Nürnberg:"Gravierende Planungsmängel" an Kliniken in Mittelfranken

Nürnberg: In Fürth soll eine neue Bezirksklinik gebaut werden. Doch seit dem Spatenstich stehen die Bagger still.

In Fürth soll eine neue Bezirksklinik gebaut werden. Doch seit dem Spatenstich stehen die Bagger still.

(Foto: Peter Roggenthin)
  • Bei den Kliniken des Bezirks Mittelfranken herrschen offenbar chaotische Zustände.
  • Durch Pfusch bei Planungen soll ein Schaden in Millionenhöhe entstanden sein.
  • Ein Manager mahnte im Januar dieses Jahres viele Punkte an. Kurz darauf wurde er fristlos entlassen.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Ende Januar 2017, als der neue Manager das ganze Chaos endlich durchdrungen hatte, verfasste er ein Dossier, kennzeichnete es als "vertraulich" und gab es seinem Chef. Sieben Seiten, eng beschrieben, eine Liste voller haarsträubender Versäumnisse, Fehler, Missstände und Risiken, ein Dokument des Versagens bei den Bezirkskliniken Mittelfranken.

Große Bauvorhaben seien einfach begonnen worden, ohne sie vorher sauber durchgeplant zu haben, heißt es. Bei einigen Millionenprojekten gebe es "gravierende Planungsmängel" und "erhebliche Defizite". Terminplanung und Berichtswesen seien vielfach ein Graus. Man habe Verträge abgeschlossen, ohne sie mit der eigenen Rechtsabteilung abzustimmen.

Unterm Strich, so das Fazit, berge all dies erhebliche bautechnische, zeitliche und finanzielle Risiken für das öffentliche Klinikunternehmen, in dem der Bezirk Mittelfranken seine psychiatrischen Krankenhäuser und Therapieeinrichtungen samt ihren 3000 Beschäftigten gebündelt hat. Durch den Planungspfusch drohten Mehrkosten in Millionenhöhe.

Doch zunächst einmal musste der Verfasser des Dossiers selbst dran glauben. Einige Wochen nachdem der Mann - zum fraglichen Zeitpunkt erst seit wenigen Monaten oberster Bau- und Projektmanager der Bezirkskliniken - seinem obersten Chef und Klinikvorstand Helmut Nawratil den alarmierenden Bericht vorgelegt hatte, war der zuvor hochgelobte Manager seinen Job los. Gefeuert, fristlos.

Der Rauswurf sei die Quittung, weil der Experte Mängel und Fehler aufgezeigt habe, für die Nawratil große Mitverantwortung trage, sagen mit dem Fall vertraute Kritiker des Klinikchefs. Besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Dossier und Rauswurf? Sie bitte um Verständnis, antwortet die Sprecherin der Bezirkskliniken auf Nachfrage, aber man gebe "über einzelne Personalangelegenheiten keine Auskunft". Im Übrigen würden die in dem Dossier angesprochenen Themen "derzeit Punkt für Punkt abgearbeitet".

Damit hat man gut zu tun. 300 Millionen Euro wollen die Bezirkskliniken Mittelfranken internen Unterlagen zufolge mittelfristig verbauen, Projekte für mehr als 70 Millionen Euro sind bereits angeleiert. Doch es klappt wenig. Ob Klinikneubau in Fürth, neues Forensik-Haus in Erlangen oder Rechenzentrum in Ansbach - überall Verzögerungen um mindestens ein Jahr und mutmaßlich enorme Mehrkosten.

Die Pannen reihen sich nahtlos ein in die stetig wachsende Liste an Vorwürfen gegen den umstrittenen Klinikvorstand Nawratil. Er und mit ihm Bezirkstagspräsident Richard Bartsch (CSU) als Verwaltungsratschef der Klinikfirma geraten zunehmend unter Erklärungsdruck. Durch einen SZ-Bericht wurde bekannt, dass Nawratil mit Bartschs Segen neben einer Dienstlimousine auch einen üppig ausgestatteten Campingbus auf Klinikkosten fährt, auch im Privaturlaub.

Auch fragwürdige Auftragsvergaben (darunter an ein Unternehmen der eigenen Familie), die Weitergabe von Angebotsdaten einer Firma an deren Konkurrenz und ein rüder Umgang mit Beschäftigten werden Nawratil vorgeworfen. Der unbequeme Bau- und Projektmanager ist einer von vielen Führungskräften, denen Klinikchef Nawratil kündigte, oder die von sich aus hinwarfen.

Ein Vorgänger kassierte kräftig ab

Für die Bezirkspolitiker zählt bislang nur, dass die Zahlen stimmen. Nawratil habe die Bezirkskliniken schließlich in fünf Jahren aus einem Defizit in die Gewinnzone gebracht. Damit rechtfertigen Bartsch und die Mehrheit im Klinik-Verwaltungsrat auch die satte Gehaltserhöhung für Nawratil um fast 50 Prozent auf dann 380 000 Euro pro Jahr vom 1. Januar 2018 an. Zum Vergleich: Der Chef des mehr als doppelt so großen Nürnberger Klinikums verdient 270 000 Euro, sein Münchner Kollege kommt bei fast 8000 Beschäftigten auf 414 000 Euro.

Doch Geld scheint, allen Spar-Appellen an das eigene Personal zum Trotz, bei den mittelfränkischen Bezirkskliniken bisweilen keine Rolle zu spielen. So kassierte der Vorgänger des von Nawratil geschassten Bau- und Projektmanagers kräftig ab. Der Mann, obwohl intern und nach außen mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, bezog bei den Bezirkskliniken kein reguläres Gehalt. Vielmehr rechnete er seine Dienste über zwei Firmen ab, die ihm gehören: Die Pro Trans GmbH und die Projektwerk GmbH.

Internen Unterlagen zufolge flossen zwischen dem 1. Januar 2013 und dem 5. Januar 2017 gut 1,2 Millionen Euro an beide Firmen, gestückelt in Teilbeträge. Wäre der Mann dem Stellenplan der Bezirkskliniken entsprechend entlohnt worden, wäre er auf knapp ein Drittel der Summe gekommen. "Der Sachverhalt ist mehrfach durch uns geprüft und aus unserer Sicht ordnungsmäßig", erklärt die Kliniksprecherin. Man hat sich also selbst für korrekt erklärt. Die Vergabe von Leistungen an externe Firmen ist weder verboten noch ungewöhnlich. Doch hätte der Auftrag dann nicht ausgeschrieben werden müssen?

"Eine europaweite Ausschreibung hat nicht stattgefunden", räumt die Sprecherin auf Nachfrage ein. Alles sei aber "nach unserer Kenntnis und mehrfacher Prüfung durch uns ordnungsgemäß vergeben" worden. Derzeit prüfen auch die Sozialversicherungsträger den Vorgang.

Derweil reißen die Pannen nicht ab. In Fürth, wo eine neue Bezirksklinik gebaut werden soll, herrscht seit dem Spatenstich vor einem Jahr Stillstand. Schuld sind unterirdische Stollensysteme, die mit womöglich giftigem Schlamm vollgelaufen sind. Weshalb die Stadt Fürth die Baugenehmigung verweigert und erst gründliche Untersuchungen abwarten will.

Ende April mischte Nawratil persönlich mit. Spezialisten, im Tiefbaujargon "Gülletaucher" genannt, rückten an, um die Stollen zu erkunden. Sie und Vertreter diverser Stellen waren bereits vor Ort, als das zuständige Bergamt die Aktion im letzten Moment stoppte. Weil sie weder fachlich noch rechtlich korrekt vorbereitet war.

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