensch etwas machen.

Andersrum ist es beim Opernhaus?

Ja, da wissen alle ziemlich genau, was sie gerne hätten. Nur ist das Gebäude zu klein fürs benötigte Raumprogramm. Das ist die Herausforderung. Aber keine der Fragen - hier wie dort - wirft einen völlig aus der Bahn.

In Coburg wurde stets behauptet: 2022 muss das Landestheater schließen. Nun verzögert sich das Ausweichquartier - und plötzlich kann noch ein weiteres Jahr gespielt werden. In Nürnberg soll angeblich 2025 Schluss sein im Opernhaus.

Wenn Sie in so ein Projekt gehen mit der Ansage: Wenn es 2026 oder 2027 fertig wird, ist es auch nicht schlimm - dann sind Sie ganz schnell im Jahr 2040. Die Hand ins Feuer legen für eine Punktlandung kann keiner.

Bei etlichen Theatersanierungen in Bayern explodieren gerade die Kosten. 550 Millionen Euro für beide Nürnberger Baustellen - Opernsanierung plus Interim - werden bislang genannt. Sicher, dass es nicht viel teurer wird?

Unsere Kalkulation ist so stabil, dass wir sagen können: Wir reden nicht von einer Milliarde, die das Ganze am Ende kosten wird, aber auch nicht von 100 Millionen. Es wird also nicht billig.

Keine Milliarde - ganz sicher?

Der Krieg kann alles durcheinanderwerfen. Aber vorausgesetzt, die Inflation läuft nicht katastrophal davon, dann können wir das sagen.

Es gab Stimmen, das Opernhaus abzureißen - nicht zuletzt angesichts schwer kalkulierbarer Kosten.

Aus Gründen des Denkmalschutzes hielte ich das für unverantwortlich, aus städtebaulicher Sicht ebenso. Nach Kriterien der Nachhaltigkeit auch. Und eine Umnutzung? Schwierig. Als Schauspielhaus? Haben wir nebenan. Ein Kaufhaus? Brauchen wir nicht, 300 Meter entfernt ist die vitalste Innenstadt Bayerns. Wohnungen? Auch schwierig. Ein Ort für innovative Kunst? Kann man wollen. Aber warum soll's dann nicht einfach ein Ort für die Oper bleiben?

Hatten Sie den Gegenwind für den Opernumzug aufs Ex-NS-Gelände erwartet?

Der war allen Beteiligten immer bewusst. Dieser Ort braucht sogar dauerhaften Streit, es darf dort nie ruhig werden. Wenn sich da mal alle einig wären, dann ist etwas schiefgelaufen. Auch war zu erwarten, dass manche sagen: ein Aufführungsort im Innenhof des NS-Hufeisens? Niemals! Und dass andere erwidern: außen? Könnt ihr vergessen!

Acht Architekturbüros sollen nun herausfinden, wohin genau der Opernbau soll. Wird denen da nicht zu viel aufgebürdet?

Haben wir auch überlegt, sind aber überzeugt: Aus einem Konvolut von scheinbar unvereinbaren Problemen den bestmöglichen Ansatz liefern - das können Architekten. Es sind acht weltweit tätige Büros, alle haben Erfahrungen mit Opernhäusern. Wir haben ihnen alles gesagt und alles gezeigt, ohne Vorgaben. Das Preisgericht wiederum ist eher exotisch zusammengesetzt, kein klassisches Architektenpreisgericht, auch viele Mitglieder aus Erinnerungskultur und Ideengeschichte.

Ende Juni schon sollen die Büros ihre Vorschläge liefern. Ist das nicht viel zu wenig Zeit?

Nein. Hat ein Büro sehr viel Vorlaufzeit, wird erfahrungsgemäß auch lange aufgeschoben. Der kreative Prozess wird nicht besser, wenn er länger dauert. Unter Druck funktionieren Kreative oft besser. Mir erscheint das nicht unanständig.

Wird eines dieser Büros am Ende auch den Plan entwerfen - nicht nur den Standort vorschlagen?

Hielte ich für wünschenswert und auch wahrscheinlich.

Das ist eines der Kulturprojekte der Republik - warum kein offener Wettbewerb?

Es ist nur ein Interim. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies nochmals verändert werden muss nach etwa zehnjähriger Interimszeit - umgebaut oder abgebrochen -, ist hoch. Im Übrigen sind Aufgaben für einen internationalen Architektenwettbewerb manchmal auch zu groß. Man kann sich da auch überheben.

Sie haben mal gesagt: Das Baukunstwerk in der Kongresshalle ist das Doku-Zentrum von Günther Domenig. Ein zweites wäre schwierig, da es womöglich in Konkurrenz treten würde zu jenem.

Wenn der nächste große Eingriff in dieses Gebäude Baukunst wird, ist es toll. Wenn er sich mit dem bereits existierenden Baukunstwerk von Domenig duelliert, ist es nicht toll. Da fängt die eigentliche Kunst an. Ein Beitrag, der Domenig in den Schatten zu stellen versucht, wäre verfehlt.

Und als wäre das nicht schon kompliziert genug, gibt's ja noch den Denkmalschutz. Die größten Bedenken gibt es gegen eine Veränderung der rauen, ruinenhaften Struktur des NS-Innenhofes.

Der Denkmalschützer, der ich als Baureferent ja auch bin, denkt zunächst mal an den Substanzerhalt. Möglichst viele Steine erhalten, damit möglichst viel Zeugniswert bleibt. Dieses Gebäude ist aber nicht wertvoll, weil es so tolle Architektur wäre - sondern weil der ideologische Teil, der ihm innewohnt, wichtig ist. Der Generalkonservator hat zu Recht gesagt: Es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung, was man da tun soll. Das ist also nicht nur eine Frage des Steine-Denkmalschutzes. Das ist auch eine ideengeschichtliche Frage. Und ob in dieser Debatte dann rauskommt: Das Innere des Hufeisens ist sakrosankt oder das Äußere oder etwas ganz anderes - das ist völlig offen.

Eine Ausschreibung, in der von bis zu 100 Fenstern in zugemauerte Öffnungen des Innenhofes die Rede war, hat für Aufregung gesorgt. Viele befürchten durch die Verlegung des Opernbackstage-Bereichs in den Kongressbau eine stark veränderte Fassade, die ja immerhin unter Denkmalschutz steht.

Wie viele Fenster da reinkommen, weiß heute niemand. In der Ausschreibung ging es darum, dass Planer ein Honorar kalkulieren können - deshalb die maximal mögliche Anzahl an Fenstern. Da bekommen dann einzelne Menschen der Stadtgesellschaft Panik, die Verwaltung habe alles schon geplant. Dem ist aber nicht so.

Die Elbphilharmonie hat mehr als 850 Millionen gekostet. Das Nürnberger Interim wird definitiv nicht teurer?

Es ist gerade extrem schwer, mit Gewissheit zu sagen, wie die Preise 2025 sind. Wo wir mit der aktuellen Kostensteigerung landen, ist ein bisschen Glaskugel. Wenn man die Zahl am Ende aber inflationsbereinigen würde, bliebe es dabei, was wir gesagt haben.

Eine Prognose: Wohin kommt das Interim?

Letztes Jahr hätte ich in der Tendenz eher gesagt: in den Innenhof der Kongresshalle. Nun, nach der intensiven Debatte, halte ich das für komplett ergebnisoffen.

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