Nürnberg:Fassadenabriss von fünf Hochhäusern wird Fall für die Justiz

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Die Fassade wurde im Herbst in einer Hau-Ruck-Aktion entfernt. (Foto: Henz)

Mehr als 200 Betroffene wollen bei der Hauptverhandlung dabei sein. Das Amtsgericht muss deswegen einen externen Raum anmieten.

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Die kalten Wintermonate ohne Dämmung haben die Bewohner einer Nürnberger Hochhaussiedlung überstanden, den Streit um die Kosten für den Fassadenaustausch hingegen noch nicht. Die Fassade ist vergangenes Jahr hastig entfernt worden, weil sie brennbares Material enthielt. Viele Wohnungseigentümer halten den als Notmaßnahme von Stadt und Hausverwaltung bezeichneten Abriss aber nach wie vor für unnötig. Nun soll die Justiz klären, ob die Auftragsvergabe damals rechtmäßig war. Die Kosten für Abriss und Neubau werden je nach Wohnungsgröße auf 40 000 bis 50 000 Euro geschätzt. Mögliche Schadensersatzforderungen sind in dem laufenden Verfahren aber noch kein Thema.

Das Nürnberger Amtsgericht hat den für Anfang Juni vorgesehenen Hauptverhandlungstermin kurzfristig abgesagt, als klar wurde, dass mehr als 200 Betroffene bei der Verhandlung dabei sein wollen - und dafür reicht selbst der Saal 600 im Justizpalast nicht aus. Nun soll extra ein Raum angemietet werden.

Es geht um mehr als 300 Wohnungen in fünf Hochhäusern, die in den Sechzigerjahren als Siedlung für Mitarbeiter des Bundes und der Post im Stadtteil Langwasser errichtet wurden. Ende der Neunzigerjahre wurden die Anlage von der heutigen Immobilienfirma Vonovia gekauft und in Eigentumswohnungen umgewandelt.

Weil in der Fassade Styropor verarbeitet wurde, hatten die Stadt Nürnberg und die Vonovia Immobilien Treuhand als Verwalterin der Wohnanlage Mitte Oktober beschlossen, die Platten so schnell wie möglich abschlagen zu lassen. Es sei Gefahr im Verzug gewesen, argumentierte die Verwaltungsgesellschaft damals. Erst nachträglich ließ sie sich die Arbeiten von der Eigentümerversammlung absegnen.

Schon damals stimmten die Eigentümer nur unter Vorbehalt zu. Nun wird das Gericht entscheiden, ob der Beschluss gültig ist. Es wäre überraschend, wenn es dabei zu einer positiven Antwort käme. Denn Anfang dieses Jahres hat sich die zuständige Richterin in einer einstweiligen Verfügung schon zu einem Teilaspekt positioniert und festgestellt, dass die Vonovia gar nicht als Verwalterin der Siedlung auftreten dürfe - wegen eines Formfehlers. Sie war nämlich nie als Gesamtverwalterin eingesetzt worden, sondern nur für jedes einzelne Haus. Deshalb könne sie keine Gesamteigentümerversammlung einberufen. Dort gefasste Beschlüsse, hieß es in der Verfügung, wären anfechtbar.

Sollte diese Einschätzung bestätigt werden, muss sich die Vonovia auf eine Welle von Schadenersatzklagen einstellen. Sachverständige dokumentieren momentan, welche Schäden durch den Abriss am Beton entstanden sind. Hinzu kommen bei einigen Wohnungen Rechnungen für verschimmelte Möbel.

Die Wohnungseigentümer haben inzwischen eine neue Verwaltung eingesetzt und Aufträge für die neue Fassade vergeben. Die Genehmigung liegt vor, noch im Juni sollen die Arbeiten beginnen.

© SZ vom 17.06.2019 / Henz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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