Obdachlosigkeit in Nürnberg:"Wir haben das Vertrauen zu euch Normalos verloren"

Klaus sammelt lieber so lange Münzen, bis er genug Geld für den Waschsalon hat, als in der Wärmestube zu waschen. Er hat bisher auch wenig Lust, sich mit den Behörden auseinanderzusetzen. "Wir haben das Vertrauen zu euch verloren, zu den Normalos, sag ich immer."

Der Ärger mit der Bürokratie war es auch, der ihn einst auf die Straße gebracht hat. Er hat Pflasterer gelernt, in verschiedenen Jobs gearbeitet, auch als Stapelfahrer bei einer Brauerei. Schwere Arbeit und Alkohol führten zu einem Magendurchbruch. Danach habe ihn das Jobcenter in Frührente schicken wollen, die Rentenversicherung sei anderer Ansicht gewesen. So ging es von Amtsarzt zu Amtsarzt. "Da hockst du in der Wohnung, trinkst immer mehr." Irgendwann war das Geld aus. "Dann bin ich auf die dumme Idee gekommen, auf die Straße zu gehen." Mit seinen Geschwistern hat er heute keinen Kontakt mehr - aber das liege nur an ihm, sagt Klaus.

Obdachlosigkeit in Nürnberg: Klaus Billmeyer lebt mit seinem Hund Lord, genannt "Dicker", zusammen. Früher haben sie unter den Arkaden der unvollendeten Kongresshalle am Reichsparteitagsgelände Unterschlupf gesucht.

Klaus Billmeyer lebt mit seinem Hund Lord, genannt "Dicker", zusammen. Früher haben sie unter den Arkaden der unvollendeten Kongresshalle am Reichsparteitagsgelände Unterschlupf gesucht.

(Foto: Peter Roggenthin)

Anfangs lebte er vom Flaschensammeln; sein Revier war im Süden der Stadt, der Luitpoldhain, in dem im Sommer viele Jugendliche feiern. Geschlafen hat er am Dokuzentrum, die Arkaden von Hitlers unvollendeter Kongresshalle bieten Schutz vor der Witterung. Vor zwei Jahren kam er zum Straßenkreuzer, was sich als Glücksfall erwies. "Seit ich da dabei bin, geht's mir viel besser." Erst verkaufte er nur die Straßenzeitung, später kamen die Stadtführungen dazu. Inzwischen hat er sogar ein eigenes Dach über dem Kopf. Denn als der Verein "Little Home" im November einen Eigentümer für das bayernweit erste Miniaturhaus für Obdachlose suchte, fiel die Wahl auf Klaus. Auch, weil er gut mit Leuten kann und offen mit seiner Situation umgeht. Nicht jeder hätte mit dem großen Medieninteresse umgehen können, Klaus aber zählt amüsiert auf, wo er schon überall zu sehen war. Frankenfernsehen, RTL, BR. "Schau mal in die Mediathek!"

Der drei Meter lange Holzverschlag bietet wenig Komfort, doch er beantwortet für einen Obdachlosen zwei entscheidende Fragen: Wo kann ich schlafen und wo kann ich meine Sachen lassen? Aus Angst vor Diebstahl hat sich Klaus im Laufe der Jahre drei Ausrüstungen - Isomatte, Schlafsack - zugelegt und an unterschiedlichen Stellen versteckt. Nun hat er einen Raum, den er abschließen kann. Noch dazu steht das Häuschen auf einem Grundstück, das durch ein schweres Tor gesichert ist. Er schläft jetzt zwei bis drei Stunden länger als in der Zeit auf Platte, sagt er.

Nürnbergs Sozialamtsleiter Dieter Maly hält das Projekt für "eine ganz schicke Idee für eine private Initiative. Es ist eine Ergänzung zu dem, was wir für diesen Personenkreis anbieten". Ihm gefalle, dass die Häuser ein "Einstieg in den Ausstieg" sein sollen. Noch ist nicht klar, wie weit die Stadt das Projekt unterstützen wird. Derzeit duldet sie die Aufstellung des Häuschens auf einem städtischen Grundstück, das von einer Kultureinrichtung verwaltet wird. Dort können bis zu drei weitere Hütten stehen. Danach müsste ein weiterer Standort gesucht werden. Ein Massenphänomen wird das "Little Home" nach Malys Einschätzung ohnehin nicht.

Sein Holzhaus wurde Klaus zwar geschenkt, ist aber nur als Übergangslösung gedacht. Wenn er eine Wohnung findet, soll er die Hütte an einen Kollegen weitergeben, erzählt er seiner Gruppe. Er sagt auch, dass er spätestens mit 60 nicht mehr auf der Straße wohnen will. Am 23. Dezember feiert er seinen 56. Geburtstag. Vielleicht klappt's schon früher, kann sein. Noch will er keine Pläne schmieden. Eins nach dem anderen. "Wir müssen uns erst einmal wieder an vier Wände gewöhnen."

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