Kaum ein Wort beschreibt die Beziehung der Nürnbergerinnen und Nürnberger zu ihrem Stadtzentrum wohl treffender als: ambivalent. Man kann in der Innenstadt von dem zentralen Platz, dem Hauptmarkt mit seinem wirklich schönen Schönen Brunnen, in fünf Minuten hinauf laufen zum Wahrzeichen, der mittelalterlichen Kaiserburg, und passiert dabei ein Bratwurstlokal von 1312, die noch etwas ältere Sebalduskirche und die nach eigenen Angaben älteste Weinstube der Republik sowie das Wohnhaus von Albrecht Dürer – Geschichte verdichtet auf 550 Metern.
Wer allerdings nicht nordwärts Richtung Burg, sondern auf einer der Brücken über die Pegnitz Richtung Süden schreitet, der gelangt bald zur Lorenzkirche und damit an einen Ort, an dem der Kontrast zwischen imposanter Sakralarchitektur und charakterlosen Konsumgüterkettenfilialen größer kaum sein könnte. Es bietet sich überdies eine Pflastersteinhölle dar, die im Sommer zu glutofenartigen Zuständen führt und die Straßen im Herbst mitunter noch ein wenig grauer ausschauen lässt. Jedes Exemplar der raren Spezies Baum in der Gegend ist so eng wie möglich von Steinen umringt.

Sightseeing in Nürnberg:Die Touri-Busse stinken, rattern, rußen – na und?
Eine ökologisch bedenkliche Doppeldecker-Flotte kutschiert Touristen durch die Franken-Metropole. Die Grünen würden das gerne ändern. Nur wie?
Weil dieser Zustand unverkennbar ist und wenig erstrebenswert, hat die Stadt Nürnberg ihre Bürgerinnen und Bürger um Lob, Kritik und Wünsche für das „Stadterneuerungsgebiet Altstadt-Mitte“ gebeten, um „Entwicklungschancen für das Gebiet zu identifizieren“. So eine Befragung ist Grundlage für eine finanzielle Förderung der Altstadtsanierung durch Bund und Freistaat. Seit zwei Wochen läuft sie und eine Durchsicht der 127 Rückmeldungen (Stand: Montag, 12 Uhr) zur Halbzeit der Befragung offenbart: Lob gibt es nicht, Kritik und Wünsche jede Menge.
Mit Abstand die meisten Kommentarschreiber (41) wünschen sich mehr Bäume und Grünflächen, gefolgt von noch weniger Autoverkehr (19), wenngleich dieser aus einigen Bereichen des Zentrums bereits verbannt ist. Dies gilt in den Fußgängerzonen auch für Fahrräder, weshalb aus zehn Kommentaren der Wunsch hervorgeht, Radlern den Weg durch die Innenstadt zu erleichtern. Ebenso viele Menschen pochen auf bessere kulinarische Angebote, worauf die Stadt freilich nur bedingt Einfluss besitzt. Und dann sind da noch die vielen Vorschläge zur Nutzung all des Leerstandes: ein Jugendtreff, eine Markthalle, Räume für Kultur oder Cannabisclubs – klingt plausibel und realistisch (das meiste jedenfalls, wir befinden uns ja immer noch in Bayern).
Nach der Auswertung der Vorschläge soll sich als Nächstes der Stadtrat mit konkreten Maßnahmen befassen. Besteht also baldige Hoffnung auf Besserung? Nun ja, es wird Geduld brauchen – für die Umsetzung sind zehn bis 15 Jahren anvisiert. Bis auf Weiteres dürfte die Beziehung zur Innenstadt also ambivalent bleiben.