Nürnberger Lyriker:Poesie auf Fränkisch

Beilagen

Der fränkische Dramatiker und Lyriker Fitzgerald Kusz wurde 1944 in Nürnberg geboren, wo er noch heute lebt.

Zum Dichter wurde Fitzgerald Kusz aus Wut. Ein Gespräch über die Erfolgslast des Erstlingswerks und warum er früher mit einer Katze Fränkisch reden musste.

Interview von Olaf Przybilla, Nürnberg

Fitzgerald Kusz, der Dichter der Franken, hat ein lyrisches Spätmeisterwerk vorgelegt: "Sunnablumma". Ein Gespräch über die Geburt des Dichters aus der Wutrede, das Primat von Naturzerstörungs-Lyrik und fränkische Melancholie.

Herr Kusz, ist es eigentlich wahr, dass Sie quasi aus einem Wutanfall heraus zum Dichter der Franken geworden sind?

Fitzgerald Kusz: Das stimmt so, ja. Nachweislich habe ich mein erstes Mundartgedicht 1970 geschrieben. Ich bin von einer Freundin, in die ich hemmungslos verliebt war, versetzt worden und habe emotional darauf reagiert. In der Emotion bin ich natürlich Franke. Mein erstes Gedicht hob also an: "suä ruudzbridschn suä elendichä."

Nicht zu übersetzen in der Zeitung.

Nein, bitte nicht. Eine Schimpfrede eben. Und das, weil der Kusz versetzt worden ist.

Aus Sehnsucht sollen Sie sogar mal Fränkisch mit einer Katze gesprochen haben.

Ich war ja auf einem humanistischen Gymnasium, hatte Englisch erst seit der Zehnten. Als Anglistik-Student hatte ich da einen Nachteil, bin also auf die Insel als Assistant-Teacher. Tilly hieß die Katze meiner Wirtin. Aus lauter Verzweiflung - ich musste ja Hochdeutsch sprechen mit den Schülern - habe ich mit Tilly Fränkisch geplaudert. Sie wohl auch fränkisch beschimpft.

Dürfte man "Sunnablumma" als spätmeisterliches Alterswerk einordnen?

Klar, literaturwissenschaftlich betrachtet ist das ein Alterswerk. Mein Gott, ich bin 76. Es steckt da viel Herzblut drinnen.

Ein Gedicht heißt "schweig bub". "in miä drin is ä bou deä gibd ka rouh", hebt es an.

Man muss sich sein Kindheits-Ich bewahren, sonst würde man sofort zum Bürokraten. Meine Tochter sagt, ich sei kindisch.

Ein Kompliment! Als Ihr gleichnamiges Drama "Schweig Bub" in Nürnberg zum 700. Mal aufgeführt wurde, hat das Theater mal zusammengezählt: 46,2 Hektoliter Suppe wurden während des Stücks gelöffelt, eine Tonne Klöße gemampft. Das sind so die dramatischen Rahmendaten.

Nürnberger Lyriker: Die Sonnenblume als Symbol für die menschliche Existenz - wobei: In Bamberg heißt es "Sunnablumma", in Nürnberg "Sunnäblummä". Das sind die Feinheiten des regionalen Dialekts, die Kusz beherrscht.

Die Sonnenblume als Symbol für die menschliche Existenz - wobei: In Bamberg heißt es "Sunnablumma", in Nürnberg "Sunnäblummä". Das sind die Feinheiten des regionalen Dialekts, die Kusz beherrscht.

(Foto: Sebastian Gabriel)

In dem Stück gibt es ja zwei Helden. Die Sprache. Und das Essen. Das eine bedingt das andere. Einer hat mal formuliert: Die Darsteller in "Schweig Bub" sind alle Gefangene ihrer Sprache. An der Oberfläche muss man die Tiefe verstecken, sagt Hofmannsthal.

Das Stück wird man eine Zäsur in Ihrer beruflichen Laufbahn nennen dürfen.

Klar, das war die Basis. Das ist ja in 13 Dialekte übersetzt worden, beklagen konnte ich mich nicht. Aber es war Segen und Fluch zugleich. Segen, weil ich den Studienratsberuf danach an den Nagel hängen konnte. Fluch, weil man natürlich immer an diesem Erstlingswerk gemessen wurde.

Sie haben mal von Nürnbergs Trinität aus Protestantismus, dem Club und der Sozialdemokratie gesprochen. Im Gedicht "ach herz" heißt es nun am Ende: "iich drooch di affm rechdn fleck: du schlächsd links."

Ich war '68 ja sogar SDS-Mitglied. Und das stimmt schon noch so, Gerechtigkeit ist noch immer ein wichtiges Thema für mich.

Aber ein anderes wird allmählich wichtiger, scheint es. "Sunnablumma" beginnt mit fränkischer Naturzerstörungs-Lyrik.

Der Heimat auf den Versen, könnte man sagen. Der Heimatbegriff wird ja in Bayern hochgehalten und viel beschworen, gleichzeitig wird nirgends so viel Boden versiegelt wie hier. Beton ersetzt Heimat, Natur ereignet sich im Verlust. Daher der elegische Ton, der mit dem Verschwinden ringt.

Ihr Gedicht "Eichen" ist klassische, an Hölderlin geschulte Naturlyrik als Appell: "bleibd bidde sulang wäis gäihd schdäih!"

Hölderlin habe ich viel gelesen zuletzt. Die Eichen vor unserem Haus dürften zu der Zeit gepflanzt worden sein, als die Nazis mit dem Bau ihrer Kongresshalle begonnen haben. Deren Architekten haben in der Häuserreihe gelebt, wo unser Haus steht.

Nürnberger Lyriker: Fitzgerald Kusz, 76, hieß mit Vornamen eigentlich Rüdiger. Weil er dem damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy so ähnlich sah, schien aber Fitzgerald allen der passendere Name für einen aufstrebenden Literaten zu sein.

Fitzgerald Kusz, 76, hieß mit Vornamen eigentlich Rüdiger. Weil er dem damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy so ähnlich sah, schien aber Fitzgerald allen der passendere Name für einen aufstrebenden Literaten zu sein.

(Foto: Jonas Kusz)

"fiä däi, wou eich eibflanzd hamm woäd ihr" - also die Eichen - "die ,arier' undä die baim", schreiben Sie. Für "Arier" gibt's offenbar kein fränkisches Wort?

Um Gottes willen, nein. Linguistisch nennt man das Interferenzen. Das ist wie bei den alten Radiogeräten: Du hörst gerade einen Sender - und das Ding haut dir plötzlich eine andere Sendung rein. So rein ist der Dialekt eben nicht, da haut es dir auch immer was anderes rein. Meine Großmutter hatte noch diese französchen Wörter in ihrer Sprache: Boddschamber zum Beispiel.

Pardon?

Pot de Chambre, der Nachttopf.

Ah! "semmä ned alle sunnäblummä?", heißt Ihr Vers, der Band heißt "Sunnablumma". Warum dieser Unterschied?

Das müssen Sie den Verleger fragen. Phonetisch hat meine Sprache ja immer den sogenannten Schwa-Laut am Ende. Ich sage halt "Sunnäblummä". Weiß aber natürlich, in Bamberg heißt es "Sunnablumma". Der Titel ist sozusagen ein Kompromiss.

Ihre Lyrik durchzieht seit jeher ein permanent elegischer Grundton. Warum ist der Franke eigentlich so melancholisch?

Ich kann das nur als Phänomen beschreiben. In Franken ist musikgeschichtlich überdurchschnittlich der Blues daheim. Und was ist Blues anderes als Melancholie? Dürer hat auch darüber gearbeitet. Und Jean Paul, unser Größter, sagt: Humor ist überwundenes Leiden. Das ist Franken.

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