Innere Sicherheit:Abschieben, verbieten, überwachen

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Ortstermin am Hauptbahnhof (von links): Mittelfrankens Polizeivizepräsident Gernot Rochholz informiert vor der Königstor-Passage den Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU), Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) über die Sicherheitslage. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Stärkere Polizeipräsenz, Waffenverbotszone, Cannabisverbot, Drogenhunde: Was Polizei und Politik gegen Kriminalität am Nürnberger Hauptbahnhof unternehmen wollen.

Von Finn Sanders, Nürnberg

Ein kalter Wind zieht durch den Eingang der Königstorpassage in das Untergeschoss des Nürnberger Hauptbahnhofs. Fünf Polizeibeamte gehen herum und sprechen Menschen an, die hier Schutz vor der Kälte suchen. Die meisten von ihnen verlassen den Tunnel. Eine knappe halbe Stunde später ist der Hauptbahnhof fest in der Hand der Uniformierten. Mindestens ein Dutzend Polizisten steht vor dem unterirdischen Eingang.

Denn es hat sich Besuch angekündigt: Markus Söder (CSU), Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU). Außerdem der Polizeipräsident für Mittelfranken, Adolf Blöchl. Gemeinsam machen sie sich ein Bild von der Lage – und verkünden neue Maßnahmen. Denn der Hauptbahnhof gilt als Brennpunkt. Laut Bundespolizei wurden 2023 nur an zwei Bahnhöfen in Deutschland mehr Gewalttaten registriert. Noch Anfang 2024 stufte das bundesweite Kriminalitätsranking ihn als gefährlichsten Bahnhof Bayerns ein. Auch andere Bahnhöfe in bayerischen Großstädten gelten als Kriminalitätsschwerpunkte.

Das bayerische Innenministerium will mit der „Offensive sichere Bahnhöfe“ und der Arbeitsgruppe „Bayern. 360° Sicherheit.“ gegensteuern. Die Programme, beide Ende 2024 gestartet, sollen Straftaten verhindern. Während „Bayern. 360° Sicherheit.“ sich auf den ganzen öffentlichen Raum konzentriert, fokussiert sich die „Offensive sichere Bahnhöfe“ darauf, gezielt das Sicherheitsgefühl von Reisenden zu stärken. Im Fokus stehen dabei Bahnhöfe mit besonders hoher Kriminalitätsbelastung – allen voran der Nürnberger Hauptbahnhof, aber auch München, Augsburg und Regensburg, so schreibt es das Innenministerium in einer Pressemitteilung zur Offensive.

Polizeipräsident Blöchl erklärte, seine Behörde setze seit Jahren gezielt „polizeiliche Akzente“ am Nürnberger Bahnhof. „Und ich denke, das tun wir sehr erfolgreich.“ 2024 sei das erste Jahr seit der Pandemie, in dem die Fallzahlen signifikant gesunken seien. Konkrete Zahlen werde es allerdings erst im März geben.

Helen Townson, Leiterin der Bundespolizeiinspektion Nürnberg, betonte: „Die Straftaten richten sich größtenteils nicht gegen Reisende. Für Bahnreisende ist das Reisen grundsätzlich sicher.“ Auf Nachfrage, wer dann betroffen sei, erklärte sie: „Es gibt Personen, die die Einkaufsmöglichkeiten nutzen, ohne zu bezahlen – und die lassen sich dabei nur ungern stören.“ Zudem gebe es eine gewisse Klientel, die sich gerne am Bahnhof aufhalte. „Da kracht es dann zwischendurch auch mal.“

Die angekündigten Maßnahmen

Welche Maßnahmen sollen nun konkret helfen? Für Bahnhöfe sind sowohl die lokale Polizei als auch die Bundespolizei zuständig. Diese Behörden sollen sich nach dem Willen des Innenministeriums künftig stärker vernetzen. Alle Akteure betonten die Bedeutung sichtbarer Polizeipräsenz – sowohl in Uniform als auch in Zivil. Innenminister Herrmann sprach sich zudem für den Einsatz von Diensthunden aus.

Die Stadt Nürnberg will die bestehende Alkoholverbotszone in und um den Bahnhof um eine Waffenverbotszone erweitern. Oberbürgermeister König erklärte bei T-Online, dass der Stadtrat diese Regelung im ersten Quartal 2025 beschließen wolle. Künftig sollen Waffen im Bahnhofsgebäude, vor dem Bahnhof und auch auf dem Nelson-Mandela-Platz verboten sein. König erklärte: „Der Bahnhof ist die Visitenkarte unserer Stadt. Er muss ordentlich und sicher sein.“

Innenminister Hermann wiederum plädierte für den Ausbau der Videoüberwachung. Bereits jetzt überwachen 32 Kameras der Nürnberger Polizei und je 400 Kameras der Bundespolizei und der Verkehrs-Aktiengesellschaft Nürnberg (VAG) das Bahnhofsareal, erklärte der Vizepräsident der mittelfränkischen Polizei Gernot Rochholz. Den Einsatz von Gesichtserkennung wolle Herrmann fachlich prüfen, auch Rochholz betonte, die Polizei wolle sich 2025 damit beschäftigen. Er fügte hinzu: „Videoüberwachung ist kein Allheilmittel, aber ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung von Kriminalität.“

Söder bezeichnete den Bahnhof als neuralgischen Punkt und forderte ein „Einstampfen“ des Cannabisgesetzes. „Cannabis fördert Kriminalität“, sagte er. Auch wolle er mehr Möglichkeiten des biometrischen Abgleichs. Er plädierte zudem für Abschiebungen nach der ersten Straftat.

Auch König betonte ein konsequentes Vorgehen: „Wir haben in den vergangenen vier Monaten sieben Personen abgeschoben und werden in den nächsten Wochen weitere abschieben.“ Seine Botschaft ist klar: „Wer kein Aufenthaltsrecht hat, darf sich hier auch nicht aufhalten.“ Kritik dazu kommt von Johanna Böhm vom bayerischen Flüchtlingsrat. Auch bei Straftätern müsse man sich fragen, inwiefern eine Abschiebung fair und gerecht sei, da komme es auf die jeweilige Straftat an. Zudem sei das oft rechtlich gar nicht möglich, erklärte sie und nannte Söders Forderung populistisch.

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