Zoff in Franken:Nürnbergs Hauptmarkt – eine Nahkampfzone

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Marktleute auf dem Hauptmarkt in Nürnberg? Ist doch eine jahrhundertealte Tradition. Gestritten wird trotzdem immer wieder darüber. (Foto: Olaf Przybilla)

Im Dezember herrscht Frieden auf dem Christkindlesmarkt. In den elf Monaten dazwischen aber? Achgoddala, dann möchte man dort lieber nicht zwischen die Fronten geraten.

Glosse von Olaf Przybilla, Nürnberg

Wirtschaftsreferent werden in Nürnberg? Kann man machen, klar. Aber es dürfte schon Gründe geben, warum sich Michael Fraas (CSU) 2023 einigermaßen unerwartet und mit stoischem Lächeln aus dem Amt verabschiedet und sich nach etwas Neuem umgesehen hat. Heute lehrt er an der Hochschule.

Was den Job mitunter ungemütlich werden lässt? Da reicht ein Blick aus dem Rathausfenster auf die, wie man so sagt, gute Stube der Stadt. Weltweit ist die unter ihrer Spezialmöblierung im Dezember ein Begriff („Chriskindlesmarkt“), dann sorgt dort eine lebende Rauschgoldfigur für einen friedlichen Ton.

Ansonsten aber? Achgoddala, wie die Eingeborenen sagen.

Wenn es missvergnüglich zugeht, so spricht man gerne von einem „Riss“, der sich irgendwo durchziehe. Um alle Konfliktlinien auf dem Hauptmarkt – so die amtliche Bezeichnung – zu skizzieren, bräuchte es ein anderes Sprachbild. Die Linien gleichen dort eher einem von Trockenheit geschundenem Acker, aufgerissen in sämtliche Richtungen.

Es ist so: Seit Jahrhunderten wird dort frische Ware feilgeboten, deswegen heißt das Ding ja so. Nun müssen die Obst- und Gemüseanbieter aber nicht nur regelmäßig einer blonden Jahresendfigur weichen. In den restlichen elf Monaten fliegen mal Mountainbiker aus dem Rathausfenster („Red Bull District Ride“), mal Volleybälle an dasselbe, es singen Bardinnen und kurven Schlittschuhläufer. Letzteres ästhetisch besonders herausfordernd.

Muss das sein, fragen die Gemüsekäufer. Es bräuchte viel mehr davon, erwidern die Eventfreunde. In der Freiluftofenröhre ist es sommers ohnehin nicht auszuhalten, klagen die Klimabeobachter. Wer dort Bäume pflanzt, vergeht sich an der Historie, antworten die Denkmalschützer. Es gibt dort doch längst portable Baumkästen, finden die Schönredner. Das ist so, als legte man sich im Pizzaofen unter ein Feigenblatt, ätzen die Realisten.

Heiß geht es zu auf dem Hauptmarkt, darüber immerhin könnten sich alle einigen. Was Andrea Heilmaier (CSU), die Fraas-Nachfolgerin aus freien Stücken, gewusst haben wird – und gleichwohl eine luftige Idee in die lokale Nahkampfzone eingeführt hat, ein Gedankenspiel: Ob man die Marktstände nicht an die Lorenzkirche verlegen könnte? Oder auf dem Markt mal einen „Pop-up-Biergarten“ versuchte?

So weit zu sehen ist, hat sie sich damit ungefähr den Unmut fast aller zugezogen – und deren Antipoden ebenfalls. Tja.

Heilmaier war zuvor übrigens Stadträtin in Fürth. Dort haben sie längst einen schattigen, allseits beliebten Markt. Der zuständige Wirtschaftsreferent hört auch bald auf. Ob sie sich in Nürnberg schon mal nach jemandem Neuen umsehen sollten, höchst vorsorglich?

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