Süddeutsche Zeitung

Geschichte:Im Namen des Mopses

Geheime Zirkel gab es im 18. Jahrhundert in Deutschland viele - um die Logen des Mopsordens in Nürnberg und Bayreuth ranken sich allerdings viele Legenden.

Von Katharina Kausche, Nürnberg

Mopsorden? Es klingt wie eine Satire: Ein geheimer Orden aus dem 18. Jahrhundert, der sich ausgerechnet den Mopshund zum Namensgeber gemacht hat. Zur Begrüßung ahmten die Mitglieder wohl eine Mopsnase nach. Sie legten dazu den Mittelfinger auf die Nasenspitze, Ring- und Zeigefinger jeweils auf einen Mundwinkel und den Daumen unters Kinn - dazu streckten sie die Zunge raus. Außerdem wurden sie durch bizarre Aufnahmerituale und Erkennungszeichen miteinander verbunden - in diesem Fall eher ulkig als geheimnisvoll. Die Herkunft des Mopsordens ist bis heute ungeklärt und unter Historikern umstritten. Frankreich und Sachsen sind häufig genannte mögliche Ursprungsorte. Mit Blick auf Bayern ist allerdings eines belegt: In Nürnberg existierte eine Loge des Mopsordens.

Geheime Zirkel gab es im 18. Jahrhundert in Deutschland viele - zumindest die Freimaurer dürften den meisten ein Begriff sein. Heute sind die Freimaurer vorzugsweise bekannt durch Dan Browns Thriller "Das verlorene Symbol", gerne eng verbunden mit Verschwörungstheorien und Mauscheleien hinter verschlossenen Türen.

Geheimnistuerisch, ja das waren diese Logen schon, sagt Roland Hanke vom Freimaurermuseum Bayreuth. Meist traf man sich aber hauptsächlich zum Plaudern und Diskutieren, nicht zwingend zum Schmieden geheimer Pläne. Das mysteriöse Drumherum und die Aufnahmerituale der Logen verliehen den gesellschaftlichen Treffen etwas Exklusives und machten sie damit schlichtweg spannender, sagt Hanke. So banal ist die Erklärung der Logen.

Der Mopsorden ähnelte in seinem Aufbau und seinen aufklärerischen Idealen - Toleranz und Freiheit - wohl den Freimaurern, direkt dazu gehörte er aber wohl nicht, so Hanke. Details lassen sich oft kaum rekonstruieren, die Quellenlage ist dünn - bei einer Geheimgesellschaft nicht anders zu erwarten. "Der Mopsorden wurde vermutlich in den 1740er-Jahren gegründet", sagt Hanke. "Es gibt Hinweise, dass es solche Orden in vielen deutschen Städten gab." Göttingen, Greifswald und auch Bayreuth gehören dazu, gut dokumentiert ist kaum einer davon.

Bekanntgeworden ist der Orden vor allem durch eine "Verräterschrift" aus dem Jahr 1745, in der ein Insider sowohl Mitglieder verriet als auch Riten ausplauderte. Außer dieser Schrift gibt es wenig Zeitzeugnisse. Trotzdem tauchen in Nachlässen immer wieder einzelne Hinweise auf Mopsorden auf, sagt Hanke. Mal sind es Gemälde, mal Porzellanfiguren, die Spekulationen zulassen, ob der Auftraggeber Mitglied der Loge war.

Lediglich beim Ableger in Nürnberg, "Mopsen-Capitul" genannt, lässt sich genau nachvollziehen, wie die Loge aufgebaut war. Im Nürnberger Stadtarchiv ist das Ordensbuch erhalten geblieben, in dem sowohl Mitglieder als auch Ämter und Aufgaben genaustens protokolliert sind. Gegründet hat den Orden im Herbst 1744 Johann Georg Friedrich von Hagen gemeinsam mit einer Handvoll Kommilitonen. Am 24. November desselben Jahres tritt Hagens Cousine als erste Frau dem Orden bei, schreibt Roland Hanke in seinem Buch "Mopsen und Mauerer". Der Zutritt zu Freimaurerlogen war Frauen hingegen verwehrt. Im 18. Jahrhundert gründeten sich immer mehr androgyne Orden, die auch Frauen aufnahmen. Der Mopsorden gehörte ebenfalls dazu. Im Nürnberger Capitul durften Frauen sogar das Amt der Großmeisterin - im Mopsorden-Jargon "Großmops" genannt - einnehmen.

Warum also der Mops als Namensgeber? Damals noch etwas größer und mit längerer Schnauze als heute, aber schon mit Ringelschwanz, war der Mops der "Modehund der Zeit", sagt Cordula Bischoff, Kunsthistorikerin an der TU Dresden. Der Hund taucht in Liedern und Gemälden auf, selbst als Meißner Porzellan wurde der Mops im 18. Jahrhundert verewigt. Bei den Porzellanfiguren aus der berühmten Meißner Manufaktur, ist in den Auftragsbüchern sehr genau dokumentiert, für wen die Figuren gefertigt wurden. Nicht selten stimmen diese Namen mit bereits bekannten Mitgliedern eines Mopsordens überein, sagt Bischoff. Der Mops galt im 18. Jahrhundert als Schoßhund und besonders beliebt bei Frauen. "Für eine Loge, die auch Frauen aufnimmt, passte das also gut," sagt Bischoff. Noch dazu sagte man dem Mops besondere Treue nach - für eine Geheimloge nicht unwichtig.

"Witzig ist der Mops als Namensgeber natürlich schon", sagt Bischoff. Das zeige sich auch in den Aufnahmeritualen, für die der Orden schon im 18. Jahrhundert belächelt wurde. Angelehnt an die Freimaurer sollten sich Ordensanwärter vor einer verschlossenen Tür bemerkbar machen - statt zu klopfen, mussten sie allerdings winseln und an der Tür kratzen, so wurde es jedenfalls in der Schrift der Verräter beschrieben. Im Laufe des Rituals wurden den Anwärtern schließlich die Augen verbunden, sie mussten den Hintern eines Porzellanmopses küssen.

"In der Forschung ging man deshalb davon aus, dass der Mopsorden die Rituale der Freimaurer verhohnepipeln wollte", sagt Bischoff. "Dagegen spricht aber, dass einige Mitglieder des Nürnberger Mopsordens auch zugleich Teil der Freimaurer waren." Bischoff geht davon aus, dass der Mopsorden durchaus den Anspruch hatte, seriös zu sein. Nach der Verräterschrift entstand in Sachsen bald eine reformierte Version - ohne besagte Rituale -, in Nürnberg behielt man aber wohl die ursprüngliche Form bei.

Wann genau sich der Orden in Nürnberg auflöste, ist nicht bekannt. Die Einträge in das Ordensbuch brechen in den Achtzigerjahren des 18. Jahrhunderts ab. Heute gilt der Mops wieder als Modehund. Höchste Zeit also, den Mopsorden wieder aufleben zu lassen. Der geheime Gruß ist ja nun nicht mehr so geheim.

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SZ vom 23.09.2020
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