Realschule in Nördlingen:Mitschüler mit falscher Todesanzeige gemobbt

Hausaufgabenbetreuung in der Bayernkaserne in München, 2019

Fünf Schüler der achten Jahrgangsstufe einer Realschule sind offenbar gemobbt worden (Symboldbild).

(Foto: Catherina Hess)
  • In der Augsburger Allgemeinen war am Freitag eine falsche Todesanzeige zu lesen. Nach Erkenntnissen der Polizei soll sie ein 14-Jähriger beauftragt haben, der in Nördlingen zur Schule geht.
  • Offenbar, so der Vorwurf, wollte er einen Mitschüler mobben. Bereits seit vielen Wochen seien an der Schule immer wieder Schüler der achten Jahrgangsstufe gemobbt worden.
  • Die Polizei prüft Zusammenhänge zwischen den Fällen. Der Verdächtige hat bei seiner ersten Vernehmung alles abgestritten.

Von Florian Fuchs und Anna Günther

"Wir vermissen unseren lieben Freund, der plötzlich und unerwartet von uns ging." So stand es am Freitag in einer Todesanzeige in der Augsburger Allgemeinen, mit Hinweis auf eine Trauerfeier am gestrigen Montag. Nur ist überhaupt niemand gestorben: Die Anzeige soll nach ersten Erkenntnissen der Polizei ein 14-Jähriger beauftragt haben, der in Nördlingen zur Schule geht. Offenbar, so der Vorwurf, wollte er einen Mitschüler mobben. Und offenbar sind an der Schule schon über viele Wochen Schüler der achten Jahrgangsstufe immer wieder gemobbt worden. Die Polizei ermittelt und prüft Zusammenhänge zwischen den Fällen. Der Verdächtige hat bei seiner ersten Vernehmung alles abgestritten.

Fünf Schüler der achten Jahrgangsstufe an der katholischen Realschule Maria Stern in Nördlingen sind betroffen. Bereits Ende November berichtete die örtliche Kriminalpolizei, dass ein unbekannter Täter den Schülern über soziale Medien zunächst Links zu pornografischen Seiten, aber auch Bilder mit pornografischem Inhalt übermittelte. Zudem sollen die Schüler zahlreiche Anrufe von Callcentern sowie Drohungen unterschiedlicher Art erhalten haben. Schließlich wurden auf die Namen der Schüler Handyverträge abgeschlossen und Reisen gebucht. Der Täter nutzte dazu jeweils die Schul-Emailadressen der Schüler - ein Sachschaden entstand nicht. Die Schule veranstaltete deshalb Anfang Dezember sogar einen Informationsabend, auch eine Beamtin der Präventionsstelle der Kriminalpolizei Dillingen nahm daran teil und klärte über Gefahren im Internet auf.

Wie die Polizei nun am Montag mitteilte, ermittelten die Fahnder nach der Todesanzeige am Freitag den Auftraggeber der Anzeige. So kamen die Ermittler auf den 14-Jährigen. Noch am Freitagnachmittag durchsuchten Beamte mit einem Beschluss die Wohnung des verdächtigen Jugendlichen. Sie stellten zahlreiche Medienträger sicher, etwa Handy und Notebook, die derzeit ausgewertet werden. Bei einer Befragung, bei der auch seine Eltern dabei waren, bestritt er, etwas mit dem Mobbing seiner Mitschüler zu tun zu haben.

Eigentlich wollte man sich weder an der Schule noch beim Schulwerk der Diözese Augsburg zum Fall äußern. Aber die Irritation über die Todesanzeige war Schulwerkchef Peter Kosak am Montag deutlich anzuhören. Er schwanke zwischen Wut, Sprachlosigkeit und großer Betroffenheit, sagte Kosak. Vergleichbares habe er bisher an keiner der 42 Schulen der Diözese erlebt. Für Kosak ist diese Art von Mobbing ein "Einzelfall, mit so viel krimineller Energie, dass auch Prävention an Grenzen stößt". Besonders "geschmacklos" nennt Kosak, dass die Todesanzeige am Geburtstag des Schülers erschien. Schulleiter Thomas Möckel hatte die Anzeige am frühen Morgen entdeckt und sofort die Mutter des Opfers angerufen. Als Unterzeichner waren die anderen vier Schüler angegeben, die ebenfalls seit Juni schikaniert werden.

Drei bis fünf Prozent aller Schüler werden Opfer von Mobbing. Betroffen ist in solchen Fällen aber meist die ganze Klasse. Das Phänomen ist nicht neu, aber die Intensität hat mit den sozialen Medien deutlich zugenommen, denn anders als früher sind das Zuhause oder der Sportverein kein Schutzraum mehr. In digitalen Räumen wie Whatsapp oder Instagram geht Psychoterror ohne Pause weiter.

Sollte sich der Verdacht der Ermittler bestätigen, dürfte der 14-Jährige von der Nördlinger Schule fliegen. "Wir werden den Fall dann privatrechtlich prüfen und zügig, mit aller Härte, reagieren", sagte Kosak. Die finale Entscheidung trifft der Vorstand der Augsburger Schulstiftung. "Nachsicht und Verzeihen sind christliche Tugenden, aber hier ist sehr viel Schaden entstanden. Das ist für uns ein massiver Vorfall", sagte Kosak.

Einer, der dem Selbstbild der christlichen Schulen widerspricht. Diese Privatschulen werben oft mit harmonischem Miteinander und Aufmerksamkeit für jeden Schüler. Die spontan einberufene Pressekonferenz am Nachmittag war auf das öffentliche Interesse zurückzuführen - und diente der Schadensbegrenzung. Der Realschule sei nichts vorzuwerfen, betonte Kosak. Gleich am Freitagmorgen habe Möckel den Vorfall in der Klasse der fünf Schüler besprochen, Schulpsychologen und Sozialarbeiter waren dabei.

An der Prävention könne es nicht liegen, glaubt Kosak: Es gebe schon lange Programme an Maria Stern, um Mobbing gar nicht erst entstehen zu lassen. Seit einem Jahr erklären zudem Medienscouts, also eigens ausgebildete Schüler, Gleichaltrigen den richtigen Umgang mit sozialen Medien und Folgen von Cyber-Mobbing. Solch ein "Peer-to-Peer-Konzept" ist laut Experten erfolgreicher als klassischer Unterricht, weil Jugendliche eher auf Mitschüler hören als auf Lehrer. Trotzdem werde das Schulwerk prüfen, ob es Lücken im "System" gebe und nachbessern.

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