Kommunalpolitik:"Kämmerer war immer die richtige Aufgabe für mich"

Kommunalpolitik: Der Nürnberger Kämmerer Harald Riedel (SPD).

Der Nürnberger Kämmerer Harald Riedel (SPD).

(Foto: Ilona Stelzl/The Point of View)

15 Jahre war Harald Riedel für den Haushalt in Bayerns Schulden-Hauptstadt zuständig. In seiner Amtszeit hat sich der Schuldenstand Nürnbergs fast verdoppelt - was sich nicht vermeiden ließ, sagt der Sozialdemokrat.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Am Monatsende geht Harald Riedel, 62, in den Ruhestand. Der Sozialdemokrat ist seit 15 Jahren Kämmerer in Nürnberg, der Schulden-Hauptstadt Bayerns.

SZ: Herr Riedel haben Sie nachts immer gut geschlafen?

Harald Riedel: Eigentlich immer. Nur als es um den Haushalt 2023 ging, wurd's mal etwas enger, da bin ich doch ab und zu aufgewacht.

Da gab's Ärger, wir kommen noch dazu. Erstmal: Keine kreisfreie Stadt Bayerns hat eine so hohe Pro-Kopf-Verschuldung wie Nürnberg.

Stimmt, und die Verschuldung steigt weiter aufgrund der hohen Investitionen. Auf diesem Spitzenplatz dürften wir auf absehbare Zeit nicht eingeholt werden, aufgrund der Rahmenbedingungen ist das kaum zu ändern. Wir sind zum Beispiel nicht vergleichbar mit München, wo es sechs Dax-Unternehmen gibt. Andere bayerische Städte wiederum sind kleiner als Nürnberg, haben eine andere Sozialstruktur, keinen Flughafen, keine Messe.

Selbst wenn man die aus Gebühren finanzierten Eigenbetriebe rausrechnet, nähert sich die Pro-Kopf-Verschuldung in Nürnberg den 3000 Euro - und der Schuldenstand den 1,8 Milliarden. Als Sie vor 15 Jahren begannen, lag er noch bei knapp unter einer Milliarde.

Ja, der Stand hat sich fast verdoppelt in der Zeit. Wir hatten zu Beginn meiner Amtszeit die Finanzmarktkrise, ein Wegbrechen der Gewerbesteuer. Am Ende leider Corona. Aber der Schuldenstand ist auch so kontinuierlich gestiegen: Ausbau der Kinderbetreuung, Krippen, Kitas, Schulsanierungen, Schulneubauten - das ist für uns nicht aus eigener Kraft finanzierbar.

Verstehen Sie Menschen, die sagen: Fast eine Verdoppelung binnen 15 Jahren - wie soll das weitergehen?

Verstehe ich, hören wir immer wieder. Die ehrliche Antwort ist: Eine Schuldenabbau wird auf absehbare Zeit nicht möglich sein in Nürnberg. Aufgrund der Einnahmesituation. Und der Ausgaben: Pro Jahr 800 Millionen Euro Sozialausgaben, die Personalausgaben liegen ähnlich hoch und werden steigen, dazu die Investitionen. Die haben sich in den 15 Jahren vervierfacht.

Wie käme Nürnberg aus der Falle raus?

Das, woran wir arbeiten können, haben wir getan. Der Strukturwandel ist erfolgreich, die Gewerbesteuereinnahmen steigen. Unsere Wirtschaftsstruktur ist viel breiter geworden als vor 20 Jahren, der Arbeitsmarkt stabil. Ausgaben begrenzen wir auch, wir sparen aktuell 500 Stellen und 50 Millionen Euro.

Trotzdem steigt der Schuldenstand.

Ohne Bund und Land kommen wir da auch nicht raus. Wir haben viele kommunale Schulen, in denen wir eigene Lehrer beschäftigen. Der Freistaat ersetzt uns aber nur einen Teil der Kosten, die für einen Standardlehrer anfallen. Die Differenz macht pro Jahr 60 Millionen Euro aus. Der Städtetag fordert zudem seit Jahren höhere Schlüsselzuweisungen, damit auch Städte wie wir in einen Schuldenabbau einsteigen können.

Und Nürnbergs Großprojekte?

Beim Operninterim hat uns der Freistaat sehr geholfen, er übernimmt 75 Prozent der tatsächlichen Kosten. Damit ist das finanzierbar. Und die Sanierung des Opernhauses ist Zukunftsmusik.

Man munkelt über Kosten von 500 Millionen bis eine Milliarde.

So sieht man es beim Blick auf Opernsanierungen in anderen Städte: Frankfurt, Köln, Stuttgart. Ohne Hilfe des Freistaats wird das nicht möglich sein.

Der Frankenschnellweg?

Liegt momentan auf Eis.

Der Konzertsaal wurde gestrichen, die Sanierung des Volksbades kommt dagegen.

Beim Konzertsaal war der Stadtrat sehr vernünftig, auch wenn das vielen nicht gefallen hat. Als Kämmerer hätte ich das Volksbad auch nicht saniert. Aber da hat die Stadt eine phänomenale Förderung bekommen. Da konnte selbst ich nicht mehr Nein sagen.

Bei Ihrem letzten Haushalt haben Sie plötzlich die Instrumente auf den Tisch gelegt, von Museumsschließungen war die Rede. Der Proteststurm war enorm.

Wir hatten von der Regierung die Prognose, dass der nächste Haushalt nicht genehmigt wird, wir also nicht mehr handlungsfähig gewesen wären. Also mussten wir ein Sparkonzept erarbeiten. Klar gab's in dem Positionen, wo eine Stadtrats-Zustimmung schwer denkbar war. Die Diskussion aber war wichtig fürs Problembewusstsein. Am Ende ist unser Haushalt genehmigt worden.

Herr Riedel: Rente mit 62?

Ich fand's immer überzeugend, dass in Unternehmen wie Siemens im oberen Management mit etwa 60 Schluss ist, um die Innovationskraft zu erhalten. Das halte ich für eine gute Richtschnur. Weswegen ich auch bei der Aufhebung der Altersgrenze für Kommunalpolitiker skeptisch bin. Wenn ich mir die Gerontokratie im US-Senat anschaue, macht mir das Sorgen.

Haben Sie je bereut, 2020 nicht als OB-Kandidat in Nürnberg angetreten zu sein?

Nein, Kämmerer war immer die richtige Aufgabe für mich.

Aber Sie hätten der SPD womöglich das OB-Amt erhalten.

Das ist spekulativ. Im Nachhinein, aufgrund der Corona-Umstände, wäre ein Bewerber mit Erfahrung vielleicht der Richtige gewesen. Schnee von gestern.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusFränkische Schweiz
:Das Wunder von Weißenohe

Nach einem folgenschweren Feuer haben die Wirtinnen Agnes Manier und Angelika Hofmann Jahre voller Verzweiflung hinter sich.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: