Niederbayern:Als der Mond noch gegen Warzen half

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Vor 50 Jahren verbreiteten Vollmondnächte noch eine besondere Magie. (Foto: Claus Schunk)

Im Sommer 1969 dröhnten in Woodstock die Gitarren, während die ersten Menschen auf dem Mond landeten. Niederbayern war weit davon entfernt - von großer Bedeutung war der Mond aber auch dort.

Glosse von Hans Kratzer

Der Sommer vor 50 Jahren zeichnete sich durch ein anhaltendes Sauwetter aus. "Fridays for future" wäre damals ein Witz gewesen, es war nass und kühl und überhaupt zum Davonlaufen. Wie aufregend der Sommer 1969 gewesen sei, wird heute geschwärmt, das ist echt putzig. Na gut, die erste Mondlandung war ein Kracher, das Festival in Woodstock schon auch, und obendrein wurden diese Weltereignisse sinnvoll ergänzt durch die Einführung des 9. Schuljahrs an den bayerischen Volksschulen.

In unserem Heimatdorf im ober- und niederbayerischen Grenzgebiet wurden die Mondlandung mehr und Woodstock weniger zur Kenntnis genommen. Sicher ist nur, dass dort Welten aufeinander prallten. Die Technik der ersten Mondlandefähre gilt heute als steinzeitlich, aber im Dorf war es noch schlimmer. Der ehrengeachtete Handwerker Edi S. besaß einen Lloyd-LP-600-Kleinwagen ("wer den Tod nicht scheut, fährt Lloyd!"), eine Blechkiste, bei der gewöhnlich der Rückwärtsgang nicht funktionierte. Der Edi parkte das Gefährt stets so nah am Wirtshaus, dass er ohne Einsatz des Rückwärtsgangs nicht mehr wegfahren konnte. Seine Kumpane drehten dann das Auto händisch um, damit er mit aufheulendem Viertaktmotor und im Glanz des Mondes den Heimweg antreten konnte.

Eine Vollmondnacht hatte nach damaliger Überzeugung weitere Vorteile. Wer die Absicht hegte, einen Buben zu zeugen, musste lediglich dreimal gegen den Uhrzeigersinn ums Haus laufen. Überdies half der Mond gegen Warzen. Man brauchte sie nur mit einem schwarzen Faden abbinden und diesen bei abnehmendem Mond unter einer Dachrinne vergraben. So einfach war das, jedenfalls glaubten das kreuzbrave Menschen wie die Kathl W., die ihr Dorf fast nie verließ.

In München, das sie lebenslang nicht sah, sei immer Stau, hörte die Kathl im Radio. Den Stau hielt sie für ebenso luziferisch wie die laute Musik der Jugendsendung "Club 16", die aus dem Kofferradio ihrer Enkel dröhnte und die sie mit einem Wort beschrieb, das heute nicht mehr politisch korrekt ist. Manchmal fiel im Radio der Name Keith Moon (Mond), das war ein verrückter Schlagzeuger, der mit der Band The Who im August 1969 auch in Woodstock auftrat. Vor 50 Jahren war das, nur der Mond ist der Alte geblieben.

© SZ vom 10.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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