Kultur und Zukunft:Nürnberg hat jetzt ein Deutsches Museum

Lesezeit: 3 Min.

Ministerpräsident Markus Söder bei der Eröffnung des Zukunftsmuseums in Nürnberg. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Die Zweigstelle wurde endlich eröffnet. Das Museum soll sich mit der Zukunft beschäftigen. Von den Streitereien um die hohen Kosten will Ministerpräsident Markus Söder nichts mehr wissen.

Von Clara Lipkowski, Nürnberg

Es musste einfach sein. Wenn Markus Söder ein Museum eröffnet, dessen allererste Ausstellung "Science" und "Fiction" heißt, eines, in dem futuristische Technologien verhandelt werden, der Einsatz von Robotern, da lag es nahe, dass er irgendwann ein Laserschwert schwenken würde. Umringt von verkleideten Cyberwesen und Ministern grinst der Star-Wars-Fan und Ministerpräsident am Freitag in die Kameras, zerteilt mit dem Schwert ein rotes Band und wahrscheinlich ist halb Nürnberg in dem Moment froh, dass es jetzt offiziell ist mit diesem Zukunftsmuseum. Denn das war bislang angesichts des hohen Mietpreises, den der Freistaat dafür zahlt, eher Aufreger als Ort der "Strahlkraft", wie von jetzt an in die Fernsehkameras gesagt wird.

Freitagvormittag sind Politik, Wissenschaft und Presse geladen, von Samstag an dürfen alle Interessierten in das Deutsche Museum Nürnberg. Es ist ein Ableger des gleichnamigen Hauses in München, und das klingt ein bisschen nach kleiner Zweigstelle, aber erweist sich als weit mehr - und es ist erst das vierte weltweit, das sich explizit der Zukunft widmet. Die Zukunftsmuseen von Berlin, Tokio und Rio de Janeiro schicken daher auch Videogrüße nach Franken, wobei Tokio einen sehr lebendigen Roboter Richtung Kamera laufen lässt und aus Berlin Museumsleute jubeln und winken.

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Aus Berlin kommt auch der Architekt Volker Staab, der hier an der Pegnitz, mitten in der Altstadt, den Augustinerhof samt Museum entworfen hat. Es ist nicht die erste Arbeit des Berliners in der Frankenmetropole. Er hat auch das Neue Museum für zeitgenössische Kunst mit seiner imposanten Glasfassade entworfen.

Ebenso modern wie dort zeigt sich auch das Deutsche Museum Nürnberg von innen mit viel Sichtbeton. (Die großen versetzten eigentümlich braunen Fenster allerdings lassen von außen erst einmal nicht die helle Zukunft vermuten). Innen also lange glatte Betonwände, die in lange Kanten münden, hier und da Lichtstreifen, alles supermodern. Schöner Kontrast nach draußen: Spektakulär fällt der Blick durch die riesigen bodentiefen Fenster auf das alte Fachwerk an der Pegnitz und das gegenwärtige Nürnberg, während sich drinnen alles um die Zukunft dreht.

Söder lässt sich schnell die drei Etagen zeigen, dankt beim Grußwort ausdrücklich Immobilienmanager Gerd Schmelzer, mit dem der Freistaat den Mietvertrag abgeschlossen hat und sagt noch mit hochgezogenen Augenbrauen, dass alles "nach Recht und Gesetz abgelaufen" sei. Die Opposition sieht das anders, 25 Jahre lang jährlich 2,5 Millionen Euro zu zahlen sei unverhältnismäßig, heißt es. Am Obersten Rechnungshof läuft ein Prüfverfahren. Söder gibt sich genervt. Am Tag der Eröffnung könne man auch einfach mal gut sein lassen und sich freuen. Und entschwindet zum Termin mit Armin Laschet, der in der Stadt ist.

Roboter, die Schweißnähte ziehen, ein riesiger Globus und drumherum Weltraumschrott

Im Museum jedenfalls ist man sichtlich froh, dass es jetzt, mit einigen coronabedingten Monaten Verspätung endlich losgeht und über Inhalte geredet wird. Man setzt hier in fünf Themenbereichen auf viele Spielereien und Messgeräte, die ungefragt die Größe von Gästen erfassen, vor allem aber geht es darum, wie Technologien die menschliche Welt verändern. Etwa am Arbeitsplatz, weil Roboterarme es übernehmen, feinste Schweißnähte zu ziehen. Etwas größer gedacht geht es um moderne Mobilität, um den Klimawandel aufzuhalten. Noch weiter gefasst, wie sich der Mensch im All bewegt, etwa Richtung Mars. Ein riesiger Globus hängt von der Decke, drumherum Weltraumschrott. Auch das ist so ein Thema, Verantwortung in Sachen Raumfahrt.

Die Stationen bieten wenig Text, dafür kann umso mehr angefasst werden. Explizit wendet man sich hier auch an Kinder und Jugendliche. Nur etwas vormodern wirken die Hörer, die man sich ans Ohr hält, während in anderen Museen längst das eigene Smartphone dafür herhält.

Ein Globus im Themenbereich "System Erde" des Deutschen Museums in Nürnberg. (Foto: dpa)

Optisch ist das alles durchdesignt. Dunkelgrau sind Exponate, die für pure Science-Fiction stehen, ein Cyborg etwa. Weiß ist die Realität, Stand der Technik. Hellgrau ist alles dazwischen, was schon in Köpfen von Wissenschaftlerinnen und Technikgeeks schlummert, teils erprobt ist, aber noch nicht seinen Weg in die Gesellschaft gefunden hat. Man nehme das Flugtaxi. Oft belächelt, steht jetzt so ein riesiges Gerät als Prototyp in Nürnberg. Genauer: Es ist Elektroauto und Drohne, beides gibt es, daher Kategorie weiß. Zum Fliegen dockt die Drohne an das Auto. Und genau das ist der Punkt - vieles, was technisch geht, ist gesellschaftlich längst nicht ausgehandelt. Wem gehört der Luftraum, wer garantiert für die Sicherheit, wenn Menschen von A nach B fliegen?

Das ist der starke Teil des Museums. Es wirft moralische, gesellschaftliche Fragen auf. Stichwort: Designerbaby per Computer. Oder: Sex und Einsamkeit. Eine lebensgroße, sehr menschlich aussehende Sexroboterin sitzt in Nürnberg in einer Vitrine. Erste Bordelle mit solchen Maschinen gibt es bereits, manche reden vom Ende der Ausbeutung von Sexarbeit. Andererseits fragt die Ausstellung: Wollen wir derart Intimes wie Sex mit einer Maschine teilen? Oder der Cyborg: Ist man schon einer, wenn man einen Herzschrittmacher trägt?

Das Museum reiht sich in Nürnberg ein zwischen Germanisches Nationalmuseum und Neues Museum und rangiert, kein Zweifel, auf internationalem Niveau. Für einen Besuch muss man weder Technikfreak noch studierte Physikerin sein. Und das wird sich sicherlich schnell beim internationalen Publikum rumsprechen.

© SZ vom 18.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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