Grundschulprojekt in Nürnberg:Damit die Scheu vor der Kunst erst gar nicht aufkommt

Nürnberg Grundschule Museum

Ordnung ist vielen Kindern ein Graus. Im Germanischen Nationalmuseum lernen Erstklässler der Kopernikusschule dies beim "Bau eines Museums" ganz nebenbei.

(Foto: KPZ)

Jede Nürnberger Grundschulklasse geht verpflichtend fünfmal im Jahr ins Museum. Der Plan, so auch bei Eltern und Geschwistern Interesse zu wecken, geht offenbar auf.

Von Anna Günther, Nürnberg

Wuselig wird es in den nächsten Tagen und Wochen wieder in den Nürnberger Museen: Gruppen von Grundschulkindern werden in den Ausstellungsräumen sitzen, rumflitzen und ihre Ideen zu Dürer und Dampfloks äußern. Salopp gesagt: Die Jüngsten bringen Leben in die Bude. Denn Museen gelten - von technischen Häusern mit interaktiven Konzepten oder Audio- und Video-Installationen abgesehen - oft noch als Räume der Stille, in denen Besucher die Kunst schweigend oder höchstens flüsternd genießen.

Um eine gewisse Scheu vor der Kunst bei den Schülern erst gar nicht aufkommen zu lassen, und Kinder aller sozialen Milieus mit den Museen der Stadt vertraut zu machen, gibt es in Nürnberg seit 2013 ein Museumscurriculum für Grundschüler, das Gesa Büchert, Pädagogin des Kunst- und Kulturpädagogischen Zentrums der Museen in Nürnberg (KPZ), eigens entwickelte.

Zwei Jahre lang testete Büchert ihr Konzept, besserte nach, arbeitete die Anregungen der Lehrer und Kinder ein. 2015 ging es mit 23 Klassen los. Jede Klasse, die sich am Museumscurriculum beteiligt, geht verpflichtend fünf Mal im Schuljahr ins Museum. Kombiniert sind diese Ausflüge mit Inhalten des Lehrplans, sie müssen vor- und nachbereitet werden. Die Entscheidung dafür treffen Lehrer und Schulleiter bewusst, viel mehr Zeit für Ausflüge und Aktionstage bleibt diesen Klassen nicht. Trotzdem ist der Andrang groß. In diesem Schuljahr werden 56 Klassen aller 50 Nürnberger Grundschulen teilnehmen. Mehr denn je. Die Nachfrage war größer, aber das Budget begrenzt. Die Teilnahme ist für die Schüler kostenlos, die Hypovereinsbank und die Hildegard und Toby Rizzo-Stiftung bezahlen mit 300 Euro pro Jahr und Klasse Eintritt sowie Honorare der Museumspädagogen.

Konzepte für Schüler gibt es in vielen Museen, das Kultusministerium verweist zum Beispiel auf das Museumspädagogische Zentrum in München, das 250 Programme in 30 Museen für alle Schularten anbietet. Aber ein eigenes Curriculum wie in Nürnberg ist im Freistaat einzigartig. Vergleichbar ist dieser Ansatz mit dem Konzept des Bonner Kunstmuseums und des kulturgeschichtlichen LVR-Landesmuseums Rheinland, die seit 2010 ein Curriculum für Bonner Grundschüler anbieten.

Jenes nahm Gesa Büchert als Vorbild, aber in Nürnberg soll der Lehrplan und nicht - wie in Bonn - die Museen im Mittelpunkt stehen, sagt die Pädagogin. Im Germanischen Nationalmuseum lernen Viertklässler etwa, wo Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Weltreligionen beim Advent und an Weihnachten sind. Im Museum Industriekultur kommen Drittklässler mit Strom, also dem Bereich Stoffe und Energie des Lehrplans in Berührung. Darüber hinaus lernen die Kinder, Exponate zu beschreiben, ihre Eindrücke wiederzugeben und Zusatzinformationen zu finden.

Die Kinder bringen Leben in die Bude

"In der Grundschule haben wir alle zusammen", sagt Büchert. Die Eltern freuten sich über Impulse. In weiterführenden Schulen sind Jugendliche und Lehrer seltener bereit, viel Zeit in etwas zu investieren, das nicht direkt mit dem Schulabschluss zusammenhängt. Der Plan, auch bei Eltern und Geschwistern Interesse zu wecken, geht offenbar auf: "Wir bekommen Rückmeldungen, dass Kinder auch mit ihren Eltern ins Museum gehen", sagt der Grundschullehrer Andreas Angetter.

Wie seine Frau Carolin unterrichtet er an der Kopernikus-Grundschule in der Nürnberger Südstadt, einer Gegend, in der viele Migranten leben. Beide waren schon in der Testphase dabei. "Das ist eine tolle Chance für die Kinder, ein Gemeinschaftserlebnis", sagt Carolin Angetter - beim fünften Besuch wüssten die Kleinen spätestens, wie sie sich im Museum zurechtfinden und verhalten.

Sie empfindet die Besuche trotz des Aufwands auch als Erleichterung. Wenn Drittklässler im Germanischen Nationalmuseum lernen, wie ein Museum entsteht und beim Sortieren von Objekten die Grundprinzipien der Ordnung sowie Dauer und Wandel der Zeit verstehen, müsse sie sich keine eigenen Gegenstände suchen. Ihr Mann schwärmt geradezu von einem Ausflug ins Dürer-Haus, bei dem Zweitklässler erst Dürers Werke kennenlernten und dann selbst gestalteten.

"Sie sollten Tiere in die Druckplatten schnitzen, eine Gruppe übernahm den Kopf, die andere den Körper, die dritte das Hinterteil. Dazu hat die Museumspädagogin fantastische Geschichten erzählt", sagt Angetter. Die Tier-Drucke der Kinder seien "super" geworden, die Platten nahm er mit und druckte in der Schule weiter. "Das ging ein Stück weit Richtung Warhol, genial."

Zur SZ-Startseite
Percha MIS

Munich International School
:Hinter den Mauern von Starnbergs diskretester Schule

Promi-Kinder, Security, bis zu 25.500 Euro Gebühren im Jahr: Viel mehr weiß man nicht über die Munich International School. Der Direktor will das jetzt ändern.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: