Sicherheit bei Feiern und Umzügen:Nach Anschlagsdrohung in Nürnberg: Kinderfasching abgesagt

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Besucher in Clown-Kostümen werfen in Nürnberg beim Fastnachtsumzug mit Konfetti. (Foto: Tobias Hase/dpa)

Auf einer IS-Propagandaseite wird zum Anschlag auf den Fastnachtszug aufgerufen, konkret ist die Gefahr wohl nicht. Viele Gruppen fühlen sich trotzdem nicht mehr sicher. Überall in Bayern werden die Sicherheitsmaßnahmen ausgeweitet - mit Betonblöcken, Baumaschinen und der Feuerwehr.

Von Florian Fuchs, Patrick Wehner und Max Weinhold, Nürnberg

Das Bild mutet martialisch an, ein blutverschmiertes Feldmesser, eine Pistole, vier Patronen, dazu das kleine Foto mit einem bewaffneten Mann, die schwarze Flagge der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) und der Aufruf: „Wähle dein nächstes Angriffsziel“. Eines davon, das ist in dem Post noch zu lesen, soll die „International Carnival Parade“ in Nürnberg sein.

Dieses Foto kursiert auf einer Propagandaseite im Internet. (Foto: Screenshot: Max Weinhold)

Veröffentlicht wurde der Aufruf zu Anschlägen auf die fränkische Faschingsveranstaltung sowie zwei weitere in Köln und eine in Rotterdam von einer Propagandaseite des IS auf der Plattform Rocket.Chat, wie eine Sprecherin des Polizeipräsidiums Mittelfranken bestätigt. „Al Saif Media“, so der Name der IS-Seite, sei als „Medienstelle“ der Terrororganisation erstmals Ende Januar in Erscheinung getreten. Von konkreten Anschlagsplänen geht die Polizei in Nürnberg am Mittwoch nicht aus. Vielmehr sieht sie in dem Post einen Aufruf an mögliche Sympathisanten, Terror zu verbreiten und den Versuch, Einzeltäter zu mobilisieren. „Wir haben keine Hinweise auf eine konkrete Anschlagsgefährdung“, sagt die Sprecherin. Die Ermittlungen zu den Hintergründen liefen unter Beteiligung von Staats- und Verfassungsschutz.

Dass die Pläne wenig konkret sind, darauf deutet auch der Wortlaut im Aufruf hin. Dort ist die Rede von der „International Carnival Parade“, die vom 2. bis 3. März in der Saigon Bar-Nürnberg stattfinde. Genau genommen findet am 2. März, dem kommenden Sonntag, in Nürnberg ein großer Fastnachtszug statt. Bei der „International Carnival Parade“ handelt es sich dagegen um eine knapp 20-köpfige Gruppe des Vereins Global Locals, die an dem großen Zug teilnehmen und hernach eine Afterparty in der Saigon Bar feiern wollte, die bis zum Morgen des 3. März dauern sollte – so hatte der Verein auf seiner Facebook-Seite eingeladen.

Die Saigon-Bar in Nürnberg. (Foto: Max Weinhold)

Christopher Andrews von Global Locals geht deshalb davon aus, dass diejenigen, die hinter dem Aufruf stecken, einfach oberflächlich aus der Einladung abgeschrieben haben, wie er am Telefon sagt. In Absprache mit der Bar habe man die Afterparty trotzdem abgesagt. Ob die Karnevalisten des Vereins am großen Fastnachtszug in Nürnberg teilnehmen werden, kann Andrews am Mittwoch noch nicht sagen. Stattfinden wird dieser jedenfalls nach aktuellem Stand – im Gegensatz zum Faschingszug für Kinder am Rosenmontag. Zahlreiche Einrichtungen, die normalerweise teilnähmen, hätten aufgrund ihres beeinträchtigten Sicherheitsgefühls vorsichtshalber abgesagt, teilt die Stadt zur Begründung mit.

Den Fastnachtszug am Sonntag sieht sie derweil nicht in Gefahr. Solange nichts Konkretes vorliege, halte man daran fest, sagt auch Elvira Reuther, Zweite Vorsitzende des Fördervereins, der den Zug organisiert. Zumal die Schutzvorkehrungen auch dank der Unterstützung der Stadt heuer „enorm“ seien, so groß wie noch nie zuvor. „Ich fühle mich sicherer denn je auf dem Faschingszug“, sagt Reuther. Welche Vorkehrungen ergriffen würden, will sie nicht sagen, auch die Stadt Nürnberg bleibt auf Anfrage unkonkret. Sie wolle „den anderen ja nicht die Möglichkeit geben, zu überlegen, wie man die Maßnahmen umgehen kann“, sagt Reuther.

In Deutschland und Bayern bestehe weiterhin eine anhaltend hohe abstrakte Gefährdung durch den Islamismus

Auch andernorts in Bayern haben sie ihr Schutzkonzept angepasst nach Anschlägen mit Autos wie in Magdeburg und München und dem Angriff mit einem Messer in Aschaffenburg. Bei der „Fasenacht“ im unterfränkischen Hafenlohr (Landkreis Main-Spessart), zu der die Veranstalter 200 Teilnehmer und mehr als 2000 Zuschauer erwarten, sei dies „relativ einfach zu realisieren“, sagt Johannes Ritter aus dem örtlichen Faschings-Komitee – nämlich mit zusätzlichen Feuerwehrfahrzeugen an beiden Zufahrten zur Hauptstraße im Ort. „Die werden so geparkt, dass niemand vorbeikann.“ Bei den Organisatoren sei die Sicherheit verstärkt Thema, bei allen anderen weniger, es herrsche „gelöste Stimmung“ – den jüngsten Geschehnissen zum Trotz.

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In Deutschland und Bayern bestehe weiterhin eine anhaltend hohe abstrakte Gefährdung durch den Islamismus, teilt am Mittwoch ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums mit. Die aktuelle Drohung von „Al Saif Media“ reihe sich in ihr bisheriges Handeln ein, das darauf abziele, „die Bevölkerung in Deutschland mittels dieser zu verurteilenden ‚Arbeitsweise‘ zu verunsichern und zu terrorisieren“, so der Sprecher. „Gleichzeitig sollten wir uns nicht von Angst leiten lassen, denn das würde den Terrororganisationen in die Hände spielen.“

Auch in Memmelsdorf bei Bamberg lassen sie sich „nicht unterkriegen und runterziehen“, sagt Florian Nickoleit, Erster Vorstand im Carneval-Club. Alles könne man eh nicht verhindern, „wenn jemand was machen will, dann macht er es“. Trotzdem täten sie ihr Möglichstes, hätten schon vor vielen Jahren gemeinsam mit der Gemeinde ein Konzept etabliert, unter anderem mit eigens gebuchten, externen Sicherheitskräften an der 1,5 Kilometer langen Strecke, und heuer deshalb nicht viel ändern müssen. Lediglich den „Zufahrschutz“ werde man beim Umzug am Sonntag verstärken, einige Feuerwehrfahrzeuge mehr postieren, sagt Nickoleit.

In Kempten und Aschaffenburg wurden Faschingsumzug und Fastnachtszug abgesagt

Der Würzburger Faschingszug ist traditionell einer der größten in Bayern, bis zu 100 000 Zuschauer erwartet Zugmarschall Michael Zinnhobel am Sonntag bei gutem Wetter. „Die Sicherheit war schon immer das Wichtigste vom Wichtigsten“, sagt er und dementsprechend existierten seit Jahren viele Maßnahmen. Heuer werde man noch mehr Fahrzeuge aufstellen, um Zufahrten abzusperren, auch ein ziviler Sicherheitsdienst sei im Einsatz.

Die Stadt Dietfurt (Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz) hat ebenfalls reagiert. „Die Anschläge der vergangenen Monate und Wochen haben die Sicherheitsthematik in den Vordergrund gerückt“, sagt Thomas Himmler, der in Dietfurt unter anderem den berühmten „Chinesenfasching“ am Unsinnigen Donnerstag organisiert. Mit Unterstützung lokaler Unternehmer wird die Stadt Himmler zufolge den kompletten Umzugsbereich großräumig mit schweren Baumaschinen- und Fahrzeugen sichern. Diese sollen dann am Nachmittag von Betonblöcken ergänzt oder ersetzt werden. Auch wird es laut Himmler eine erhöhte Polizeipräsenz geben, zudem hat die Stadt zusätzliches Sicherheitspersonal beauftragt.

Chinesische Drachen sind in Dietfurt keine Bedrohung für die Besucher des berühmten „Chinesenfaschings“. (Foto: Armin Weigel/dpa)

Ähnlich wird in Mittenwald (Landkreis Garmisch-Partenkirchen) verfahren. Zwar gibt es dort beim traditionellen Umzug der „Maschkera“ keinen spezifischen Veranstalter. Dennoch hat der Markt Mittenwald auf die Anschläge der jüngsten Zeit reagiert. Mit großen Fahrzeugen sollen die zwei Straßen, die in den Ortskern führen, während des Umzugs geschützt werden, heißt es aus dem dortigen Ordnungsamt.

In Kempten hat die Faschingsgilde Rottach 97 Kempten e. V. den diesjährigen Faschingsumzug allerdings gleich ganz abgeblasen – wegen aus ihrer Sicht zu strenger Sicherheitsauflagen. Die Faschingsgilde sah sich nicht in der Lage, wie von Stadt und Polizei gefordert, an jeder Zufahrt zur Route des Faschingsumzugs ein sogenanntes Fahrbahnblockiersystem zu installieren – also große Poller, damit kein Auto in die Menge rasen kann. Die Stadt hätte all ihre Blockiersysteme zur Verfügung gestellt, aber das hätte wegen Größe und Länge des Umzugs nicht gereicht. Auch umliegende Kommunen konnten nicht aushelfen, weil sie die Poller auf eigenen Veranstaltungen benötigen.

Die Faschingsgilde selbst schaffte es auch nicht, in ausreichender Zahl schwere Fahrzeuge als Alternative zu besorgen, um Zugänge abzusperren. Eine Kompromisslösung mit einem kürzeren Umzug lehnten die Ehrenamtlichen ab. Für die Stadt Kempten aber ist klar: „Ein Umzug ohne ausreichende Sicherheitsmaßnahmen wäre unverantwortlich und mit der aktuellen Sicherheitslage nicht zu vereinbaren.“

In Aschaffenburg haben sich Stadt und Veranstalter dagegen gemeinsam auf eine Absage des Fastnachtszugs verständigt, wie sie bereits Anfang Februar mitteilten. Zum einen aus Rücksicht auf die Betroffenen des Messerangriffs, bei dem im Januar ein Afghane einen zweijährigen Jungen und einen Familienvater, 41, getötet und weitere Menschen verletzt hatte. Und zum anderen, weil Sicherheits- und Hilfskräfte, die für den Fastnachtszug unverzichtbar seien, von ihrem Einsatz bei der Tat noch traumatisiert seien.

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