Süddeutsche Zeitung

NPD-Funktionär Patrick Schröder:Ein ganz normaler Neonazi

Hetze, Gewaltaufrufe, indizierte Lieder? Fehlanzeige! Patrick Schröder weiß genau, wo die Grenzen sind. Der NPD-Funktionär und Internetradio-Betreiber aus der Oberpfalz ist eines der jungen und gefährlichen Gesichter des Rechtsextremismus. Einblicke in eine Grauzone.

Von Charlotte Theile

Patrick Schröder ist richtig zufrieden mit sich. Heiser lachend liest er Leserbriefe eines gewissen "Claus S. aus Scheinfeld" vor, präsentiert ein Tortendiagramm, das zeigt, welche Band beim Konzert am besten ankam, und zeigt Fotos aus dem Gästebuch einer Anne-Frank-Ausstellung: Dort waren er und "die Mannschaft von FSN.tv" vor einigen Tagen zu Gast. Sie haben sich eingetragen, Patrick Schröder und seine Leute, und geschickt formuliert: Im Gästebuch machen sie sich über Anne Frank, ihre Tagebücher und das Gedenken an sie lustig - ohne dass die Staatsanwaltschaft eine Chance hat, Schröder und seine Leute für irgendetwas bestrafen zu können.

Von seinem Wohnort Mantel in der Oberpfalz aus betreibt Patrick Schröder, blond, durchtrainiert, weiß-rot-schwarzes Shirt, ein Webradio mit rechter und rechtsextremer Musik. Außerdem eine Art Fernsehsendung, die einmal die Woche ausgestrahlt wird. Zwischen 300 und 8000 Menschen schalten jede Woche zu, sagt Schröder. Der Verfassungsschutz geht davon aus, dass Schröder Rechtsextremisten "weit über Bayerns Grenzen hinaus" erreicht.

Im Moment ist Schröder, der diverse Funktionen in der NPD Bayern ausübt, selbstbewusst wie nie: Am 12. Oktober ist es ihm gelungen, in einer Disco im mittelfränkischen Scheinfeld ein Konzert mit etwa 1000 Besuchern abzuhalten. Der Stadtrat des kleinen Örtchens mit seinem Bürgermeister Claus Seifert (SPD) wurde "übertölpelt" und konnte nur noch sicherstellen, dass das Konzert ohne Gefahr für die Bevölkerung über die Bühne ging. Für Schröder, der die offiziell als Geburtstagsparty angemeldete Veranstaltung "noch lieber" gemacht hätte, wenn es eine Gegendemonstration gegeben hätte, ein Erfolg.

Bürgermeister Seifert, der sich am Montag darauf mit einer Scheinfeld-ist-bunt-Demonstration von dem Konzert distanziert hat, wird bei FSN.tv als "Rechtsrockfan Claus S. aus Scheinfeld" verspottet. Schröder erklärt genüsslich, wie er das "geilste Rechtsrockkonzert seit 1945" in den vergangenen zehn Monaten immer wieder umverlegt hat, von Sachsen-Anhalt über verschiedene Orte in Bayern. Wie er am Veranstaltungstag eine Telefonnummer eingerichtet hat, um die Busse nach Scheinfeld zu lenken. Wie er die Begriffe Mitteldeutschland und Zentraldeutschland verwendet hat, um die Behörden zu verwirren.

Dazwischen: Hassgesang, Stahlgewitter, Sturmwehr

In der rechtsextremen Szene steht Schröder für eine neue und gefährliche Bewegung: Der 30-Jährige gibt sich im Netz bewusst als rechtsradikal zu erkennen. Er sagt, wer er ist, wo er wohnt, was er denkt. Es wirkt, als hätte er nichts zu verbergen. Das Programm? Eine Mischung aus Überfremdungsangst, kalkulierter Provokation und Blödelei. Auf seiner Seite gibt er Lieblingssendungen und -bands an, so alltäglich, dass sie in jedem Facebook-Profil auftauchen könnten. Frei.Wild, Star Wars, Stromberg. Dazwischen Bands, die er "politisch" nennt: Hassgesang, Stahlgewitter, Sturmwehr.

Seine Hobbys? Party, Musik, Fitness, Zocken. Eine Strategie, die erstaunlich gut funktioniert. Nicht selten gelingt es ihm in seiner Sendung, Stimmungen zu treffen, Gags zu platzieren und dem Zuschauer das Gefühl zu geben, der Moderator sei vielleicht ein bisschen abgedreht, aber sicher kein gefährlicher Neonazi. Ein ganz normaler Rechtsextremer. Der Patrick eben.

Patrick Schröder ans Telefon zu bekommen, ist kein Problem. Er will reden, über sich, seinen Erfolg und seine politischen Vorstellungen. Weniger Ausländer, finanzielle Anreize, das Land zu verlassen, Förderung der nationalen Wirtschaft. Das ist weder besonders neu, noch auffallend jung oder zeitgemäß. Doch Schröder gelingt es, genau das zu verkaufen. In den vergangenen Jahren hat er es zu einer ernst zu nehmenden Größe in der rechten Szene gebracht.

Bei den Nordbayerischen Bündnissen gegen Rechts kennt man seine Sendungen seit Langem - das Radio ist seit 2007, die Bewegt-Bild-Moderationen sind seit 2012 online. "Vorträge, Musik, Planungen für Aufmärsche oder Konzerte", all das findet, wie Bündnis-Koordinator Günter Pierdzig beobachtet hat, auf Schröders Plattform statt. Ob strafrechtlich Relevantes dabei ist? Pierdzig zuckt mit den Schultern: "Wer setzt sich denn den ganzen Tag hin und hört sich diese Suse an?"

Das Radio läuft rund um die Uhr, die TV-Sendungen dauern oft länger als zwei Stunden. Am Anfang jeder Sendung steht ein etwa zehnminütiger Musikblock - Schröder sagt, das sei nötig, um die Geräte richtig einzustellen. Ansonsten: schlechte Bildqualität, viel Werbung, langwierige CD-Vorstellungen. Es gehe vor allem darum, die "Einstiegsdroge Musik" unter die Leute zu bringen, sagt Schröder.

"Auf dem Schulhof zu verteilen ist teuer und wird immer schwieriger. Da kleben wir einfach ein paar Aufkleber für unser Radio, um die Jugendlichen an politisch alternative Musik heranzuführen." Und da Schröder weiß, wie man Kasse macht, nutzt er die Sendung, um für seinen Arbeitgeber zu werben: Ansgar Aryan, ein Label, das Streetwear mit Aufdrucken wie "Hate Society" herstellt und von Neonazis getragen wird.

Beim Bayerischen Verfassungsschutz gibt es jemanden, der sich "diese Suse", wie es Pierdzig auf den Punkt gebracht hat, anschaut. Pressesprecher Markus Schäfert kennt die Umfragen, Werbebanner und CD-Vorstellungen, die Schröder und sein Ko-Moderator, der ohne Namen und mit Anonymous-Maske auftritt, in die Kamera halten. "Ermüdendes Gelaber" nennt es der Pressesprecher, "in seiner Wirkung dennoch nicht zu unterschätzen."

Schröder, der seine Show oft selbst "unsere kleine Fascho-Sendung" nennt, ist für viele Hörer alles andere als langweilig. Ein Radio unter dem Motto "Hören macht frei" zu betreiben, Hitler-Bilder neben Fotos der Scheinfeld-ist-bunt-Demo zu zeigen und in jedem zweiten Satz anzuzweifeln, dass die NSDAP wirklich so schlimm war - wer damit durchkommt, triumphiert über den Rechtsstaat. Tag für Tag, Woche für Woche.

"Rechtlich geschult"

Bei der Landeszentrale für neue Medien, wo das Webradio angemeldet ist, glaubt man, wenig in der Hand zu haben. "Diese Leute sind rechtlich geschult. Sie wissen, welche Lieder auf dem Index stehen und wo sie aufhören müssen", sagt ein Sprecher. Bei der Beobachtung hätten sie weder direkte Hetze, noch Aufrufe zur Gewalt ausmachen können.

Andererseits haben sie nicht genug Leute, um jede einzelne Sendung zu überprüfen. Ob das TV-Angebot wirklich rechtmäßig ist, werde gerade überprüft, sagt der Sprecher. Doch dass FSN.tv seit 2012 ungestört 56 Sendungen ausstrahlen konnte, ist nicht mehr rückgängig zu machen.

Trotz seines Erfolgs ist Schröder in der rechtsextremen Szene umstritten. Den freien Kameradschaften ist die NPD, in der es Schröder zum Kreisvorsitzenden, Bezirksgeschäftsführer und Mitglied des Landesvorstandes gebracht hat, zu weich gespült, zu bürgerlich. Auch andersrum hält sich die Sympathie in Grenzen.

Schröder sagt, im Freien Netz Süd, einem Zusammenschluss freier Kameraden in Bayern, seien viele, denen es vor allem darum ginge "so nazimäßig wie möglich rüberzukommen". Bei einer Demo "Nationalsozialismus jetzt!" brüllen, das sei nicht sein Stil. "Damit gewinnt man keinen Blumentopf" sagt Schröder.

Scheinfelds Bürgermeister Seifert hat während des Rechtsrockkonzertes "nicht mal eine NPD-Tasse" herumstehen sehen. Niemand krakeelte Nazi-Sprüche. Den Gefallen hätte Schröder ihm nie getan.

Was es bedeutet, wenn einer wie Schröder Einfluss gewinnt? Einer, der Simpsons und How I met your mother schaut? Ein Klamottenlabel betreibt, das vom Stil her auch von Linken oder Punks getragen werden könnte? Einen Ko-Moderator beschäftigt, der als Lieblingsband Die Ärzte angibt?

Es bedeutet, dass die rechte Szene verstanden hat, wie Jugendkultur funktioniert. Cool. Gelassen. "Wer meint, Land und Nation, das ist Schwachsinn, der kann gerne mit mir diskutieren", sagt Schröder. Alles easy, kein Problem. Was also tun? Aufklärung sei wichtig, sagt Nazi-Gegner Pierdzig. Und Gegenwehr. Ein Hacker-Angriff, das wäre vielleicht etwas.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2013
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