Kommunalwahl in Nürnberg:Wenn Parteimitglieder über die OB-Kandidatur abstimmen

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Elisabeth Ries will für die SPD Oberbürgermeisterin von Nürnberg werden. Sie tritt in einem Mitgliederentscheid gegen den örtlichen SPD-Chef Nasser Ahmed an – ein Novum.
Elisabeth Ries will für die SPD Oberbürgermeisterin von Nürnberg werden. Sie tritt in einem Mitgliederentscheid gegen den örtlichen SPD-Chef Nasser Ahmed an – ein Novum. (Foto: Khrystyna Jalowa)

Das gab es so noch nicht: In Nürnberg stimmen derzeit die SPD-Mitglieder darüber ab, wer antreten darf, um das Rathaus von der CSU zurückzugewinnen. Zerreißt es die Partei – oder beflügelt sie der Wettbewerb?

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die Sozialdemokratie erlebt unrunde Zeiten, gerade erst hat sie ein historisch schlechtes Ergebnis bei der Bundestagswahl zu verdauen. Der Fall Nürnberg ist da sicher nur eine Randnotiz. Und doch blicken viele Sozialdemokraten gerade mit erhöhtem Interesse nach Franken. Nürnberg, das war mal eine Stadt, in der man SPD mit ähnlicher Selbstverständlichkeit wählte, wie man dort Club-Fan ist. Und nun? Der Oberbürgermeister ist längst von der CSU. Und bei der Bundestagswahl landete die Partei auf dem vierten Rang. Hinter CSU, den Grünen und – in absoluten Stimmen – auch hinter der AfD. Ein Tiefschlag.

Dass die Nürnberger Genossen parallel zur Bundestagswahl einen Mitgliederentscheid darüber eingefädelt haben, wer aus ihren Reihen 2026 gegen den amtierenden CSU-Oberbürgermeister Marcus König antreten soll, verblüfft viele. Zumal es ja der örtliche Parteichef Nasser Ahmed ist, nebenbei Vize-Generalsekretär der Bayern-SPD, der seine Bereitschaft erklärt hat, die Kandidatur zu übernehmen. Aus der Ferne ähnelte das für manchen einer Demontage. Denn angeblich soll ja das ungeschriebene Gesetz gelten: Sagt der Parteichef, dass er antritt, so darf er das auch. Dafür ist er Parteichef.

Nasser Ahmed ist Vorsitzender der Nürnberg-SPD.
Nasser Ahmed ist Vorsitzender der Nürnberg-SPD. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

In Nürnberg aber gibt es nun bis Mitte März zwei mögliche SPD-OB-Kandidaten. Nasser Ahmed, 36. Und Elisabeth Ries, 51, die als Sozialreferentin dem größten Ressort der Stadt vorsteht. Wer bessere Chancen hat? Wer sich bei den Genossen umtut, hört in Variationen immer dieselbe Antwort. Leicht favorisiert sei sicher Ahmed, der sehr präsent ist in sozialen Medien. Nur: Von vielen Genossen wisse man eben auch, wie sehr es sie störe, dass es eine Partei mit dieser Geschichte nicht fertigbringt, auch mal versierte Frauen als OB-Kandidatinnen aufzubauen.

Und wenn’s der Partei schon nicht gelinge, eine Frau als Bewerberin ums höchste Amt in der Stadt anzubieten – dann müssten die Frauen eben nachhelfen.

Natürlich hat es bereits SPD-Mitgliederentscheide auf Bundesebene gegeben. Dass aber eine Stadtpartei ihre Mitglieder befragt, wer der oder die Beste ist für die OB-Kandidatur, „das dürfte schon einzigartig sein“, sagt Ahmed. Ein Novum, jedenfalls habe er von dergleichen nie zuvor gehört. Was ihn als Parteichef noch mehr freue: Die Nürnberg-SPD verhalte sich in dieser Wettbewerbssituation „sehr erwachsen“.

Was wohl übersetzt heißen soll: Eine – anschließend kaum noch überbrückbare – Lagerbildung findet momentan nicht statt. Was man so tatsächlich in den Gliederungen der Partei hört. Im Gegenteil, sagt ein Genosse: Die Nürnberger SPD sei doch regelrecht gezwungen, mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Nach all den Niederlagen, dem ultimativen Tiefschlag bei der Bundestagswahl, drohe man sonst, komplett aus dem Fokus zu geraten. Dann fragten sich Wähler demnächst: Dem Kandidaten der bei der Bundestagswahl viertstärksten Partei in Nürnberg – muss man dem bei der OB-Wahl ernsthafte Chancen einräumen?

So aber reiße der Wettbewerb gerade keine massiveren Gräben auf, sondern beflügle die Partei. Zumindest was die Beteiligung am Mitgliederentscheid betrifft, scheint das zuzutreffen. Die ist nach SZ-Informationen hoch.

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Wer der geeignetere Kandidat wäre, dem CSU-OB das Amt streitig zu machen, darüber gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Bei Elisabeth Ries, sagen viele, wüssten alle, woran sie sind. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist sie in der Stadtverwaltung tätig, leitet inzwischen das mit Abstand raumgreifendste Referat: jenes für Jugend, Familie und Soziales, in dem mehr als 3500 Beschäftigte arbeiten. Wer in der Lage sei, dieses Großressort im Griff zu haben, über den könnten kaum Zweifel bestehen, auch das Rathaus leiten zu können.

Nur, halten andere entgegen: Ist Ries auch bekannt genug? Die studierte Kulturwirtin ist innerhalb der Verwaltung aufgestiegen, auch als Vertraute vom ehemaligen OB Ulrich Maly. Mit öffentlichkeitswirksamen Bewerbungen ist sie bislang nicht aufgefallen. Genau den anderen Weg ist Ahmed gegangen, der sich in der örtlichen Partei nach oben gearbeitet hat und 2021 – als es um deren Vorsitz ging – in einer Kampfabstimmung haushoch gegen Gabriela Heinrich gewann, immerhin Fraktionsvize im Bundestag.

Jene Skills, sagen viele, die OB König zugeschrieben werden, bringe auch Ahmed mit: einer, der ohne Scheu mit Menschen ins Gespräch komme, Social Media mit leichter Hand bediene, ein Menschenfänger sei. Insofern könnte Ahmed mit König konkurrieren. Nur: Ob Ahmed auch ein Rathaus führen könne – das wisse niemand.

Das Karl-Bröger-Haus, die Parteizentrale der Nürnberg-SPD.
Das Karl-Bröger-Haus, die Parteizentrale der Nürnberg-SPD. (Foto: Olaf Przybilla)

Die Jusos haben sich dieser Tage positioniert, für manche verblüffend. Mitten in die Abstimmung hinein ließen sie wissen, dass sie an der Seite von Ahmed stehen. Warum? Inhaltliche Nähe zu Juso-Positionen, Kampagnenerfahrung, Präsenz in Stadtgesellschaft und sozialen Medien führen die Junggenossen ins Feld. Dass die traditionell linken Jusos sich so deutlich aussprechen, wenn in Nürnbergs Sozialdemokratie nach mehr als anderthalb Jahrhunderten auch mal eine Frau aktiv die Hand hebt, wenn es um den Chefposten im Rathaus geht – das hat dann doch nicht nur für Positivresonanz im Team Ries gesorgt.

Stimmt schon, räumt einer ein, „nicht alle lieben sich gerade jeden Tag heiß und innig“. Was aber auch „erwachsen“ sei. Ahmed bleibt dabei: „Ich bin stolz auf meine Partei, dass sie den Mitgliederentscheid als Chance begreift.“ Und auch Ries bereut ihre Aktivbewerbung nicht. Sie erfahre gerade enorm viel „positive Rückmeldung“, sagt sie. Als Mitglied der Stadtverwaltung sei man das – zumindest in der Form – nicht gewohnt.

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