Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:Kandidatenkarussell für die OB-Wahl

Thorsten Brehm wird nun offiziell OB-Kandidat der SPD, die CSU tritt wohl mit einer Doppelspitze an. Und die Grünen? Überlegen noch.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

An diesem Donnerstag wird die SPD den Mann küren, der Ulrich Maly als Oberbürgermeister nachfolgen soll. Der Parteivorstand hat den 34 Jahre alten Thorsten Brehm qua Schnellverfahren bereits vor zwei Monaten benannt, offenbar in der Absicht, die CSU nach dem verblüffenden Verzicht Malys auf dem falschen Fuß zu erwischen. Dass sich davon auch Teile der eigenen Basis und des Parteiestablishments überrumpelt fühlten, klingt weiter nach.

"Die Wunde brennt noch immer", sagt einer aus der Führungsriege der Partei, der gleichwohl für Brehms Krönung eine satte Mehrheit prognostiziert. Immerhin seien "viele abhängig" vom jungen SPD-Chef der Stadt, da könne man sich Bremsklötze schon aus Eigeninteresse nicht leisten. Und also wird Brehm, der in sozialen Medien schon eifrig in eigener Sache wirbt, mit einem zumindest zeitlichen Vorsprung in eine der spannendsten Wahlen der Stadtgeschichte ziehen.

Und die CSU? Wurde vom Speed-Dating der Sozialdemokraten kalt erwischt. Erstens hatte keiner mit dem Abgang Malys gerechnet, zweitens niemand mit der Kür eines Kandidaten binnen fünf Tagen, drittens kaum einer mit Brehm. Stattdessen galt SPD-Bürgermeister Christian Vogel stets als logischer Maly-Nachfolger. Immerhin war er es, der dem OB bei umstrittenen Stadtthemen den Rücken freigehalten hatte: bei der Delfin-Lagune etwa, beim Gänse-Abschuss am Wöhrder See oder dem Endlosprojekt Frankenschnellweg. Dafür hielt Vogel den Kopf hin, wenn auch nicht immer in formvollendeter Eleganz.

Trotzdem: Als Nummer zwei war Vogel unumstritten. OB-Kandidat wird er trotzdem nicht. Vogel erfuhr erst Monate nach Brehm von Malys Plänen, zu einem Zeitpunkt, als vieles schon vorentschieden war. Als eine Art Trostpreis bleibt ihm der Job als Zweiter Bürgermeister, was freilich auch heißt: mit zwei Männern zieht die SPD ins Rennen.

Was nun wiederum die CSU nach zweimonatigen Wirren auf einen Gegenentwurf gebracht zu haben scheint. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so will die Partei mit einer Doppelspitze antreten: Marcus König, der junge CSU-Chef im Stadtrat, tritt als OB an, die erfahrene Kulturreferentin Julia Lehner - in einer parteiinternen Umfrage gerade als profilierteste CSU-Politikerin der Stadt ausgemacht - bewirbt sich ebenfalls auf der Liste und könnte Kulturbürgermeisterin werden.

Der Weg zu dieser smarten Variante war einigermaßen verworren. Zwar galt König, 38, schon lang als Nürnbergs CSU-Mann der Zukunft. Nur waren da noch alle davon ausgegangen, dass König zunächst mal als Aufbaukandidat gegen Maly antritt. Nach den Neuigkeiten von der SPD - ein 34-Jähriger soll Maly-Nachfolger werden - wurde in der CSU bald der Wunsch nach einem Mann mit Erfahrung laut: Wäre nicht der kulturell bewanderte Bundestagsabgeordnete Michael Fieser, 55, der richtige Kandidat für eine Kulturhauptstadt-Bewerberkommune? Frieser hätte als örtlicher Parteichef noch immer die Chance, seine Hand zu heben - nur wissen viele in der CSU, dass er nicht richtig zieht. Mit einem skrupulösen Zweifler, der in Berlin als Justiziar der Fraktion seinen politischen Traumjob gefunden hat, in eine solche Wahl gehen? Schwierig.

Spekuliert wurde auch immer wieder über eine Kandidatur Tanja Sterians, der rechten Hand von Markus Söder. Sie aber kam nie in Frage, die 36-Jährige sieht ihre politische Zukunft an der Seite des Ministerpräsidenten. Und so läuft - sollte sich Frieser bis zum Verkündungstag nach der Europawahl nicht doch noch zwangsverpflichten lassen - vieles auf das Duo König/Lehner hinaus. Und damit aufs historisch juvenile OB-Duell eines 34-Jährigen (SPD) gegen einen 38-Jährigen (CSU). Ob einer davon tatsächlich OB würde, ist freilich nicht sicher. Angesichts des erwarteten Kampfs arg junger Männer wittern die Grünen ihre Chance. Im Juni wollen sie sich entscheiden - und wohl eine Kandidatin küren.

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SZ vom 16.05.2019/vewo
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