Klimaschutz:Söder: Es muss sich mehr ändern, "als derzeit mancher glaubt"

  • In Nürnberg diskutieren Schüler mit Bayerns Ministerpräsident, einem Klimaforscher und einem Fridays-for-Future-Aktivisten über Strategien gegen die Erderwärmung.
  • Söder kündigt auf dem SZ-Podium einen neuen Anlauf für die Aufnahme des Klimaschutzes in die bayerische Verfassung an.
  • Für den renommierten Wissenschaftler Georg Feulner ist es inzwischen zu spät, nur auf einen Bewusstseinswandel der Bevölkerung zu setzen. Dafür sei die Klimaerwärmung viel zu weit fortgeschritten.

Von Christian Sebald

Sind es nun 38 Grad oder doch 39 Grad an diesem Freitagmittag im Pirckheimer-Gymnasium in Nürnberg? Das weiß keiner so genau. Aber im Grunde genommen ist es auch gleichgültig. Denn jedem der 150 Schüler und Schülerinnen in dem kleinen Schulsaal im zweiten Stock ist es fürchterlich heiß, da nützt es auch nichts, dass sich viele mit Zeitungen Luft zufächeln. Für den Klimaforscher Georg Feulner, der oben auf dem Podium vor den Schülern sitzt, ist es denn auch eindeutig. "Diese Hitzeperiode, die wir jetzt haben, ist kein außergewöhnlicher Sommer", sagt Feulner. "Sie ist eine Folge des Klimawandels."

Feulner, der am Potsdam-Institut für Klimaforschung arbeitet und zu den renommiertesten Klimaexperten Deutschlands zählt, ist einer der Gäste auf dem Podium. Mit dabei ist auch Ministerpräsident Markus Söder, der - wie das Publikum - sichtlich an der Hitze in dem Saal laboriert, und Moritz Angstwurm. Der 21-jährige Bamberger Student ist einer der führenden Fridays-for-Future-Aktivisten in Bayern. Das Thema der Podiumsdiskussion, die von der SZ-Redakteurin Katja Auer moderiert und von der Mediaschool im Internet gestreamt wird, lautet: "Bayern 2050 - das Klima der Zukunft".

Gleich zu Beginn versichert Söder, dass er große Achtung vor den Fridays for Future habe. Zwar weiß er nicht, ob "ich als 15-Jähriger mitmarschiert wäre oder nicht". Aber mit ihrem Engagement machten die Jugendlichen klar, "dass sich im Klimaschutz etwas ändern muss - und zwar mehr, als derzeit mancher glaubt". Dann macht Söder klar, dass er als Ministerpräsident ebenfalls seinen Einfluss geltend mache, damit sich die Klimapolitik ändere. Denn, das hat auch Söder erkannt, "es geht nicht um einen Sommer, es geht um die langfristige Perspektive."

Im Herbst will Söder den Entwurf für ein Klimaschutzgesetz vorlegen. Außerdem will er einen neuen Anlauf für die Aufnahme des Klimaschutzes in die bayerische Verfassung nehmen. Der erste war an der Opposition gescheitert. Ansonsten wiederholt Söder seine Forderung nach einem deutlich schnelleren Kohleausstieg als bis 2038, mehr erneuerbare Energien und einen Preis für den CO₂-Ausstoß und dergleichen mehr. Wichtig ist für Söder, dass es schnell vorangeht mit dem Klimaschutz. "Wir haben jetzt keine Zeit mehr", sagt er. "Vor fünf oder sechs Jahren haben die Experten gesagt, dass wir sie noch haben."

Gegen diese Behauptung legen Angstwurm und Feulner massiven Widerspruch ein. Wie überhaupt der Aktivist und der Wissenschaftler in ihren Positionen ganz nahe beieinander sind. "Dass sich der Klimawandel beschleunigt hat, liegt doch nur daran, dass die Politik die letzten 20, 30 Jahr nicht wirklich etwas gegen ihn getan hat", sagt Angstwurm und Feulner sekundiert: "Der Weltklimarat hat schon vor 20 Jahren beschrieben, was wir jetzt erleben." Nur seien die Experten seinerzeit als "Alarmisten" beschimpft worden.

Für Feulner ist es inzwischen zu spät, nur auf einen Bewusstseinswandel der Bevölkerung zu setzen. Dafür sei die Klimaerwärmung viel zu weit fortgeschritten. "Wer einen 2,5 Tonnen schweren SUV fährt, muss deshalb auch den Preis für das CO₂ bezahlen, mit dem sein Fahrzeug das Klima belastet", sagt er mit Blick auf die Debatte um die CO₂-Steuer. Genauso sieht der Experte das bei den Billig-Flügen.

Angstwurm fordert eine grundsätzliche Änderung der Verkehrs- und der Energiepolitik. Überdies betont er, dass echter Klimaschutz nicht ohne Einschränkungen der persönlichen Lebensstile funktionieren werde. Wie viele Fridays-for-Future-Aktive verzichte deshalb auch er auf Flüge, esse kaum Fleisch. Für Feulner und Angstwurm zeigt die immense positive Resonanz auf die neue Protestbewegung, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung bereit sei für einen echten Klimaschutz.

Söder stimmt den beiden über weite Strecken zu. Dennoch wagt er den Spagat. Denn der Ministerpräsident will bei seiner "Klimaoffensive" nicht nur Skeptiker mitnehmen, sondern möglichst auch die Leugner des Klimawandels. "Wir müssen eine Spaltung der Gesellschaft vermeiden", sagt er. "Deshalb kommt es auf die Mischung der Maßnahmen an." Als Beispiele nennt er den Ausbau der Bahn, damit sie eine echte und klimafreundliche Konkurrenz für den Luftverkehr wird, und seine Ankündigung, binnen fünf Jahren bayernweit 30 Millionen Bäume zu pflanzen.

Dem Klimaforscher und dem Aktivisten ist das zu zögerlich. So wie auch vielen Schülern und Schülerinnen im Publikum. "Wenn wir den Klimawandel einigermaßen in den Griff bekommen wollen, dann müssen wir jetzt sehr schnell und radikal die Klimagas-Emissionen senken", sagt Feulner unter dem Beifall der Schüler und Lehrer. "Und zwar die im Verkehr, in der Energiewirtschaft und die in der Landwirtschaft." Zugleich warnt er davor, zu große Hoffnung in eine Zukunftstechnologie zu setzen - welche auch immer es sei. Feulners Appell lautet: "Wir müssen jetzt etwas für den Klimaschutz tun."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: