Süddeutsche Zeitung

Mitten in Nürnberg:Geplantes ICE-Werk entzweit die Metropolregion

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Wohin bloß mit dem ICE-Ausbesserungswerk? Die Metropolregion Nürnberg droht an ihrer ersten echten Bewährungsprobe zu scheitern. Es fehlt der politische Mut.

Kommentar von Uwe Ritzer

Elf Metropolregionen gibt es in Deutschland und eine davon ist besonders stolz auf sich: Die Metropolregion Nürnberg. 23 Landkreise und elf kreisfreie Städte taten sich 2005 zusammen, um die fränkische Kleinstaaterei zu beenden. Viele Jahrhunderte war Franken - anders als der Wittelsbacher'sche Süden Bayerns - kein einig' Land, sondern ein Flickenteppich territorialer und konfessioneller Herrscher, die mal mit-, meistens aber gegeneinander arbeiteten - und sich gegenseitig nichts gönnten. Das blieb auch so, als es keine Territorialherrscher mehr gab.

So gesehen war 2005 vor allem ein großes Versprechen: Ab sofort halten wir zusammen und sammeln uns um Nürnberg. Weil in einer globalisierten Wirtschaftswelt ein Chinese oder Amerikaner womöglich schon mal was von Nürnberg, seltener aber von Rödental, Strullendorf oder Treuchtlingen gehört hat. "Gemeinsam begegnen wir den Herausforderungen, die das wachsende Europa uns allen abverlangt", heißt es auf der Internetseite der Metropolregion. Ziemlich großspurig, denn diese Metropolregion droht gerade an ihrer ersten echten Bewährungsprobe zu scheitern.

Die Bahn will ein ICE-Ausbesserungswerk bauen und hat neun mögliche Standorte in und um Nürnberg definiert. Das fanden die neuzeitlichen Regionalfürsten in Rathäusern und Landratsämtern zunächst toll, schließlich will die Bahn 400 Millionen Euro investieren und 450 neue Arbeitsplätze schaffen. Weil aber die Bevölkerung an den Standorten seither auf die Barrikaden geht, wich die Begeisterung nackter Angst. Und seit die Bahn ihre Suche auf drei Areale beschränkt, ist die alte fränkische Kurzsichtigkeit neu ausgebrochen. Denn alle drei liegen im Umland. Wenn in Nürnberg ein ICE-Werk sein muss, dann auch auf Nürnberger Gebiet, sagen die jeweiligen Landräte und Bürgermeister. Umgekehrt sind die Nürnberger Kommunalpolitiker froh, dass sie den Ärger los sind. Metropolregion? Zusammenhalt? War da was?

Es ist aber nicht nur die Metropolregion, die als Plattform für solche Entscheidungsprozesse versagt. Was überall in Rathäusern und Landratsämtern fehlt, ist politischer Mut. Der Mut, den Menschen zu sagen, dass Klimaschutz mit einer Verkehrswende zugunsten der Schiene nicht funktionieren wird, wenn man gleichzeitig alles blockiert, was dafür notwendig ist. Und sei es ein ICE-Werk.

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