Bayreuth:Chefarzt verbreitet Nazi-Propaganda

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Ein ranghoher Mediziner des Klinikums Bayreuth räumt vor Gericht ein, NS-verherrlichende Videos auf eine Plattform gestellt zu haben. Eine offensichtliche Geisteshaltung soll damit aber angeblich nicht verbunden sein.

Von Olaf Przybilla, Bayreuth

Ein 58 Jahre alter Chefarzt des Klinikums Bayreuth hat Videos auf eine Plattform gestellt, die den Nationalsozialismus verherrlichen. Um vermeintliche NS-Errungenschaften geht es in den Filmchen, man sieht Heinrich Himmler in Uniform, diverse SS-Symbole und immer wieder Adolf Hitler. Dass dies den Tatbestand des, wie das in der Rechtsprechung heißt, "Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen" erfüllt, ist unschwer zu erkennen. Zwar ist der Arzt am Dienstag nicht persönlich erschienen zu seinem Prozess am Amtsgericht, telefonisch aber lässt er über seinen Verteidiger einräumen, sich des erhobenen Vorwurfs schuldig gemacht zu haben. Zu 140 Tagessätzen wird er verurteilt, in seiner Gehaltsliga sind das mehr als 32 000 Euro. Was mindestens so schwer wiegen dürfte: Damit gilt er nun als vorbestraft.

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Was den Chefarzt - einer von mehr als zwei Dutzend am Klinikum - geritten hat, als er NS-Propaganda verbreitete, wird in diesem zügigen Verfahren nicht klar. In nur einem Satz streift sein Verteidiger diesen Punkt. Angeblich sei der Chefarzt nicht "dieses Geistes", wie es nun "möglicherweise" anhand des Materials erscheinen möge. Welches Geistes aber soll einer sonst sein, der Filme zur Verfügung stellt, in denen "gegen die Völker Polens und Englands sowie gegen die Juden gehetzt" wird - wie es der Staatsanwalt beschreibt? Zu sehen sind Hakenkreuze, Hitlergrüße, Hitlerbilder. Der Verteidiger widerspricht den Vorwürfen nicht explizit. Sein Mandant räume ein, die nicht von ihm selbst produzierten Filme auf eine Plattform gestellt zu haben.

Im Klinikum wird nun über die Zukunft des Arztes beraten

Warum dann überhaupt dieser Gerichtstermin notwendig war, bleibt ein Geheimnis. Ein Strafbefehl über exakt 140 Tagessätze war bereits erlassen worden, erst der Widerspruch machte den Prozess notwendig. Womöglich wollte der Chefarzt den zusätzlich erhobenen Vorwurf der "Volksverhetzung" - der im Strafbefehl stand - weghaben. Dieser stehe auf unsicherem Fundament, erklärt der Strafrichter gleich zu Verhandlungsbeginn. Bloßer Geschichtsrevisionismus zähle dazu nämlich nicht. Ob ein vom Chefarzt geteilter Film etwa eine "Verharmlosung des Holocaust" darstelle, müsste erst anhand einer detaillierten Beweisaufnahme nachgewiesen werden.

Die auf einer Plattform für geraume Zeit öffentlich zu sehenden Filme sind bis zu 40 Minuten lang. Offenbar legt es keiner der Verfahrensbeteiligten darauf an, solche NS-Propaganda im Saal vorzuführen. Es bleibt also bei den 140 Tagessätzen, nur der Vorwurf der Volksverhetzung fällt weg. Staatsanwalt und Verteidigung nehmen das Urteil sofort an. Der Arzt ist damit rechtskräftig verurteilt.

Das Klinikum von Stadt und Landkreis Bayreuth war in der Causa zwischenzeitlich in die Defensive geraten. Im Juni hatte die Klinik lediglich erklärt, sich "mit aller Kraft für eine weltoffene, tolerante Gesellschaft" einzusetzen. Jemand, der gegen bestimmte Prinzipien verstoße, habe aber "ganz sicher keinen Platz im Klinikum". Am Dienstag nun erklärte ein Kliniksprecher: Die am Gericht offenkundig gewordenen Inhalte "stoßen uns ab". Gespräche mit dem betroffenen "Klinikdirektor, der zudem als Mitglied des Betriebsrates besonderen Kündigungsschutz" genieße, hätten in der Vergangenheit keine Einigung erbracht. Angesichts der neuen Faktenlage will der Klinik-Aufsichtsrat nun am Mittwoch das weitere Vorgehen in einer Sondersitzung beraten.

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