Mitten in Bayern:Als der Nikolaus dem Bismarck weichen musste

Mitten in Bayern: Der Nikolaustag ist für viele Kinder nicht nur mit schönen Erinnerungen verbunden.

Der Nikolaustag ist für viele Kinder nicht nur mit schönen Erinnerungen verbunden.

(Foto: Felix Kästle/dpa)

Nicht nur Besinnlichkeit, auch Schlägereien, Tumulte und das Böse prägen die Adventszeit seit jeher. Und wenn die alten Schreckgestalten nicht ausreichten, um Angst zu verbreiten: Dann mussten eben Politiker als Hassfiguren herhalten.

Glosse von Hans Kratzer

Die Polizei hat gemeldet, zwei Männer aus Schweinfurt seien nach einer Adventsfeier ihrer Firma im Krankenhaus gelandet. Wie es im Bericht heißt, fügten sich die Raufbolde bei einer Schlägerei gegenseitig Verletzungen zu. Eine Prügelei, ausgerechnet im Advent, in der staaden Zeit der Besinnung und des Kerzerldufts, wie gibt's denn so was? Nun, die Welt war halt noch nie friedlich, nicht einmal im Advent, ganz im Gegenteil. Schaut man in die alten Chroniken, so bleibt festzuhalten, dass es im Advent seit jeher gröbste Übergriffe gab, nicht selten lagen Tote und Verletzte herum. Angesichts von Tumulten und Ausschreitungen sah sich die Obrigkeit regelmäßig genötigt, Adventsbräuche zu verbieten.

Vor 16 Jahren beobachtete die Polizei im beschaulichen Dorfe Gelting bei Wolfratshausen am Nikolaustag regelrechte Jagdszenen. Mit Zaunlatten und Stöcken bewaffnet, gingen Jugendliche auf die den Nikolaus begleitenden Krampusse los, die ja von Natur aus selber nicht zimperlich sind. Einer soll einmal in Reichenhall einem Buben sogar die Zunge abgeschnitten haben. Kein Wunder, dass da bisweilen auch der Nikolaus verdroschen wurde, sogar der Bub Gerhard Polt und seine Bande hatten einst daran Gefallen gefunden.

Es fällt auf, dass alle großen Heiligen der Adventszeit - Nikolaus, Lucia, Thomas - finstere Gestalten an ihrer Seite wissen. Sie heißen Krampus, schiache Luz und blutiger Dammerl und verkörpern das Böse in dieser Welt. Früher galt der pädagogische Leitspruch, dass der Nikolaus und seine Begleiter den Kindern Angst machen sollten, gar mancher Lausbub wurde in den Sack des Krampus gesteckt. Dabei hieß es schon in einem Kindergebet aus dem 15. Jahrhundert: "Heiliger Bischoff sanct Nicolas, in meiner Nott mich nit verlas ..."

Angst und Schrecken verbreiten, das ist dem Menschen sein schönstes Plaisir. Der Großvater des Schriftstellers Carl Amery vergaß nie, dass der Schrecken des Nikolaus und des Krampus manchmal nicht ausreichte, um den Kindern genügend Angst einzujagen. Nach dem 1866er-Krieg, so schrieb er einmal auf, "saugten wir Kinder in Schwandorf selbstverständlich auch den Hass gegen Preußen auf, und oft wurde uns statt mit dem Nikolaus mit dem Bismarck gedroht".

Im Gegensatz zum Nikolaus, der längst zum friedlichen Gesellen mutiert ist, verbreiten viele Staatenlenker nach wie vor Angst und Schrecken. Nur ihre Namen ändern sich dauernd.

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