Ein Tourist besucht Nürnberg, einen Tag lang hat er Zeit - und im Kulturprogramm soll auch ein ambitioniertes Haus für zeitgenössische Kunst stehen. Möglichkeiten hat er da etliche, wenn der Plan aber straff ist und der Besucher am Ende das Wichtigste gesehen haben will, so wird er zwischen zwei großen Häusern auswählen müssen: Neues Museum oder Kunsthalle?
Das eine, das Neue Museum, ist zu Edmund Stoibers Zeiten sozusagen aus der anderen, der Kunsthalle, hervorgegangen, Fleisch vom Fleische könnte man zugespitzt sagen. Von der äußeren Form freilich ist zwischen zwei artverwandten Häusern ein größerer Unterschied kaum denkbar. Hier das transparente Schaufenstermuseum, das von außen mehr als nur andeutet, was innen zu erwarten ist - und auf keiner Nürnberg-Postkarte fehlen darf. Dort dagegen die Kunsthalle, ein von der Stadtmauer eingehegtes, optisch fast hermetisches Haus, das von außen höchstens einen Blick in den Vorraum gewährt. Eine "hidden beauty" gewissermaßen.
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Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt verkündet überraschend den Statuswechsel schon jetzt. Nach der Sanierung wird der Etat deutlich höher ausfallen.
"Hidden beauty" ist der Titel einer Ausstellung, mit der das Haus jetzt nach anderthalbjähriger Sanierung wieder öffnet. Wer um die Bedeutung der Kunsthalle - hier zeigten Kiki Smith und Candida Höfer schon ihre Arbeiten, als diese noch nicht zum Grundwortschatz des Bildungsbürgers gehörten - zwar weiß, dieses Wissen aber schon länger nicht mit der Wirklichkeit abgeglichen hat, der darf sich nun eingeladen fühlen. 3,3 Millionen Euro hat die Sanierung gekostet, das Haus mit seinen bislang sieben, nun acht wohlproportionierten Oberlichtsälen wurde mit einer komplett neuen Dachlandschaft bestückt.
Damit verbunden präsentiert sich die Kunsthalle jetzt in und mit neuem Licht. Ein durchgängiges Lichtband sorgt für gleichmäßige Ausleuchtung, mit Strahlern können einzelne Exponate zusätzlich akzentuiert werden. Wichtiger aber noch wirkt sich der Rückbau der bisherigen Verschattungslamellen am Dachglas aus. Stattdessen fällt nun permanent Tageslicht in die Räume, nachdem die Oberlichter mit elektrochromer Verglasung ausgestattet worden sind. Das Prinzip ähnelt dem einer Sonnenbrille: Scheint die Sonne zu hell, verdunkelt sich das Glas automatisch - kann aber manuell je nach Ausstellung und Werk flexibel reguliert werden.
Es ist eine schöne Idee, dass die erste Gruppenausstellung nach der Wiedereröffnung die Bedingungen des Hauses selbst reflektiert. Da ist etwa Thomas Rentmeister, der eine ebenso raumgreifende wie scharfkantige Arbeit vorlegt: Er hat Lüftungskanäle miteinander verbunden, sie schwingen sich schlaufenartig durch den Raum und zeigen dabei, einem Zeigefinger nicht unähnlich, nach oben, zur neuen Dachlandschaft an der Stadtmauer. Auch an die neue Klimatechnik im Haus lässt die Skulptur denken, wobei deren verbeulte Enden offenbar Opfer einer Art Demolierung geworden sind - was man auf den gewaltsamen Schnitt lesen darf, den dieses historische Haus, mehr als 100 Jahre alt, hinter sich hat, um nun in neuem Licht erstrahlen zu können.
Die Schau lockt mit großen Namen
Mit der Relation von Haustechnik und Kunst spielen auch andere Exponate von "hidden beauty". Nevin Aladaĝ etwa zeigt eine Arbeit, die von Weitem wie eine nach orientalischer Art geknüpfte Blumenampel aussieht, womöglich ein dekorativer Raumteiler. Tatsächlich koppelt und verknotet Aladaĝ allerlei Kommunikationskabel, was man gerne soziologisch deuten darf als Digitalisierungsrekurs - aber womöglich auch ganz pragmatisch zu verstehen ist, im Sinne einer zeitgemäßen Haussanierung: Alle Räume haben jetzt Wlan.
Auch große Namen präsentiert diese Wiedereröffnungsschau: So zeigt Olafur Eliasson seine Lichtskulptur "Mono scanner", eine Leuchtturmassoziation, die einem Haus mit neuer Lichttechnik gut zu Gesicht steht. Nicht entgehen lassen sollte man sich auch das Werk von Michail Pirgelis, der sich sein artifizielles Arbeitsmaterial auf Flugzeugfriedhöfen in Kalifornien zusammensammelt. Pirgelis' Arbeit ist das geheime Zentrum dieser Schau: Den Höhenunterschied zwischen den beiden zentralen Ausstellungsräumen überbrückt er mit federndem Flugzeugboden. Darf man den in Kalifornien einfach so mitgehen lassen? Nein, antwortet er, man müsse da schon ein "paar Jahre lang Verbindungen" geknüpft haben mit den Beschäftigten auf dem Flugzeugfriedhof. Dann aber dürfe man schon mal was mitnehmen und künstlerisch verarbeiten. Pirgelis stellt Teile früherer Bordküchen skulptural in den Raum. Noch eindrücklicher freilich sind seine vertikal gestellten, wandhohen Flugzeugböden (von Boeing), die man aus der Perspektive tatsächlich sonst nicht zu sehen bekommt. Noch eine "hidden beauty".
Von einem eineinhalbjährigen "Schönheitsschlaf" des Hauses spricht Nürnbergs Kulturreferentin Julia Lehner, einem allerdings, bei dem das Haus zu seinen Gunsten "operiert" worden sei. Für Nürnberg, das sich im Dezember als Kulturhauptstadtbewerber in Berlin vorstellt, kommt das neu erstrahlende Haus gerade recht. Auch für Kunsthallen-Leiterin Ellen Seifermann markiert die Sanierung eine Zäsur. Wann, fragt sie, habe "man im laufenden Betrieb schon mal die Möglichkeit, Dinge nochmals zu ändern?" Jetzt gehe es darum, Publikum zurückzuholen ins Haus. Mit "hidden beauty" dürfte das gut möglich sein.
Hidden beauty. In der Kunsthalle Nürnberg im KunstKulturQuartier zu sehen bis zum 19. 01. 2020.