Es gibt viele Wege, Digitalisierung menschlich zu gestalten, wie es sich die in Nürnberg stattfindende Messe ConSozial in diesem Jahr als Motto gesetzt hat. Bei Roboter Edan - ehrlich gesagt besteht dieser im Wesentlichen lediglich aus Arm und Hand - geschah dies auf sehr individuelle Weise. Körperlich stark eingeschränkte Frauen, denen Edan in Testversuchen zum Beispiel das Wasser reichte, haben seine Fingernägel lackiert - den einen rot, den anderen lila.
Edan scheint ein grundsätzlich gutmütiges Geschöpf zu sein. Einem neugierigen Besucher schüttelt er am Messestand der Caritas brav die Hand, ohne diese zu zerdrücken, wozu er aber sicherlich fähig wäre. Steuerbar ist Edan nicht nur über einen Joystick, er reagiert auch auf Muskelsignale - und das kommt Menschen entgegen, deren Feinmotorik durch einen Schlaganfall oder andere schwere Erkrankungen stark eingeschränkt ist. Landes-Caritasdirektor Bernhard Piendl ist sichtlich stolz, einen solchen Blickfang präsentieren zu können. Und abgesehen von den lackierten Fingernägeln, es geht ja um eine durchaus ernsthafte Frage: Wie kann die Robotik die Pflegepraxis der Zukunft unterstützen? Der Caritasverband der Erzdiözese München und Freising und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt wollen dies gemeinsam herausfinden. Als oberste Prämisse gilt dabei aber: "Roboter ersetzen keine Beziehungsarbeit", wie Caritas-Referentin Barbara Rinser deutlich macht. Assistenzsysteme wie etwa Edan sollten "Menschen durch ihren Beistand mehr Zeit für Beziehungsarbeit" ermöglichen. Und: Bei der Entwicklung solcher Systeme sollten Pflegekräfte und Pflegebedürftige von Anfang an mit einbezogen werden. "Technik kann nie den Menschen ersetzen, sie kann immer nur eine Ergänzung sein", betont Sozialministerin Kerstin Schreyer am Mittwochmorgen in ihrer Eröffnungsrede zur bereits 20. ConSozial.
Edan & Co. sind indes nur die sichtbare Spitze dessen, was sich gerade an Digitalisierung tut. Einerseits werde die fortschreitende Digitalisierung, wie Schreyer sagt, in etlichen Lebensbereichen Hilfe und Beistand bringen. Offen ist allerdings, was sich durch sie in der Arbeitswelt ändern wird. Und welchen Einfluss wird sie auf Kinder nehmen? Viele Menschen, sagt Schreyer, entwickelten gegenüber der Digitalisierung diffuse Ängste. "Wir müssen diese Sorgen aufgreifen."
Auf viele Fragen, so stellt die Ministerin indes klar, wird auch diese ConSozial mit ihren Fachvorträgen keine endgültige Antwort finden. Möglich sei aber eine Annäherung an die Probleme. "Digitalisierung kann man menschlich gestalten oder auch anders", sagt die Sozialpädagogin Sabine Pfeiffer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ob die Prozesse konfliktfrei liefen, hänge sowohl von den Menschen ab, die digitale Geschäftsmodelle entwickeln, als auch von jenen, die sie als Verantwortliche in ihrem Bereich einführen. Eine durchaus segensreiche Rolle spielen dabei junge Start-up-Unternehmen - und das mit Projekten, an die vor fünf Jahren kein Mensch gedacht hätte. Dazu gehört etwa die Munevo GmbH, deren Stand Schreyer auf ihrem Messerundgang im neuen "Innovationspark" umgehend ansteuert. Die Firma hat ein System entwickelt, mit dem schwerst eingeschränkte Menschen Elektro-Rollstühle durch Kopfneigung steuern können. Und das mit Hilfe des Miniaturcomputers Google Glass, der äußerlich wie eine leicht aufgemotzte Designerbrille wirkt.
Nicht nur das Projekt ist faszinierend, sondern auch die Geschichte dahinter: Chef der Firma ist Claudiu Leverenz, der mit sieben Jahren aus Rumänien ins mittelfränkische Ansbach kam, dort aufwuchs und schließlich nach München zog, um in Wirtschaftsinformatik den Masterabschluss zu machen. In einem der Kurse wurden der mittlerweile 29-Jährige und seine Kommilitonen 2015 mit der Aufgabe betraut, etwas zu entwickeln, was die menschliche Mobilität verbessern kann. "Bei mir im Team war jemand, der seinen Zivildienst in einem Heim absolviert hatte, in dem ganz viele Rollstuhlfahrer lebten." Da kam die zündende Idee, Google Glass mit einem Rollstuhl in Kommunikation treten zu lassen und diesen so zu steuern.
Davon profitieren nun zum Beispiel Menschen mit Multipler Sklerose oder Muskeldystrophie. Früher konnten die Betroffenen ihren Rollstuhl oft nur noch mit einem Joystick am Kinn steuern. Nachteil: Hier muss der Rollstuhl immer wieder umgebaut werden, wenn sich etwa die Sitzposition ändert. "Mit der Brille kann ein Rollstuhlfahrer das selbst in 30 Sekunden anpassen", sagt Leverenz. Elektronikingenieur Tim Fürstenberg, ein in Berlin lebender Freund von Leverenz, profitiert als Betroffener bereits von dieser Innovation. Am Telefon sagt er: "Mir geht es damit supergut." Mit dem Joystick habe es immer Probleme gegeben, etwa dann, wenn er über Kopfsteinpflaster fuhr.
Sozialpädagogin Sabine Pfeiffer warnt allerdings davor, angesichts beeindruckender Entwicklungen die Digitalisierung allzu sehr aus der rosaroten Brille zu betrachten. Politik und Gesellschaft müssten dafür sorgen, dass auch jene daran teilhaben könnten, die nicht über viel Geld verfügen. Und solche finden sich unter den Alten und den Menschen mit Behinderung nicht wenige.