Mitten in Nüdlingen:Unterfränkische Penis-Posse

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Dieses Werk der Künstlerin Sabine Bach durfte nach der Beschwerde eines Besuchers nicht mehr im Nüdlinger Rathaus gezeigt werden – da auch Kinder daran vorbeiliefen. (Foto: Andreas Löhr)

In der Gemeinde Nüdlingen fühlte sich ein Rathausbesucher vom Abbild zweier männlicher Geschlechtsorgane gestört, also ließ es der Bürgermeister abhängen. Geht so Kunstfreiheit?

Glosse von Max Weinhold, Nüdlingen

Es wird sich um eine rein zufällige Häufung handeln, aber es fällt schon auf, wie präsent das männliche Geschlechtsorgan in letzter Zeit in Franken ist. Im oberfränkischen Köditz hat eine Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten einen Phallus im Garten stehen, der sie selbst überragt. Und nun das – im unterfränkischen Nüdlingen spielt sich eine „Penis-Posse“ ab, wie man der Saale-Zeitung entnehmen kann.

Derlei kennt man aus der Weltstadt Hamburg, wo Innensenator Andy Grote (SPD) im Mittelpunkt des sogenannten Pimmel-Gates stand. Aber eine „Penis-Posse“ in der 4000-Einwohner-Gemeinde Nüdlingen? Das bedarf einiger Erklärung.

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Diese war – mitsamt aller anatomischer Details – ebenfalls in der Saale-Zeitung zu lesen und lautet wie folgt: Bereits im Mai stellte die Künstlerin Sabine Bach im Rathaus unter dem Titel „Menschlich“ mehrere Werke aus. Dazu zählten zwei Comic-Figuren, die eine dritte in ihre Mitte nahmen und zwischen ihren Beinen unverkennbar unbekleidet waren.

Dieser Anblick empörte einen erwachsenen Rathausbesucher, was Bürgermeister Harald Hoffmann (CSU) veranlasste, das Werk abhängen zu lassen. Es sei „ein bisschen zu sehr künstlerisch“ gewesen und habe sich auf dem Weg zur Bibliothek befunden, den viele Kinder passierten (wobei angemerkt sei, dass diese nicht selten auch Zugriff auf das Internet haben, wo noch ganz andere Dinge zu sehen sind). Also habe er angeordnet, es anderswo aufzuhängen. Weil aber nirgends mehr Platz war, hing’s dann – im doppelten Sinne – gar nicht mehr.

Die Entscheidung habe er, sagte Hoffmann, „ohne Rücksprache mit irgendwem“ getroffen. „Das darf ich, denn ich bin der Bürgermeister und habe hier das Hausrecht“, führte er aus, und man darf sich an dieser Stelle schon fragen, was wohl die Mütter und Väter des Grundgesetzes über eine solche Auslegung ihres Paragrafen 5 zur Kunstfreiheit denken würden.

Künstlerin Bach nahm es indes gelassen. „Halleluja, das ist ja wie im Komödienstadel. Wer regt sich denn über so was auf?“, habe sie sich zwar gedacht. Alles absagen wollte sie aber wegen der „Zensur“ nicht, sagt sie am Telefon. Also lief die Ausstellung weiter, ohne das besagte Werk. Wobei: nicht ganz. Eine der Figuren habe im Büro des Einwohnermeldeamts Zuflucht gefunden. Die Mitarbeiterinnen hätten gesagt, „sie verteidigen diesen Pimmel mit ihrem Leben“, berichtet Bach. „Das fand ich stark.“

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