Positive Prognose:Nürnberg-Messe erwartet "ein Jubeljahr"
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Entgegen dem Trend in der deutschen Wirtschaft peilen die Nürnberger Messechefs einen Rekordumsatz an. Die Pandemie ist gut überstanden und neue Investitionen werden geplant. Verändert hat sich aber dennoch etwas.
Von Uwe Ritzer, Nürnberg
Eigentlich hat Peter Ottmann mit euphorischen Prognosen schlechte Erfahrungen. Anfang 2020 prophezeiten er und sein damaliger Co-Geschäftsführer Roland Fleck der von ihnen geführten Nürnberg-Messe "ein echtes Knallerjahr". Doch schon wenige Tage später bremste der Corona-Lockdown die deutsche Messewirtschaft auf nahezu null. Monate vergingen ohne nennenswertes Geschäft und entsprechend mussten auch die Nürnberger, anstatt ein Knallerjahr zu feiern, in einen beispiellosen Krisenmodus schalten. Vier Jahre später ist allerdings die Euphorie zurückgekehrt. "Wir erwarten 2024 ein Jubeljahr", sagte der inzwischen alleinige Nürnberger Messechef Ottmann am Donnerstagabend vor Journalisten. "Die Kunden kamen nach der Pandemie viel schneller zurück, als wir geplant, gehofft und erwartet hatten."
Das ist schon kurios: Die deutsche Volkswirtschaft schwächelt, alle entsprechenden Indikatoren weisen nach unten. Die allgemeine Stimmung ist miserabel wie selten, in Nahost und der Ukraine toben Kriege, Terroristen bedrohen globale Handelswege, und ein drohender Wahlsieg von Donald Trump bereitet vielen ebenso große Sorgen wie die chinesische Wirtschaftspolitik. Doch trotz aller wirtschaftlichen und geopolitischen Verwerfungen sagt die Nürnberger Messegesellschaft, sie spüre von all dem nichts, zumindest nicht in ihren Büchern.
Eine bemerkenswerte Entwicklung, schließlich schlagen die ökonomischen Barometer auf Messeplätzen besonders feinfühlig aus. Dort kommen ganze Branchen zusammen und die Unternehmen treffen ihre Kunden. Man ist sozusagen an der geschäftlichen Front. Petra Wolf, im neu formierten Management der Messegesellschaft für den Heimatstandort Nürnberg zuständig, kann sich die Diskrepanz nur so erklären: "Gerade weil es so viele Krisen gibt, nutzen Unternehmen Messen, um sich auszutauschen, zu vernetzen und nach neuen Kunden zu suchen."
In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, dass die Nürnberg-Messe in diesem, dem 50. Jahr ihres Bestehens, einen Rekordumsatz von 340 Millionen Euro anpeilt. Das wären 25 Millionen mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2018 und das Vierfache des Umsatzes im schlimmsten Krisenjahr 2021. Der Gewinn soll im hohen einstelligen Millionenbereich liegen. In Kürze wird auf dem Messegelände in Nürnberg-Langwasser der 50-millionste Besucher begrüßt.
Im Ausland, das gut ein Fünftel des Umsatzes erwirtschaftet, brummt das Geschäft vor allem in Indien, Brasilien und Griechenland. "Wir wachsen im Ausland sogar schneller als im Inland", sagt der in der neuen Führungsriege für Internationalisierung zuständige Thomas Koch.
Die Beschwernisse der Pandemie hat das von Freistaat und Stadt getragene Unternehmen ohne eine einzige betriebsbedingte Kündigung und einem Mix aus Sparkurs und Investition vor allem in digitale Messeservices gut abgefedert. In den kommenden Jahren wird wieder kräftig investiert. 100 Millionen Euro stehen für den Kauf neuer Messen und Messebeteiligungen, die Personalentwicklung, IT-Investitionen, ein neues Mitarbeitergebäude und die Sanierung des angestammten Messegeländes im Stadtteil Langwasser bereit. "Es geht darum, den Bestand hier wettbewerbsfähig zu halten", sagt Messechef Ottmann. Nach fünf Jahrzehnten sind einige Messehallen in die Jahre gekommen. Und um mehr Nachhaltigkeit in Sachen Energieerzeugung und -verbrauch geht es bei den Investitionen auch.
Nürnberg hat sich vor langem schon auf Fachmessen für Branchen mit Wachstumspotenzial spezialisiert, etwa für Bioprodukte, IT-Sicherheit, Oberflächenbeschichtungen, das Sozialwesen, Feuerwehr-, Guss- oder Getränketechnik. Ein Konzept, mit dem die Franken es unter die 15 größten Messegesellschaften weltweit schafften. Für jedermann offene Publikumsmessen wie die von der privaten Afag organisierte Freizeitmesse und die Consumenta sind Gastveranstaltungen. Auch die demnächst anstehende Spielwarenmesse ist lediglich Mieterin des Areals. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete die Nürnberg-Messe man mit Eigen- und Fremdveranstaltungen 250 Millionen Euro den zweithöchsten Umsatz in einem ungeraden Jahr, in dem traditionell weniger Messen in Nürnberg stattfinden.
Das schnelle Comeback nach den Lockdowns ist eine Sache, doch andererseits wirkt die Pandemie auch nach. "Die Kundenbeziehungen haben sich sehr verändert", sagt Petra Wolf. Aussteller und Besucher würden viel kurzfristiger als früher entscheiden, ob sie an einer Messe teilnehmen. Das Geschäft sei volatiler geworden und Stornierungen als Reaktionen auf wirtschaftliche Veränderungen erfolgten rasanter. Beispiel Bauwirtschaft. Einhergehend mit der durch steigende Zinsen abkühlenden Konjunktur in diesem Sektor sagten binnen zwei Wochen etwa 40 Prozent der Aussteller der Holz-Handwerk-Messe ihre Teilnahme ab. Andere Baumessen wie die Fenster-Frontale sind hingegen stabil. "Das ist unberechenbar, das gab es früher nicht", so Wolf.
Das vergangene Jahr haben die Nürnberger Messemacher auch genutzt, um sich neu zu organisieren. Ottmanns Co-Geschäftsführer Roland Fleck ging im Herbst in Ruhestand, statt in einer Doppelspitze führt Ottmann das Unternehmen als Kopf eines neu installierten, fünfköpfigen Managementboards. Das legte gleich einmal ein vor der Pandemie noch als "edelster Mosaikstein" und "Prachtstück" angekündigtes, neues Kongresszentrum für 250 Millionen Euro auf Eis. Es wäre das vierte auf dem Nürnberger Messegelände gewesen.