Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:"Endlich kann man als SPD-Mitglied wieder aufrecht gehen"

Lesezeit: 3 min

Von Claudia Henzler, Nürnberg

Wenn es danach ginge, mit welchem Kandidaten sich SPD-Mitglieder an diesem Samstag ein gemeinsames Foto vor der Gipsstatue von Willy Brandt wünschten, die im Foyer der Nürnberger SPD-Zentrale sitzt, dann wäre die Sache schon entschieden: SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen wird die nächste Parteivorsitzende. Tatsächlich ist die Aussagekraft begrenzt, denn die meisten anderen Kandidaten kannte in der fränkischen Stadt schlicht noch niemand. Doch die Szene zeigte, dass Kohnens bisheriges Amt als Generalsekretärin sie im Wettbewerb um den Landesvorsitz nicht zur Außenseiterin macht. Sie ist beliebt und kam als klare Favoritin.

Dieser Rolle wurde Natascha Kohnen auch gerecht. Mit einem zehnminütigen Vortrag stellten sich die Kandidaten nacheinander vor - Kohnen bekam dabei besonders viel Applaus. Und auf Fragen konnte sie meist die konkretesten Antworten geben. Es wurde deutlich, dass sie den tiefsten Einblick darin hat, was ein Landesvorstand genau macht.

Ihr Landtagskollege Florian von Brunn versuchte, das als Makel darzustellen: "Mir ist wichtig, dass wir über einen Neuanfang reden." Den würden nur die anderen Kandidaten verkörpern. "Natascha, ohne dich anzugreifen, du musst auch sagen, was ist deine persönliche Bilanz." Mit-Kandidat Markus Käser flankierte ihm: "Ich gebe Ihnen recht, wenn man acht Jahre Generalsekretärin war, kann man nicht sagen, dass man ein Neuanfang ist." Kohnen beließ es bei einer kurzen Abwehr: "Jede Person, die in ein Amt neu hineinkommt, bringt ihren eigenen Stil mit. Ihre eigene Art des Auftretens."

Punkten kann Kohnen damit, dass sie die Mitgliederbefragung überhaupt vorgeschlagen hatte. Dafür lobten sie auch die fünf Gegenkandidaten, die in ihren Vorträgen durchgehend betonten, wie sie als Parteivorsitzende die Basis besser einbeziehen würden als bisher.

Mit den Namen einiger Mitbewerber taten sich viele Besucher noch nach der zweieinhalbstündigen Veranstaltung schwer - nicht nur, weil die Kandidaten vom Moderator ausschließlich mit ihren Vornamen und dem sozialdemokratischen Du angesprochen wurden. Das Interesse war groß: 200 Stühle ließ die SPD aufstellen, sie haben nicht gereicht. Die Stimmung im Karl-Bröger-Zentrum war fast euphorisch. "Es tut sich was, es ist Bewegung in der Partei", sagten Besucher. Von "Aufbruchstimmung" war immer wieder die Rede. Einer stellte für sich sogar fest: "Endlich kann man als SPD-Mitglied wieder aufrecht gehen."

"Wer Alternativen fordert, der muss sie auch selber bieten"

Für einige hatten sich nach der Konferenz ein bis zwei klare Favoriten herauskristallisiert, andere wollen die gesammelten Eindrücke noch eine Weile setzen lassen. Bei aller Freude über den basisdemokratischen Prozess äußerten sich manche Mitglieder auch leicht verärgert darüber, wer sich die Kandidatur so alles zutraut. Enthusiasmus allein reiche nicht, Professionalität sei wichtig. "Man muss sich den oder die Landesvorsitzende auch als Ministerpräsidentin vorstellen können", sagte eine junge Genossin. Für sie komme neben Natascha Kohnen vielleicht noch der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn infrage.

Auch einige ältere SPD-Frauen waren vor allem von dem Auftreten der beiden Landtagsabgeordneten Kohnen und von Brunn beeindruckt. Sie wollten aber nicht ausschließen, dass sich die Nicht-Profis - also die drei Kandidaten, die bisher vor allem auf kommunaler Ebene aktiv waren - im Laufe der nächsten Vorstellungskonferenzen rhetorisch noch verbessern.

Von ihnen kam Markus Käser mit seiner schalkhaften Art am besten an. Der Pfaffenhofener stand im blauen Strickpulli auf der Bühne und erinnerte daran, wie Walter Adam als Außenseiter im Jahr 2015 beim Landesparteitag kandidiert hatte - und ein Drittel der Stimmen holte. "Dort habe ich erlebt, dass diese Partei noch Leben in sich hat", sagte Käser. Aber die Parteiführung sei danach einfach zur Tagesordnung übergegangen, ohne den Dialog zu suchen. "Das war das Schlüsselerlebnis, dass es jetzt Zeit ist für einen Neuanfang." Und, so erläuterte er seinen Entschluss zur Kandidatur: "Wer Alternativen fordert, der muss sie auch selber bieten."

Souverän präsentierte sich Polit-Profi Klaus Barthel. Der Bundestagsabgeordnete investierte viel Redezeit, um darauf hinzuweisen, wie viel Erfahrung er in den vergangenen Jahrzehnten auf allen politischen Ebenen sammeln konnte. Ob er den Neuanfang verkörpert, den sich viele wünschen, muss sich zeigen.

Die Entscheidung könnte schon im Mitgliedervotum fallen

Florian Pronold zeigte Haltung - es war ja vorher schon klar, dass bei dieser und den nächsten drei Vorstellungskonferenzen, die er begleitet, ausschließlich darüber gesprochen werden würde, wie ohne den Noch-Vorsitzenden alles neu und besser werden soll. "Wir haben jetzt eine demokratische Auseinandersetzung", sagte er und fügte fast beschwörend hinzu: "Wir werden gestärkt daraus hervorgehen."

In seiner kurzen Begrüßung stellte Pronold noch einmal klar, welchen Stellenwert das Votum der 59 000 Mitglieder haben wird: Laut Satzung müsse der Landesparteitag den Vorstand wählen, so Pronold. Doch alle sechs Kandidaten hätten sich bereit erklärt, dort auf ihre Kandidatur zu verzichten, wenn die Mitgliederbefragung eine absolute Mehrheit für einen Bewerber ergibt, sagte Pronold. Falls nicht, werde es auf dem Parteitag zwischen den Kandidaten mit den meisten Stimmen zu einer Stichwahl kommen - für eine zweite Befragung per Brief sei keine Zeit.

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