In der kalten Jahreszeit gilt das Christkind als Botschafterin der Stadt Nürnberg, in jener Zeit - so heißt es - habe sogar der Oberbürgermeister in die zweite Reihe zu treten. Seit dieser Woche wird der berühmte Christkindlesmarkt, auch als "das Städtlein aus Holz und Tuch" bekannt, auf dem Hauptmarkt aufgebaut, das neue Christkind ist ebenfalls erkoren, es beginnt also gewissermaßen die Regierungszeit der beliebtesten Amtsträgerin von Nürnberg. Nun soll ja das Christkind, rein quellenmäßig betrachtet, auf eine umständehalber nicht unkomplizierte Geburtszeit vor rund zwei Jahrtausenden zurückblicken. Und so wäre es schon spannend, wie das holde Kind - wäre es tatsächlich Regierungschefin von Nürnberg - mit einem anderen, improvisierten "Städtlein aus Holz und Tuch" umspränge, das sich etwa 300 Meter entfernt vom Hauptmarkt findet: dem Nürnberger Klimacamp.
Dort ist dieser Tage ein juristischer Detailstreit entbrannt, für den ein Oberseminar in Verwaltungsrecht hilfreich wäre. Grob gesprochen geht's zunächst darum, dass die Camper - die der Stadt Versäumnisse in Sachen Schutz der Schöpfung vorhalten - seit mehr als 42o Tagen ihre Zelte in Sichtweite des Rathauses aufgeschlagen haben und dies, geht es nach dem Willen der (vom CSU-OB Marcus König, nicht dem Christkind geführten) Stadt, spätestens mit Beginn des Christkindlesmarktes nicht mehr tun sollen. Das Ordnungsamt argumentiert, man brauche den Sebalder Platz für Rettungskräfte. Die Klimacamper argumentieren, sie bräuchten jenen Platz für die notwendige Publikumsreichweite - schließlich gelte es, auf ein Problem globalen Ausmaßes aufmerksam zu machen.
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Der Christkindlesmarkt ist kommerziell nicht uninteressant
Zunächst wirkte es so, als würden die Camper auch mit dieser grundsätzlichen Frage ein Gericht beschäftigten. Nun aber versucht man, sich wenigstens in dem Punkt zusammenzuraufen. Ein Kompromiss könnte sein, dass die Camper auf den Rathausparkplatz umziehen, auf dem Stadträte üblicherweise ihr Auto abstellen - während in einem verbliebenen Pavillon auf dem Sebalder Platz weiter auf die Klima- und Schöpfungskatastrophe hingewiesen werden darf. Möglich wäre auch, dass die Camper sich unter den einzigen Baum auf besagtem Platz zurückziehen und Platz für etwaige Rettungshubschrauber lassen. Man trifft sich derzeit fast täglich, Ausgang offen.
Um Details aber streiten Stadt und Camper tatsächlich vor Gericht. Zum Unmut der Aktivisten. Ein Jahr sei man gut genug gewesen für die Stadt, sich als tolerant und klimabewusst zu zeigen, sagt Versammlungsleiter Markus Feuerlein. Nun aber, wo's ans Eingemachte gehe, um den für Nürnberg "kommerziell" nicht uninteressanten Christkindlesmarkt, zeige die Stadt ihr wahres Gesicht und überziehe die Camper mit "Schikanen". Was die Aktivisten besonders ärgere: Erst seit die CSU beklagt habe, die Ziele der Camper seien nun aber mal "durchkommuniziert", der Sebalder Platz müsse jetzt wieder für anderes zur Verfügung stehen, sei der Wind aus dem Ordnungsamt schärfer geworden, findet Feuerlein.
Die Aktivisten haben in erster Instanz den Kürzeren gezogen
Gegen die neuen Regelungen der Stadt haben die Aktivisten Klage eingereicht - in erster Instanz aber den Kürzeren gezogen. In vier von fünf streitgegenständlichen Punkten hat die Stadt obsiegt, sagt der mit der Causa beschäftigte Stadtjurist. Der Sprecher des Verwaltungsgerichts Ansbach, Timm Waldmann, bestätigt das. So dürfen die Aktivisten keine Lebensmittel im Camp lagern und müssen technisches Gerät, Kühlschrank oder Wasserkocher, abbauen. Auch die Zahl der Pavillons wird beschränkt und die Menge derer, die nachts aufs Camp aufpassen. Und eine Fahrradwerkstatt ist auch nicht vom grundgesetzlich geschützten Versammlungsrecht gedeckt.
"Das Christkind lädt zu seinem Markte ein, und wer da kommt, der soll willkommen sein", sagt das Kind von der Empore. Willkommen fühlten sie sich inzwischen gar nicht mehr, sagen die Klimacamper. Man sei entschlossen, in die zweite Verwaltungsgerichtsinstanz zu ziehen. Weihnachtsfriede wird erst mal nicht einkehren in Nürnberg.