Süddeutsche Zeitung

Franken:Die Abrissbirne der Nürnberger CSU

  • Der Nürnberger CSU-Fraktionschef regt einen Abriss der denkmalgeschützten Fassade des Pellerhauses an.
  • Damit bricht er ein Tabu in der Stadt und sorgt für reichlich Empörung.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Es gibt politische Manöver, die so ziemlich jeder gleich durchschaut. Und Aktionen wie die von Sebastian Brehm. Der regt einen Abriss der denkmalgeschützten Fassade des Pellerhauses an und rührt damit an einem politischen Tabu. Brehm ist Chef der CSU-Stadtratsfraktion in Nürnberg, er hat beim letzten Kommunalwahlkampf den SPD-Amtsinhaber Ulrich Maly herausgefordert und ist daran böse gescheitert.

Er zeigte in der Niederlage aber soviel Haltung, dass ihm das Debakel anschließend eher nutzte als schadete. Als politische Figur, sagen selbst politische Gegner, sei er daran sogar gewachsen. Was ihn nun aber geritten hat? Keine Ahnung, sagen selbst langjährige Wegbegleiter.

Brehm hat, kurz bevor er in den Urlaub aufgebrochen ist, noch en passant den Abriss der Nachkriegsfassade des Pellerhauses ins Spiel gebracht. Und er löst damit nun selbst in der CSU Erstaunen aus, mindestens Erstaunen. Das Pellerhaus war mal ein wesentlicher Beitrag der Stadt Nürnberg zur Architekturgeschichte, das Haus fand sich als Schlagwort in nahezu jeder Kunstgeschichte.

In Auftrag gegeben hatte es Martin Peller, der sich im 16. Jahrhundert an die Spitze einer der größten Handelsgesellschaften im Reich emporgearbeitet hatte, zeit seines Lebens aber darunter litt, dass ihn die feine Gesellschaft der freien Reichsstadt Nürnberg als Parvenü aus der Provinz gering schätzte. Der am Bodensee geborene Peller, Chef eines europaweit tätigen Leinen-Imperiums mit monopolartigen Zügen, schlug zurück: mit dem Auftrag für eine Prunkfassade, wie sie das Reich zuvor kaum je gesehen hatte.

Im Bombenhagel der Jahre 1944 und 1945 blieb davon jedoch wenig übrig, stattdessen sorgten die Nachkriegsarchitekten Fritz und Walter Mayer dafür, dass das Haus abermals Eingang in die Architekturgeschichten fand. Der Wiederaufbau Nürnbergs gelang oft mäßig, die Fassade der Mayers aber gilt als ebenso markanter wie eigenständiger Wurf. Sie steht unter Denkmalschutz, Brehm weiß das. In einem letzten Schritt, sagt er am Handy, halte er einen Abriss trotzdem für vertretbar. Zwar sei ihm bewusst, dass dies heikel sei. Ihm aber schwebe eine große Lösung vor, samt Rekonstruktion der alten Fassade.

Ist das die Haltung der gesamten CSU?

Brehm will das Haus kulturell nutzen, auch mit einem Büro für die Bewerbung Nürnbergs zur Kulturhauptstadt Europas. Dafür müsse man den maroden Teil hinter der Fassade ohnehin sanieren, sonst drohe der "zusammenzubrechen". Also halte er den Abriss für vertretbar - trotz Denkmalschutz.

Die SPD ist empört, den Begriff "Denk mal" sollte die CSU mal wörtlich nehmen, sagt Stadtrat Thorsten Brehm. Aber ist das überhaupt die Haltung der CSU? "Ja", sagt Sebastian Brehm nach kurzer Pause. Was sich im Gespräch mit der CSU-Kulturreferentin der Stadt allerdings ganz anders anhört. Julia Lehner kann sich zwar an ein Telefonat mit Brehm vor dessen Urlaub erinnern, es sei da um eine kulturelle Nutzung des Pellerhauses gegangen. Und klar, sagt Lehner, dafür sei sie auch. Ein Abriss aber der denkmalgeschützten Fassade? Davon sei "nie die Rede" gewesen. Sie käme auch gar nicht auf den Gedanken, einem Abriss zuzustimmen, immerhin sei sie Mitglied im Vorstand des Landesdenkmalrats. Für Lehner ist die Fassade ein "Symbol des Wiederaufbaus", so was reiße man nicht ab.

Warum Brehm diesen Vorstoß gewagt hat

Mit der Haltung ist sie in der CSU nicht alleine. Auch der Bundestagsabgeordnete Michael Frieser, Vorgänger Brehms als Fraktionschef, hat ein Problem mit dem Vorstoß. Immerhin war er es, Frieser, der beim Wiederaufbau des Renaissance-Pellerhofes die Haltung der CSU einst sehr klar gemacht hat. Rekonstruktion des Hofes mithilfe von Spendengeld: ja. Aber nur unter der Bedingung, dass keine Hand an die Fassade der Mayers gelegt wird. Frieser redet sich regelrecht warm. Nicht nur sei die Fassade eine der "wertvollsten in der Architekturgeschichte des Wiederaufbaus". Auch halte er die Prunkfassade aus dem frühen 17. Jahrhundert gerade nicht für ein Werk exemplarischer Nürnberger Baukunst. "Diese Baukunst war leicht und unprätentiös", sagt er, "die Fassade des Pellerhauses dagegen war prunksüchtig."

War Brehms "CSU-Haltung" also abgesprochen? Einer, der es wissen müsste, sagt nach längerem Zögern: "War sie leider nicht." Und so wird nun viel spekuliert in der CSU, was Brehm bewegt hat. Brehm, sagen manche, versuche sich bereits als Bundestagskandidat und Nachfolger von Dagmar Wöhrl zu profilieren. Mit was man in der Zeitung stehe, sei da "gar nicht so wichtig". Einer allerdings jubelt wirklich: Karl-Heinz Enderle, der Chef der Nürnberger Altstadtfreunde, freut sich, dass "endlich auch einer aus der Politik" seine Idee aufgreife. Die Altstadtfreunde bauen gerade den Renaissance-Hof wieder auf, 2017 will man fertig sein. Im März hatte Enderle einen Vorstoß gewagt, ob man nicht auch die Fassade rekonstruieren könnte. Die Debatte war bald wieder versandet, nachdem Experten die Idee für absurd erklärt hatten.

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SZ vom 06.09.2016/vewo
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