Angelegentlich war hier bereits vom Begriff des Nürnberger „Heimatmuseums“ die Rede, der sich in Funk, Fernsehen – und jawohl – auch in maximal seriösen Printmedien so epidemisch eingenistet hat, dass sich die Süddeutsche Zeitung im März 2018 zu einer Kapitulationserklärung in eigener Sache genötigt sah. Anlass war, dass zu der Zeit auch der Erfinder und Verwirklicher des bayerischen „Heimatministeriums“ in Nürnberg, Horst Seehofer, als einer der letzten treuen Kämpfer seinen erbitterten Widerstand eingestellt und auch selbst vom „Heimatmuseum“ zu sprechen begonnen hatte.
„Ich hab’ das Heimatmuseum, äh, Heimatministerium, in Bayern gegründet“, erklärte der da noch amtierende Ministerpräsident über den Dienstsitz des damaligen Finanzministers Markus Söder. Woraufhin sich die SZ zu einem Grundsatzbeschluss durchrang, nach außen ganz sauber kommuniziert: „Alle reden immer vom Museum. Und wenn es der Erfinder nun auch noch macht, dann dürfte es künftig kein Halten mehr geben. Also. Das Ding heißt: Museum. Punkt.“
Und damit zu einem anderen Fall der sprachlichen, offenkundig nicht mehr aus der Welt zu schaffenden Synapsenbildung. Man stelle sich eine sehr gedankenschwere Veranstaltung vor, eine Person aus der Nürnberger Stadtspitze an einem Mikrofon und ernsthafte Menschen als Zuhörer, die Stirn dem Anlass entsprechend in Falten gelegt. In dem Wortbeitrag geht es um die Untiefen der deutschen Geschichte, um den NSDAP-Diktator und dessen unterschiedliche Wohnbastionen im braunen Reich – und darüber, was nach 1945 aus diesen „Führer“-Quartieren gemacht worden ist.
Für Humor ist in so einem Wortbeitrag kein Platz, aus gutem Grund. Und also lacht keiner, als am Mikrofon zum ersten Mal vom „Dürer-Hauptquartier“ die Rede ist, nicht mal ein unterdrücktes Kichern ist zu hören im Saal. Und auch beim zweiten Mal „Dürer-Hauptquartier“ verzieht – so weit zu sehen ist – niemand eine Miene.
Was, das gehört auch zur Wahrheit, in diesem Moment eine größere Gruppenleistung ist. Dazu muss man wissen, dass das Wort „Dürer-Hauptquartier“ in Nürnberg eine Art begrifflicher Samisdat ist. Viele kennen ihn, aber öffentlich (also nicht im Vieraugen-Gespräch) verwendet hat ihn nahezu ausschließlich die leichtlebige Nürnberger Abendzeitung: viel zu heikel, viel zu unkorrekt.
In der AZ war „Dürer-Hauptquartier“ der eingeführte Terminus technicus fürs Nürnberger Kulturreferat, das sich – so zumindest die Suggestion – permanent mit Dürer-Jahren, Dürer-Wegen und Dürer-Devotionalien herumzuschlagen hat. Nun: Die Nürnberger AZ gibt’s längst nicht mehr, der Begriff aber lebt fort. Wenn auch nur hinter vorgehaltener Hand. Oder aber (was zu beweisen war), wenn sich bei jemandem gerade die Synapsen verselbständigen.
Das Copyright auf „Dürer-Hauptquartier“, sagt das Archiv, kann übrigens nicht die Abendzeitung für sich in Anspruch nehmen. In einem satirischen Gedicht findet er sich 1971 bereits in der SZ. Allerdings ohne nennenswerten Nachklang.