Wirtschaft:Die Messe Nürnberg ist zurück auf der Überholspur

Wirtschaft: Zufrieden mit den Geschäften: "Die Kompassnadel zeigt wieder nach oben", sagt einer der Geschäftsführer in Anspielung auf das Logo der Nürnberger Messegesellschaft.

Zufrieden mit den Geschäften: "Die Kompassnadel zeigt wieder nach oben", sagt einer der Geschäftsführer in Anspielung auf das Logo der Nürnberger Messegesellschaft.

(Foto: Messe Nürnberg)

Das Geschäft hat nach Einbrüchen in der Corona-Krise wieder Fahrt aufgenommen: 250 Millionen Euro Umsatz stehen im vergangenen Jahr zu Buche. Auf welches Erfolgsrezept die Messegesellschaft setzt.

Von Uwe Ritzer

Drei Mal trafen sie sich bisher, 2017, 2018 und 2019, jedes Mal in Frankfurt am Main, im Kap Europa, einem Kongresshaus der Messegesellschaft. Beim ersten Mal kamen 650 Besucher, 2019 waren es bereits doppelt so viele. Bei 50 Vorträgen und Podiumsdiskussionen debattierten sie über "Legal Tech" und "Compliance Tech", darüber, ob und wie die Digitalisierung die Arbeit in Kanzleien und bei Gerichten verändern wird. Nach pandemiebedingter Pause wird die Neuauflage der Fachmesse Legal Revolution Anfang März allerdings nicht in Frankfurt stattfinden, sondern in Nürnberg. Mit einem thematischen Schwerpunkt, den Außenstehende nicht unbedingt sofort mit dem oft als schwerfällig gescholtenen Justizwesen in Verbindung bringen würden: die Implementierung künstlicher Intelligenz in der Jurisprudenz.

Für Peter Ottmann und Roland Fleck symbolisiert die Legal Revolution zweierlei. Erstens das Konzept der Nürnberger Messegesellschaft, sich auf kleine, aber zukunftsträchtige Entwicklungen und Sparten zu konzentrieren und daraus Messen zu kreieren, die klein beginnen und im Idealfall groß und wichtig werden. Bestes Beispiel die Biofach, die in Nürnberg von der regionalen Öko-Schau zur Weltleitmesse für die Biowirtschaft wuchs. Mit dem Konzept haben sie es in überschaubarem Zeitraum unter die 15 größten Messegesellschaften weltweit gebracht. Zweitens sehen Ottmann und Fleck, die beiden Geschäftsführer der Nürnberg-Messe, die Legal Revolution auch als Beleg dafür, dass ihr Unternehmen die Corona-bedingte Zwangspause hinter sich gelassen hat und wieder durchstartet.

Ein "starkes Comeback" habe man 2022 hingelegt, sagt Fleck, "wir machen wieder Tempo und schließen die pandemiebedingten Entwicklungslücken wie erhofft". Von jetzt auf gleich habe Covid die Rekordjagd der Nürnberg-Messe gestoppt "und uns in Sekundenbruchteilen von der Überholspur auf die Standspur gezwungen". Nun aber habe man wieder Fahrt aufgenommen: 250 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr, dazu gleich mehrere Messen, die mehr Besucher, mehr Aussteller und mehr ausländische Teilnehmer zählten als vor der Pandemie. Vom Rekordjahr 2018 mit 315 Millionen Euro Umsatz ist man noch ein Stück entfernt, "aber die Kompassnadel zeigt wieder nach oben", so Fleck in Anspielung auf das Logo der Nürnberger Messegesellschaft. 2022 sei "das Jahr der Trendwende" gewesen, sagt er. Nach der "größten Krise in der Unternehmensgeschichte" mit einem Umsatzeinbruch auf 110,3 Millionen (2020) und 68 Millionen Euro 2021. Und 2023? "Wir sind sehr optimistisch, die Buchungszahlen sind hervorragend."

Stolz, Zufriedenheit, Erleichterung - die Gefühlsmelange in der Führungsetage des vom Freistaat Bayern und der Stadt Nürnberg getragenen Unternehmens umfasst auch die eigene Personalpolitik. Gut 1000 Menschen beschäftigt die Nürnberg Messe Group. Tendenz steigend, und zwar nicht nur in Sparten wie Catering und Messebau, wo viel mit Saisonkräften gearbeitet wird. Flecks Geschäftsführerkollege Peter Ottmann zeigt sich erleichtert, dass man während der Pandemie niemandem betriebsbedingt habe kündigen müssen, trotz leerer Messehallen über Monate hinweg. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entwickelten in dieser Zeit digitale und hybride Messeformate, trieben das Auslandsgeschäft voran und sorgten dafür, dass die Kundschaft - vor allem aufseiten der Aussteller und der Fachverbände, mit denen man bei Messen eng zusammenarbeitet - nicht aus Frust von der Fahne ging.

Nur in China läuft es nach wie vor schlecht

Erst seit März 2022 herrsche wieder einigermaßen Normalzustand auf dem Messegelände im Stadtteil Langwasser; "der große Wachstumstreiber 2022 war unser Heimatstandort", sagt Ottmann. Immerhin reichte das Jahr dort noch für 82 Veranstaltungen. 44 Prozent der Aussteller reisten aus dem Ausland an. Insgesamt organisierte die Messegesellschaft 138 Messen und Kongresse mit knapp einer Million Besuchern. Von den 250 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftete das Unternehmen 40 Millionen Euro im Ausland. In Brasilien, Griechenland und Indien verzeichnete man sogar Rekorde; nur in China lief und läuft es nach wie vor schlecht in Folge der dortigen Corona-Politik.

Die Prophezeiungen zu Beginn der Pandemie, dass der dadurch erzwungene Wandel zu digitalem Austausch das Kerngeschäft von Messen, nämlich den persönlichen Austausch und das Zusammentreffen von Menschen aushöhle, wenn nicht zerstöre, erwies sich als falsch. Gefragt sind hybride Formate, die beides ermöglichen, Präsenz und digitale Formate. Diese Mischformen beherrschen sie in Nürnberg, was den Optimismus für 2023 erklärt, der sich auch in Zahlen ausdrückt. Zehn neue Messen wird es geben, darunter besagte Legal Revolution. 40 Millionen Euro investiert die Nürnberg-Messe in diesem Jahr, nicht nur in den Kauf weiterer Messformate, sondern vor allem auf dem eigenen Gelände.

Bis zur Jahresmitte wird die gesamte Beleuchtung in den Hallen, Büros und Logistikgebäuden auf energiesparende LED umgestellt, insgesamt 18 Kilometer Leitungen. Auf den Hallendächern wird Photovoltaik installiert und mit einem Energiespeicher verbunden. Im März wollen Fleck und Ottmann das Konzept für ein Hybrid-Kraftwerk vorstellen, dessen Bau 2023 noch beginnen wird. Wenn die "Energieoffensive", wie sie es nennen, abgeschlossen sei, werde das Messegelände hinsichtlich Strom- und Energieversorgung zu 90 Prozent autark sein, sagt Fleck. Angesichts von bislang fünf Millionen Euro an Energiekosten auch ein wirtschaftliches Thema.

An diesem Mittwoch startet in Nürnberg die Spielwarenmesse, die allerdings von der gleichnamigen Genossenschaft organisiert wird und daher "nur" Mieterin bei der eigentlichen Messegesellschaft ist. Beide allerdings hängen eng zusammen. Seit 1950 findet die Spielwarenmesse in Nürnberg statt und ziemlich bald herrschte große Platznot. Also entschied sich der Nürnberger Stadtrat 1969, nach einem geeigneten Messegelände zu suchen - und fand es im Stadtteil Langwasser. Seither sind dort 16 Ausstellungshallen plus ein Freigelände entstanden, insgesamt 180 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Vor 50 Jahren wurde das Messegelände eingeweiht.

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