Nürnberg:Prozess wegen Korruption im Staatlichen Bauamt

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Nürnberg: An der Wirtschaftskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth beginnt an diesem Montag ein Prozess gegen sieben Männer und eine Frau wegen Betrugs- und Korruptionsvorwürfen.

An der Wirtschaftskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth beginnt an diesem Montag ein Prozess gegen sieben Männer und eine Frau wegen Betrugs- und Korruptionsvorwürfen.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Über Jahre hinweg soll ein Ex-Mitarbeiter Scheinrechnungen abgesegnet und Schmiergeld für die Vergabe von Aufträge erhalten haben. Von diesem Montag an stehen acht Angeklagte vor Gericht.

Von Max Weinhold, Nürnberg

Die Zahl der avisierten Verhandlungstage eines Gerichtsprozess lässt immer auch einen Schluss auf den Umfang desselben zu. Wenn nun derer 17 geplant sind wie von Montag an vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth, dann weiß man: Dieser Prozess wird umfangreich. Angeklagt sind sieben Männer und eine Frau wegen Betrugs- und Korruptionsvorwürfen. Über mehrere Jahre sollen sie das Staatliche Bauamt in Nürnberg um hohe Geldbeträge geprellt haben, allein zwischen 2017 und 2021 um knapp 3,9 Millionen Euro.

Einer der Angeklagten, ein ehemaliger Mitarbeiter des Bauamtes, soll in diesem Zeitraum immer wieder überhöhte Rechnungen zweier Baufirmen abgesegnet haben. Er war zuständig für den Erhalt von Bundes- und Staatsstraßen in Teilen Mittelfrankens und kümmerte sich um Ausschreibungen, die Bauaufsicht und -passenderweise - um Rechnungsprüfungen. Schon 2011 soll er das Betrugssystem mit dem Mitarbeiter einer der Baufirmen entwickelt haben.

In der Praxis lief das, so sieht es die Staatsanwaltschaft, so ab: Der angeklagte Mitarbeiter der Straßenbaufirma soll echte Rechnungen um nicht erbrachte Leistungen ergänzt und diese an das Bauamt gestellt haben. In einigen Fällen soll es sich um gänzlich erfundene Leistungen gehandelt haben. Insgesamt gingen 100 Rechnungen dieser Art im Bauamt ein, an manchen Tagen gleich vier, die teuerste in Höhe von fast 190 000 Euro. Der Ex-Mitarbeiter des Bauamts soll dann alles abgenickt haben.

Damit die Männer mit dieser Praxis nicht auffliegen, sollen sie die Zahlungen verschleiert haben: mithilfe von Subunternehmen, die selbst Scheinrechnungen an die Baufirma stellten. Die vom Bauamt bezahlte Summe für die in Wahrheit gar nicht erbrachten Leistungen sollen die Angeklagten untereinander aufgeteilt haben.

Einige mutmaßliche Taten können allerdings gar nicht mehr bestraft werden, weil Korruption und Betrug nach fünf Jahren verjähren - geahndet werden soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft sehr wohl aber das, was von 2019 an passierte. In diesem Jahr soll eine weitere Firma begonnen haben, nach demselben Schema Rechnungen ans Bauamt zu stellen; hier soll sich der Schaden für Selbiges auf fast eine halbe Million Euro belaufen.

Darüber hinaus soll der Mann im Bauamt auch Schmiergeld angenommen haben. So soll er bereits 2011 dem Mitarbeiter einer Tiefbaufirma offeriert haben, dessen Unternehmen bei der Vergabe von Aufträgen bevorzugt zu behandeln. Auf diese Weise soll der Ex-Bauamt-Mitarbeiter im für die Anklage relevanten Zeitraum seit 2017 mehr als 260 000 Euro Schmiergeld erhalten haben. Im Zusammenhang mit den Taten klagt die Staatsanwaltschaft die Beschuldigten auch wegen Steuerhinterziehung an.

Wieso konnten die Angeklagten das Bauamt offenbar über Jahre abzocken

Die Vorwürfe gegen den Hauptangeklagten hat dieser laut Staatsanwaltschaft nur teilweise eingeräumt. Seine ebenfalls angeklagte Ehefrau schweigt, die weiteren sechs Beschuldigten sind geständig.

Der Prozess soll freilich zuvorderst klären, wer welche Verantwortung im juristischen Sinne trägt. Interessant ist allerdings, inwieweit die Frage geklärt werden kann, wieso die Angeklagten das Bauamt offenbar über Jahre abzocken konnten -bis schließlich Mitarbeiter des Staatlichen Bauamtes Unregelmäßigkeiten bei den Rechnungen entdeckten und so überhaupt erst für Ermittlungen sorgten.

Seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe ist inzwischen ein Jahr vergangen, seither sitzt der ehemalige Mitarbeiter des Bauamtes in Untersuchungshaft. Und es begann die Aufarbeitung. "Nach den bisherigen Erkenntnissen waren nicht die Verfahrensregelungen im Vergabeverfahren Angriffspunkt der festgestellten Manipulationen, sondern die Schnittstelle zwischen Ausführung und Abrechnung", erklärt ein Sprecher des übergeordneten bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr auf SZ-Nachfrage. Das Staatliche Bauamt Nürnberg habe die geltenden Vorgaben im Hinblick auf die Korruptionsvorsorge bereits in der Vergangenheit durchgeführt und unterstütze im aktuellen Fall uneingeschränkt die Ermittlungsbehörden bei der Aufklärung.

Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung sollen weiterentwickelt werden

Die gewonnenen Erkenntnisse aus dem nun vor Gericht verhandelten Fall würden in die Weiterentwicklung der bestehenden Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung einfließen; Vorgesetzte und Mitarbeitende würden sensibilisiert. "Die Korruptionsvorsorge und -bekämpfung hat für die Staatsbauverwaltung einen hohen Stellenwert", betont der Ministeriums-Sprecher.

Trotzdem bleiben die Fragen: Wie konnten die Taten so lange unentdeckt bleiben? Und: Was wird unternommen, damit so etwas nicht öfter passiert? Auf Grundlage der Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung von Korruption in der öffentlichen Verwaltung seien bereits in Vergangenheit vielfältige organisatorische Kontrollmechanismen implementiert worden, heißt es aus dem Ministerium: "Neben grundlegenden Regelungen wie dem Verbot der Annahme von Belohnungen und Geschenken, der Beachtung des Mehr-Augen-Prinzips und ergänzenden Vorschriften zur Verhütung von Manipulationen im Vergabewesen, wird die Sensibilität der Beschäftigten und die Verantwortung von Vorgesetzten zum Beispiel über regelmäßige Schulungen aktiv gefördert." Darüber hinaus würden "weisungsfreie Korruptionspräventionsbeauftragte Schwachstellen im Dienstbetrieb analysieren" und "geeignete Präventionsmaßnahmen vorschlagen". Auch regelmäßige Gefährdungsanalysen gehörten zur Prävention.

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