Mit dem Flugzeug von Nürnberg nach München:Sind Kurzstreckenflüge klimafreundlicher als Autofahrten?

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Vom Nürnberger Flughafen aus geht es für manche Fluggäste erst nach München - und dann weiter in den Urlaub. (Foto: Daniel Karmann/dpa)
  • Der Geschäftsführer des Nürnberger Flughafens, Michael Hupe, verteidigt Kurzstreckenflüge und behauptet, sie seien klimaschonender als Autofahrten.
  • Bayerns Grünen-Chef Eike Hallitzky hatte die innerbayerische Flugstrecke Nürnberg-München als eine "ökologische und ökonomische Absurdität" kritisiert.

Von Claudia Henzler, Nürnberg, und Lisa Schnell, Nürnberg

In Schweden gibt es schon lange ein Wort dafür: Flygskam. Und auch in Bayern könnte sich die Flugscham immer weiter verbreiten, etwa bei Eltern, deren Kinder jeden Freitag gegen den Klimawandel demonstrieren und plötzlich ein besonderes Interesse für die Frage entwickeln, wie sich Vater und Mutter fortbewegen. So ein Kurzstreckenflug von Nürnberg nach München etwa, muss das sein? Oder kann man sich das dem Klima zuliebe nicht auch sparen und einfach den Zug nehmen?

Die Debatte - nicht nur zwischen Eltern und ihren klimabewegten Kindern - wurde nun um ein Argument bereichert. Es stammt vom Geschäftsführer des Nürnberger Flughafens, Michael Hupe, und ist eher gewissenserleichternder Natur. So ein Kurzstreckenflug von Nürnberg nach München sei auch nicht schädlicher als die etwa 170 Kilometer mit dem Auto zu fahren, ja, wahrscheinlich sogar noch verträglicher, ließ Hupe die Deutsche Presseagentur wissen. Damit reagierte er auf eine Aussage des Landeschefs der Grünen, Eike Hallitzky, der Flüge von Nürnberg nach München als "ökologische und ökonomische Absurdität" beschrieben hatte.

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Ihm setzt Hupe seine Rechnung entgegen, die darauf beruht, dass vor allem Geschäftskunden die Zubringerflüge nutzten: "Der Kunde fliegt häufig allein und nicht mit der Familie. Wenn Sie 80 Passagiere auf dem Flug von Nürnberg nach München haben, können Sie davon ausgehen, dass Sie dann 75 Autos auf der Straße hätten." Bei einem inzwischen erreichten Spritverbrauch beim Fliegen von 3,5 Litern pro Person pro 100 Kilometer ergäben sich keine großen Differenzen zwischen Flugzeug und Auto. "Und wenn, dann zugunsten des Flugzeugs", erklärte Hupe.

Für die Grünen ist Hupes Rechnung "Blödsinn"

Tiefgründig wissenschaftlich prüfen konnten die Grünen die Aussagen auf die Schnelle nicht, aber schon auf Basis einer oberflächlichen Recherche traut sich Hallitzky zu, das Ergebnis der Hupe'schen Gleichung als "Blödsinn" zu bezeichnen. Er stützt sich auf den Emissionscheck seines Kollegen Markus Büchler, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion. Der Spritverbrauch beim Fliegen von 3,5 Litern pro Person pro 100 Kilometer beziehe sich sehr wahrscheinlich auf die Angaben zum durchschnittlichen Flottenverbrauch, sagt Büchler.

Zumindest finden sich die Zahlen in einer Studie des Bundesverbands der deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) von 2017. Bei dieser ist laut einem Sprecher die tatsächliche Auslastung der Flugzeuge zugrunde gelegt. Trotzdem meint Büchler, dass die durchschnittlichen Verbrauchsangaben kaum auf Kurzstrecken- und Inlandsflüge zutreffen dürften. Aufgrund des ressourcenintensiven Startvorgangs lägen sie bei der Verbindung von Nürnberg nach München deutlich darüber.

Zudem sei Kerosin nicht unmittelbar mit Benzin oder Diesel zu vergleichen und die "Klimawirksamkeit der Emissionen beim Flugzeug in der Atmosphäre wesentlich höher als beim Auto". Er verweist auf eine Modellrechnung des Umweltbundesamtes von 2017. Dieser zufolge erzeugen Flugzeuge Treibhausgase von 201 Gramm pro Personenkilometer, Autos bei einer Auslastung von durchschnittlich 1,5 Personen dagegen 139 Gramm. Zudem gebe es ja nicht nur das Auto, sondern auch den Zug, der den weit besseren Wert von 60 Gramm vorweisen könne.

Diskussion um ICE-Anschluss des Münchner Flughafens

Hallitzky schlägt deshalb "Rail&Fly"-Modelle vor, bei denen die Fluggesellschaft haftet, wenn der Flug aufgrund eines verspäteten Zuges verpasst werden sollte. Ein Verbot der Flugstrecke München-Nürnberg übrigens habe er nie gefordert. Er setze eher auf eine CO₂-Steuer und den Ausbau der Schiene. Von einem direkten ICE-Anschluss für den Münchner Flughafen hält er nichts, dazu seien die Passagierzahlen zu gering.

Ohne den aber ginge es nicht, argumentiert Flughafen-Chef Hupe. Sonst weiche der Passagier auf die Straße aus oder nutze andere Verbindungen, die von Nürnberg aus angeboten werden und mit denen er ebenso Ziele in aller Welt erreichen könne, wie etwa Paris. Etwa 95 Prozent der Passagiere stiegen in München nur um, lässt die FDP wissen. Die Kurzstreckenflüge seien damit von zentraler Bedeutung für den Münchner Flughafen als internationales Drehkreuz. Der Nürnberger Flughafensprecher Christian Albrecht nennt ähnliche Zahlen. Allerdings bezweifelt er, dass eine direkte ICE-Anbindung helfen könnte. Auch der Frankfurter Flughafen habe so eine und trotzdem werde geflogen.

Im vergangenen Jahr machten in Nürnberg innerdeutsche Flüge elf Prozent aus. Das ist ein leichter Rückgang um etwa 3,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allzu verbreitet war die bayerische Flygskam 2018 offenbar noch nicht.

© SZ vom 12.06.2019 / henz, nell - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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