Nürnberg:Bewerbungsbuch für Kulturhauptstadt 2025

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Das Buch aus Nürnberg, mit dem sich die Kommune als Kulturhauptstadt Europas 2025 bewirbt, beginnt auf den ersten Blick erwartbar. Das von der Jury auf Englisch geforderte, 60-seitige "Bid Book" zählt alles auf, was man mit Nürnberg womöglich assoziiert. Schon in der zweiten Zeile fällt das Wort "Lebkuchen", dem ein "delicious sugar glaze" nachgerühmt wird. Eine Zeile später hat eine "freshly grilled bratwurst sausage" ihren Auftritt, gerne auch mit "mustard". Eine Zeile weiter geht's um die Kaiserburg, danach ums Christkind und den entsprechenden Markt. Der erste Absatz schließt mit dem "Renaissance artist Albrecht Dürer".

Nun wurde dieses Buch im Sitzungssaal des Stadtrates vorgestellt, schon nach wenigen Zeilen steht man mitten in Nürnberg. Es folgen zunächst noch weitere Schlagworte. Der Rekordverein 1. FC Nürnberg etwa, der besser auf- und absteigen kann als jeder andere. Bald darauf aber hat das Postkartenidyll sein Bewenden. Wie wohl keine andere Stadt, heißt es noch auf der ersten Seite, werde Nürnberg mit den Taten der Nazis assoziiert - genauso aber mit seinem mittelalterlichen Erbe. Insofern sei Nürnberg womöglich "really the most German place in Germany".

Nürnberg als deutschester aller deutschen Orte? Natürlich wurden in Nürnberg anfangs Fragen nach dem Sinn einer Bewerbung gestellt. Allein, dass die nicht zu Großsprecherei neigenden Nürnberger in einem offiziellen Dokument nun einen solchen - wenn auch gebrochenen - Superlativ reflektieren, könnte Kritiker endgültig zum Verstummen bringen. Auch für OB Ulrich Maly geht es bei der Bewerbung nicht zuletzt um "Selbstvergewisserung".

Das Wort vom "dilemma" findet sich ebenfalls noch auf der ersten Seite der Bewerbung: So werde man als Stadt immer wieder und allzu häufig über die Historie definiert. Es gebe aber auch ganz andere Geschichten zu erzählen in einer Stadt, in der 46 Prozent aller Einwohner "eine internationale Geschichte" haben - ganz im Gegensatz zum Narrativ von der "deutschesten aller deutschen Orte". Als Kulturhauptstadt wäre es möglich, Transformationsprozesse "mit den Mitteln der Künste und Kulturen in Gang zu setzen". So hofft das auch Kulturreferentin Julia Lehner, für die dabei freilich "der Weg das Ziel" ist.

"Past Forward" heißt das Leitmotiv der Bewerbung, es fragt danach, wie es gelingen könnte, eine europäische Zukunft zu gestalten und dabei die historischen Lehren vor Augen zu behalten. Ein abgeschlossenes Programmheft soll das Bid Book nicht sein. Bewerbungschef Hans-Joachim Wagner nennt trotzdem etliche Punkte: So sollen Literaten und Kindertheater aus aller Welt nach Nürnberg gelotst, Geschichte digital erfasst und eine groß angelegte Totalitarismus-Auseinandersetzung auf den Weg gebracht werden.

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