Kommunalwahl in Nürnberg:Heute ein König

Kommunalwahl in Bayern - Nürnberg

Begrüßung in Corona-Zeiten: Der künftige Oberbürgermeister Marcus König wurde auch wegen Julia Lehner an seiner Seite für ganz Nürnberg wählbar. Sie soll Kulturbürgermeisterin werden.

(Foto: dpa)

Der künftige Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König war nicht zwingend der Traum-Kandidat seiner Partei. Wie konnte der junge CSUler in einer zutiefst rot gefärbten Stadt gewinnen? Das könnte mit seiner Biografie zusammenhängen.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Es gibt da diesen enervierenden Bierwerberspot in den Fußballpausen, "Heute ein König". Und natürlich wäre es eine Episode wert gewesen, hätte der künftige Oberbürgermeister von Nürnberg zur entsprechenden Flasche gegriffen, als man ihn am Sonntagabend auf dem Mobiltelefon erreicht hat. Nur nebenbei: Marcus König, 39, hatte es sich da gerade daheim auf dem Sofa gemütlich gemacht. Und man muss sich nur kurz vorstellen, was mit jemandem passiert wäre, der vor zwei Monaten prognostiziert hätte, dass am Stichwahlsonntag ein Reporter gegen 19 Uhr beim künftigen OB einer Halbmillionenstadt anrufen wird, und der in diesem Moment nicht etwa in der Parteizentrale, nicht auf der Wahlparty und nicht im Rathaus sitzen wird, sondern beschaulich zuhause auf der Couch und sich gerade eine Flasche - ja was ? - "Jever Fun" gönnt.

Ja, so sind die Zeiten. Normalerweise, das beeilt sich König am Morgen danach zu betonen, trinke er selbstredend fränkisches Bier, das sei in dem Moment nur die Flasche seiner Frau gewesen - klar. Aber alkoholfrei muss es bei König schon sein, immerhin ist der künftige OB von Nürnberg nicht nur Marathonläufer, sondern sogar Ultramarathonläufer, was in etwa dasselbe ist, nur mit Bonustrack. Wähler, die mit dem CSU-Mann im Wahlkampf ins Gespräch kommen wollten, durften dann auch mit ihm Joggen gehen. Man muss das nicht mitgemacht haben, um zu ahnen, dass König für guten Gesprächsfluss gesorgt hat bei solchen Gelegenheiten. König gilt als fast schon sagenhaft leutselig.

Aber das sind auch andere. Die eigentliche Geschichte des Marcus König ist eine andere - und sie passt hervorragend in die Stadt Nürnberg. Sollten mal soziologische Profile von deutschen Großstadt-OBs erstellt werden, so dürften sich viele Akademiker darunter finden und verdammt viele, die mindestens Abitur gemacht haben. Königs Schulweg aber begann an einer Hauptschule, bis zur achten Klasse blieb er dort, dann wiederholte er die achte Klasse auf einer Wirtschaftsschule und machte Mittlere Reife. Danach ging es weiter aufwärts, bis König Filialdirektor eines großen Bankhauses war und mit 36 Jahren CSU-Chef im Nürnberger Stadtrat. Spätestens da wusste man, dass König einer ist, der womöglich etwas gemächlich gestartet ist ins Leben. Aber irgendwann begonnen hat, sich Dinge sehr schnell anzueignen.

Warum das zu Nürnberg passt? Weil diese Stadt unter den 14 deutschen Kommunen mit mehr als einer halben Million Einwohnern eine der am wenigsten akademisch geprägten, womöglich sogar die am wenigsten akademisch geprägte ist. Wofür diese Stadt beileibe nichts kann. Die große Uni der Region steht nun mal in Erlangen, Nürnberg hat nur kleinere Teile davon abbekommen. Distinguiertes Bildungsbürgertum gibt es in Nürnberg schon auch, aber dominiert wird die Stadt von Menschen wie König. Auch das mag eine Rolle gespielt haben für seinen Triumph: Da kann einer nicht nur mit den Leuten - er kann ihnen auch erzählen, dass man kein Abitur braucht, um vorwärts zu kommen.

Es gab, das gehört zu der Geschichte allerdings dazu, eine Zeit, da hätte alles anders kommen können für Marcus König. Nach der völlig überraschenden Rückzugsankündigung von OB Ulrich Maly (SPD) hätte der örtliche CSU-Chef Michael Frieser nur die Hand heben brauchen, um OB-Kandidat zu werden. Viele in der Partei, auch Markus Söder, hatten ihn gebeten darum, fast flehentlich. Sollte nun ausgerechnet König der richtige Kandidat sein - gerade in einer Zeit, in der die Stadt viel Kraft freisetzt, um Europäische Kulturhauptstadt zu werden?

Viele hegten da Zweifel. Frieser, Volljurist, etablierter Bundestagsjustiziar der Union und Bildungsbürger mit kulturellen Spezialkenntnissen, wäre für viele im Führungszirkel der Nürnberg-CSU genau der richtige Mann gewesen. Der aber wollte in Berlin bleiben. Also ersann Söder eine Variante: König kandidiert - im Tandem freilich mit Julia Lehner, der promovierten Historikerin und Kunsthistorikerin, die ihm als Kulturbürgermeisterin in spe zur Seite gestellt wird. Man hat schon weniger geschickte Schachzüge erlebt: Mit Lehner an seiner Seite war König plötzlich tendenziell für ganz Nürnberg wählbar.

Leicht hat es König seinem Parteichef Söder trotzdem nicht gemacht. Was wohl im Naturell dieses Mannes liegt, der sich um Hierarchien offenkundig nicht allzu sehr schert. Die Nordanbindung des Flughafens, eine heilige Kuh der Nürnberg-CSU, mit der sie zuvor ganze Wahlkämpfe bestritten hatte? Räumte der Tier- und Baumfreund König en passant ab. Das Volksbegehren Artenvielfalt? König stand als einer der Ersten in der Schlange und unterschrieb - als das in der CSU noch wahlweise als Teufelswerk, Narretei oder Angelegenheit für Strickwollpulliträger galt. Wer ihn ansprach in dieser Zeit, ob das nicht einen exorbitanten Einlauf des CSU-Establishments mit sich gebracht habe - der hörte einen Mann erst Mal nur kichern. Aber kein angefasstes Lachen war das oder ein bockiges. Sondern eines, das signalisierte: Was soll mir denn passieren?

In Schillers "Kabale und Liebe" gibt es den Stadtmusikanten Miller, einen ehrbar-unerschrockenen Kerl, der dem adeligen Establishment unbekümmert die Stirn bietet und "halten zu Gnaden, ich heiße Miller" sagt. Ungefähr so darf man sich König vorstellen. Noch am Wahlabend erzählt er grinsend, dass jetzt viele Minister bei ihm angerufen hätten. Er habe gar nicht gewusst, dass die seine Nummer haben. Und wie fühlt sich der Tag nach dem Triumph an - immerhin hat er eben das tief in seiner DNA rot eingefärbte Nürnberg erobert. "Gerührt und berührt" sei er, sagt König. Und er empfinde "Freude und Demut".

Zur Wahrheit aber gehört auch, dass die Nürnberg-SPD Fehler gemacht hat, wenn der CSU-Kandidat in dieser historischen Arbeiterstadt am Ende 52,2 Prozent der Stimmen holt. Man wird es die Tragik des Ulrich Maly nennen dürfen, dass ihm zuletzt doch noch etwas komplett misslungen ist. Maly hätte sich raushalten können aus der Kür des parteiinternen Nachfolgers. Aber er wollte unbedingt den 35 Jahre alten Thorsten Brehm - und fädelte dessen Kandidatenkür im Rücken der Partei unumkehrbar ein. Es mag Gründe für Brehm gegeben haben. Ein freundlicher, tief in Nürnberger Sachthemen und die örtliche Sozialdemokratie eingearbeiteter Mann. Am Ende aber ist die OB- eine Persönlichkeitswahl. Und da lag König vorne.

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