Süddeutsche Zeitung

Deutsches Museum in Nürnberg:"Wir wollen konfrontieren und provozieren"

In einem Jahr soll die Dependance des Deutschen Museums in Nürnberg eröffnen. Marion Grether leitet das Haus, in dem die Zukunft im Mittelpunkt steht.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Genau ein Jahr soll es noch dauern, bis das Deutschen Museum in Nürnberg eine Dependance eröffnet. Zweierlei aber ist jetzt schon klar: Die neue Museumschefin, Marion Grether, ist bislang schon Direktorin eines großen Hauses in Nürnberg; und das neue Haus dürfte schon allein deshalb kaum Probleme bekommen, einen Pflock in Bayerns Museumslandschaft zu schlagen, weil die Ausblicke aus dem Haus an der Pegnitz spektakulär sind. Wie steil und gestaffelt die Giebel der Altstadthäuser ansteigen, das sieht man tatsächlich kaum irgendwo eindrucksvoller als aus den oberen Geschossen dieses zentralen Nürnberger Neubaus heraus - ein Hinweis, der künftig in kaum einem touristischen Kurzführer fehlen dürfte.

Grether ist bislang Direktorin des Kommunikationsmuseums in Nürnberg, was man wohl als Hinweis auf die Ausrichtung des neuen Zukunftsmuseums verstehen darf. Es soll dort gezeigt werden, was sich alles verändern wird in der Welt. Es soll aber auch darüber diskutiert werden, ob dieser Wandel wünschenswert ist und welches ethische Wagnis damit womöglich verbunden sein wird. Besucher werden beim Eintritt ins Museum in einem mehr als sieben Meter hohen Eingangsbereich stehen, der an einer Seite stadionartig ins erste Geschoss ansteigt. Auf diesen Sitzstufen sollen sich künftig Besucher des Museums zusammenfinden und - moderiert von Mitarbeitern des Zukunftsmuseums - über Chancen und Risiken von Zukunftstechnologie diskutieren. Einmal pro Stunde wird das Haus zum angeleiteten Debattierklub. Das sei "schon ehrgeizig", weiß Grether, gehöre aber zur diskursiven Ausrichtung dieses neuen Hauses. "Wir wollen konfrontieren und provozieren", sagt Ausstellungsmacher Andreas Gundelwein.

Ehrgeizig ist auch die Konzeption der Präsentation, die alle zwei Jahre komplett überarbeitet werden soll. Schließlich wolle man Innovationen im Blick haben, ohne Reaktion auf Veränderung werde das nicht möglich sein, ist Grether überzeugt. Debattiere man etwa die Chancen und Risiken pränataler Diagnostik, so müsse man die Diskussionsgrundlage ständig erneuern. Die Konkurrenz? Sitze in Tokio, Dubai, Rio und neuerdings auch Berlin, sagt Gundelwein, Sammlungsleiter am Deutschen Museum in München. Auch dort, etwa im neuen Futurium in Berlin, wagen Museen den Blick in die Zukunft. Die ethische Fragestellung und kommunikative Konzeption des Nürnberger Hauses indessen hält Gundelwein für ein "Alleinstellungsmerkmal". Das "gibt es sonst nirgends", sagt er.

Seit wenigen Tagen ist das Deutsche Museum Mieter in dem Komplex der Nürnberger alpha Gruppe, der sich in Blickweite des Hauptmarktes findet (besser bekannt als "Christkindlesmarkt"). Noch steht das Gebäude leer, man sei aber überzeugt, das Museum im Dezember 2020 öffnen zu können. Immer nur erdenschwer über die Risiken der Robotik und Probleme von Datensicherheit soll dann offenkundig nicht diskutiert werden. Besucher können auch mit der Schwerelosigkeit experimentieren, sich mit dem Prototyp eines fliegenden Autos vertraut machen und bei Bedarf Nachrichten ins All senden.

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SZ vom 03.12.2019/vewo
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