Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:Eis aus gebratener Schweineschulter

Wie könnte man sich wohl überwinden, Schäufele-Eis zu verzehren? Unser Autor kommt da auf die absonderlichsten Ideen.

Kolumne von Olaf Przybilla

Vor grausigen Terminen im Leben soll es nützlich sein, sich ein Narrativ auszudenken, das die anstehende Malaise in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt. Gut zu wissen. Aber was könnte das für eine Geschichte sein, in der der Termin "Probeverzehr von Schäufele-Eis" seine tröstliche Seite zeigt?

Vielleicht so: Man stelle sich eine Spezialklinik vor, in Toronto oder Buenos Aires, die wirklich alles versucht hat. Die Experten sind ratlos, sie kennen auch keine anderen Experten, die einem noch helfen könnten mit diesem ausgefallenen Gebrechen. Nur eines, glauben sie, könnte jetzt noch irgendwie Linderung verschaffen: die Einnahme hoch dosierter und zu Speiseeis verarbeiteter fränkischer Schweineschulter, deren Schwarte zuvor kreuzweise eingeritzt, als Kruste im Ofen knusprig gemacht und püriert wurde. Aber wer liefert einem schon geeiste fränkische Sau in der Waffel? Eben. Das gibt's nicht.

Gibt's in Nürnberg jetzt eben schon, in einem real existierenden Fachhandel für resche Eisschwarte. Mit der Klinik-Geschichte im Kopf gelingt es sogar, sich dem Haus "Eis im Glück" ohne robusten Lebensekel zu nähern, dann aber kommen die Einschüsse. Das Schaufenster verspricht, dass die Ware in dieser Eisdiele ausschließlich aus natürlichen Zutaten hergestellt wird. Mrrg. Der Probeverzehr von Sauschultereis kostet auch nichts - man wolle dem Abnehmer ja Gutes tun, erklärt die freundliche Crème-Schäufele-Dealerin. Uuarg. Und die Soße, eine sämige Bratensauce, sei auch schon drin.

Es ist der Gesamtsituation nicht zuträglich, dass in dem Moment eine vertrauenswürdig ausschauende Dame den Salon betritt, die über den Feierabend zuvor referiert, an dem ihr Gatte so liebreizend gewesen sei, ihr eine schöne Kugel Gratiseis mit nach Hause zu bringen. "Wer dengd'na sich so a Zeuch aus?", will sie wissen, während die Frau hinter der Theke pariert, es sei bereits ein Kunde historisch verbürgt, der nach dem Verzehr einer Kugel noch eine zweite verzehrt habe. An ergänzendes Kloß-und-Kraut-Eis sei derzeit gleichwohl nicht gedacht.

Und wie schmeckt das jetzt? Vielleicht versucht man es so: Der Zucker tut sein Bestes. Irgendwann aber ist der Schmelz dahin und dann bleiben, nutzt ja nichts, größere Brocken von der reschen Sau im Mund liegen. Aber als Arznei: topp!

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Quelle:
SZ vom 14.08.2018/baso
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