NSU-Prozess in München:Justiz machtlos gegen Neonazi-Zuschauer

Sitzungssaal Oberlandesgericht München NSU-Prozess

Der Gerichtssaal für den NSU-Prozess wird derzeit noch umgebaut. An der Auswahl des Saals gibt es seit Wochen Kritik.

(Foto: dpa)

Mitte April beginnt in München der NSU-Prozess. Im Publikum könnten sich auch Rechtsextreme einfinden, warnt nun das bayerischen Justizministerium. Solange jemand nicht stört, könne man ihn nicht ausschließen.

Beim bevorstehenden NSU-Terrorprozess in München kann die bayerische Justiz das befürchtete Auftauchen von Neonazi-Sympathisanten im Publikum nicht verhindern. Dem steht das Gerichtsverfassungsgesetz entgegen, das den Zugang der Öffentlichkeit zu Gerichtsverfahren sicherstellt.

"Solange jemand nicht stört oder sich konkrete Anhaltspunkte für eine zu erwartende Störung ergeben, kann man ihn nicht ausschließen", sagte Thomas Dickert vom bayerischen Justizministerium am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags. "Das äußere Erscheinungsbild allein reicht nicht aus, um jemand am Zutritt zu hindern."

Auch die Justiz befürchtet, dass während des Prozesses Rechtsradikale versuchen werden zu provozieren oder die Prozessbeteiligten zu attackieren. Der Präsident des Oberlandesgerichts München nannte die Sicherheitslage bei der Vorstellung des umgebauten Gerichtssaals am vergangenen Freitag "angespannt". Es gebe ein "erhebliches Gefährdungspotenzial", sagte er. "Rechte gibt es nach wie vor."

Die Verhandlung gegen die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte beginnt am 17. April. Dem Nationalsozialistischen Untergrund werden zehn Morde an Einwanderern und einer Polizistin zur Last gelegt. Anlass der Debatte im Landtag an diesem Donnerstag waren Befürchtungen, dass "Neonazi-Fanclubs" im Schwurgerichtssaal auftauchen könnten, wie die Grünen-Abgeordnete Susanna Tausendfreund sagte. Eine Sorge, die von allen Fraktionen geteilt wird.

Aus Sicherheitsgründen werde die Polizei "ganz stark" vertreten sein, sagte der Ministerialbeamte: "Im Gebäude und sogar im Gerichtssaal werden Polizeikräfte anwesend sein." Bei normalen Strafprozessen sind nicht Polizisten, sondern Justizwachtmeister und angestellte private Wachleute für die Sicherheit zuständig.

"Es gibt keine Alternative"

An der Auswahl des Saals durch das Münchner Oberlandesgericht gibt es seit Wochen Kritik, weil der Raum trotz internationalen Interesses nicht genug Zuschauerplätze bietet. Der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy, etwa kritisierte das Gericht, weil es keinen Platz für den türkischen Botschafter reserviert hatte. Das Justizministerium nahm die Richter nun in Schutz - und hat dabei weitgehende Unterstützung im Landtag.

"Es gibt keine Alternative zu diesem Saal, die gibt es in München und in ganz Bayern definitiv nicht", sagte Dickert. Der Prozess sei eine "außerordentlich große Herausforderung für die Justiz", sagt Franz Schindler (SPD), der Vorsitzende des Rechtsausschusses. Abgeordnete aller fünf Fraktionen betonten, die unabhängige Entscheidung der Richter müsse respektiert werden.

Anders als in den USA sind Liveübertragungen aus dem Gerichtssaal nach deutschem Recht nicht möglich, um die öffentliche Neugier zu befriedigen. "Ein politischer Showprozess ist nicht im Interesse der Opfer und auch nicht im Interesse des Rechtsstaats", sagte FDP-Fraktionsvize Andreas Fischer. Die Situation sei zwar nicht zufriedenstellend, sagte die Grüne Tausendfreund. "Ich habe aber auch keine andere Lösung parat."

Nürnberg erinnert mit Mahnmal an Opfer

Die Stadt Nürnberg erinnert derweil mit einem Mahnmal an die Opfer der NSU-Terrorzelle. Bei einer Gedenkfeier übergab Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) am Donnerstag die Erinnerungsstätte im Süden der Altstadt. An der Feier nahmen neben mehreren hundert Nürnbergern auch Angehörige zweier Opfer teil.

Mahnmal für Opfer der NSU-Terrorzelle

Mahnmal für Opfer der NSU-Terrorzelle: Zahlreiche Menschen nehmen an der Einweihung eines Mahnmals in Nürnberg teil.

(Foto: dpa)

An die Ermordung der türkischen Kleinhändler Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru und Ismail Yasar in den Jahren 2000, 2001 und 2005 erinnert nun neben einer Informationsstelle ein Ensemble aus vier Gingko-Bäumen. Maly sagte, die Stadt setze mit dem Gedenkort ein sichtbares Zeichen der Erinnerung und Mahnung.

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