Prozess:Betrug bei Anruf von der 110

Seniorin und Telefon

Die mutmaßlichen Betrüger sollen Senioren in teils stundenlange Gespräche verwickelt haben.

(Foto: picture alliance/dpa)
  • Zwei Männer sollen ihre Opfer um insgesamt 701 850 Euro gebracht haben.
  • Sie gaben sich als Polizisten aus und verwickelten alte Leute in teils lange Telefongespräche. Mal sollen sie danach Bargeld, mal Gold, mal Schmuck erbeutet haben.
  • Die beiden 28-Jähren müssen sich nun vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verantworten.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Die Opfer heißen auffällig oft Theodor, Walburga, Kunigunde oder, auch das, Adolf. Und das wohl deshalb, weil die Täter in diesen Fällen davon ausgehen, dass sich hinter solchen Vornamen Menschen höheren Alters verbergen. Menschen, darauf spekulieren offenbar die Täter, die man womöglich leicht hinters Licht führen kann, wenn man ihnen am Telefon eine halbwegs plausible Story auftischt. Die zudem, auch darauf dürften die Täter hoffen, vor vermeintlichen Amtspersonen eine Form von Respekt an den Tag legen, die ihnen zum Verhängnis wird. Die Zahl der Gerichtsverfahren, in denen angebliche Polizeibeamte ihre Opfer dazu gebracht haben, ihnen eine größere Summe Geldes auszuhändigen, ist inzwischen kaum noch zu überblicken. Am Landgericht Nürnberg-Fürth wird derzeit ein besonders krasser Fall verhandelt. Dort sollen zwei 28-Jährige ihre Opfer um insgesamt 701 850 Euro gebracht haben.

Der Fall ist auch deswegen exemplarisch, weil vor Gericht auch in diesem Fall lediglich diejenigen stehen, die - wenn man so will - wohl selbst zu einem gewissen Grad über den Tisch gezogen worden sind. Wie so oft. Diejenigen nämlich, die sich für eine schöne, aber verglichen mit der Erlös eben doch äußerst übersichtliche Belohnung haben einspannen lassen. Man könnte sie Geldeinsammler nennen.

Eingespannt worden sind sie von anderen Clanmitgliedern, klassischen Hintermännern, die nicht in Deutschland sitzen, über Callcenter mit gefälschten Nummern fingierte Polizeianrufe tätigen, die Fäden in den Händen halten - und am Ende auch den mit Abstand größten Anteil vom Betrugserlös. An sie heranzukommen, ist schwierig, so dass sich vor Gericht häufig nur jene subalternen Naivlinge verantworten müssen, die die Ermittler - so formuliert es Nürnbergs Gerichtssprecher Friedrich Weitner - "früher oder später eigentlich immer kriegen". Weil sich irgendwann eben doch ein potenzielles Opfer finde, das die Masche durchschaut; und die echte Polizei dahin lotst, wo eine lautlose Geldübernahme hätte stattfinden sollen.

Der Beginn der Anklageschriften dürfen sich in vergleichbaren Fällen ziemlich ähneln. Im aktuellen Nürnberger Fall lautet dieser erste Satz: "Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem 21. 11. 2018 schlossen sich mehrere Täter, darunter die Angeklagten E. und F., sowie mindestens ein weiterer, bislang noch unbekannter Täter zusammen, um sich fortan gemeinsam in arbeitsteiligem Zusammenwirken durch Täuschung mittels Anrufen bei den später Geschädigten und der Behauptung, der Anrufer sei Polizeibeamter, das Vertrauen der Geschädigten zu erschleichen."

Mal sollen sie Bargeld, mal Gold, mal Schmuck erbeutet haben. Sicher ist sich die Staatsanwaltschaft, dass die Anrufe "aus einem Callcenter in der Türkei" stammten; und dass von dort meist "alleinstehende ältere, teilweise auch hochbetagte Menschen" angerufen wurden, im Display stand zumeist eine "110". Man spielte ihnen vor, dass eine Bande, oft "aus Rumänien", in der Nähe der Wohnung unterwegs sei, dass bei einem der vorgeblichen Clanmitglieder ein Zettel gefunden worden sei, auf dem auch die Adresse des Angerufenen stehe; und dass es noch flüchtige Clanmitglieder gebe und nun die Gefahr bestehe, dass in die Wohnung eingebrochen wird - weshalb das Geld aus dem Safe sicherheitshalber an Abholer, angebliche Beamte in Zivil, ausgehändigt werden solle.

Einmal holte eine 84 Jahre alte Geschädigte ihr Bargeld auch eigens aus der Bank und übergab es den falschen Beamten. Der Anrufer hatte ihr vorgegaukelt, ihr Geld sei vermutlich von einem Bankmitarbeiter gegen Falschgeld ausgetauscht worden - und dem müsse man nun nachgehen. Eine 80 Jahre alte Frau wiederum fragte ein angeblicher Kriminalbeamter, welche Art von Scheinen sie zu Hause habe. Als die Frau antwortete, sie habe 500-Euro-Scheine und "ein paar grüne", wollte der Anrufer die Seriennummer wissen. Die Scheine würden die Kriminalbeamten angeblich auf eine heiße Spur bringen, er schicke einen Kollegen vorbei zur Spurensicherung. Der kam dann auch, zehn Minuten später. Und steht jetzt in Nürnberg vor Gericht.

Bei einfachen Anrufen blieb es oft nicht. Zum Teil wurden die Opfer in stundenlange Gespräche verwickelt, in denen auch psychischer Druck ausgeübt worden sein soll. Etwa mit der Behauptung, die Betroffenen würden sich strafbar machen und das Leben von Polizeibeamten gefährden, sollten sie gegenüber Dritten über die angeblich geheime "Polizeiaktion" reden.

Die beiden Angeklagten müssen sich wegen gewerbsmäßigem Bandenbetrug verantworten. Zwölf Geschädigte gibt es in diesem Nürnberger Fall - nach zwölf erfolgreichen Anrufen wurden die beiden Geldeinsammler geschnappt. Ein Urteil wird im Februar erwartet.

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