Freie Wähler in Niederbayern:Wer gegen Baugebiete ist, fliegt raus

Baustelle an der A92

Flächenverbrauch in Niederbayern - das will der FW-Politiker Hans Bär vermeiden (Symbolbild).

(Foto: Sebastian Beck)

Ein "hundertprozentiger Verweigerer" sei ihr Parteikollege Hans Bär, finden die Wallerfinger Freien Wähler und streichen ihn von der Mitgliederliste - weil der sich gegen Flächenverbrauch einsetzt.

Von Christian Sebald, Wallerfing

Erst neulich hat Hubert Aiwanger wieder betont, wie wichtig ein sparsamer Umgang mit Grund und Boden ist. Schließlich sind sie ein endliches Gut, das man nicht bedenkenlos immer weiter zubauen kann. Die Staatsregierung hat sich also vorgenommen, den Flächenverbrauch bis 2030 von zehn Hektar am Tag auf fünf zu halbieren. "Dabei sind Staat, Kommunen und Wirtschaft gleichermaßen gefordert", sagt der Wirtschaftsminister und FW-Chef.

Trotz Aiwangers Bekenntnissen hapert es beim Flächensparen an allen Ecken und Enden. Das zeigt ein bizarrer Streit im niederbayerischen Wallerfing. Dort haben die FW einem der Ihren die Mitgliedschaft aufgekündigt. Der Grund: Der Mann kritisiert die Absicht der Kommune, weitere Baugebiete auszuweisen. Seine Forderung: Wallerfing solle leer stehende Gebäude, Baulücken und andere Brachen im Dorf nutzen - so wie das alle Experten als wirksamstes Mittel gegen den Flächenverbrauch empfehlen. Als der Mann dann auch noch begann, sich gegen einzelne Projekte zu wehren, wurde es den Wallerfinger FW zu bunt. Per Vorstandsbeschluss strichen sie den Mann und seinen Vater von der Mitgliederliste.

Der Mann ist Hans Bär. Der 42-jährige Landwirt gehört den FW seit 1996 an. Bär sagt von sich, dass ihm der Schutz der freien Landschaft seit jeher ein sehr großes Anliegen sei. Deshalb sei er auch Mitglied im Bund Naturschutz. Deshalb habe er sich kürzlich vom Landesarbeitskreis Umwelt, Verbraucherschutz und Tierschutz der FW zum Umwelt-Sprecher wählen lassen. Bär will ernst machen mit dem Flächensparen, das merkt man schnell, wenn man mit ihm spricht.

Wallerfing ist ein 1300-Einwohner- Dorf im Landkreis Deggendorf. Die Gemeinde zählt zum Gäuboden, fast 90 Prozent ihrer Fluren sind Äcker. Wallerfing ist so klein, dass es mit seinen Nachbarn Oberpöring und Otzing eine Verwaltungsgemeinschaft gebildet hat. Immerhin gibt es eine Mittelschule, einen Kindergarten, einen Arzt, einen kleinen Supermarkt und etliche Vereine.

Allerdings steht Wallerfing vor einem dramatischen Wandel. Schon 2031, so hat es das Landesamt für Statistik errechnet, wird es nur noch 1140 Wallerfinger geben. Das sind fast 14 Prozent Minus in zwölf Jahren. Keine andere Gemeinde in Niederbayern steht vor so einem Schwund. Dabei gibt es schon jetzt Baulücken, Leerstände und andere Brachen zuhauf in Wallerfing. Das Amt für ländliche Entwicklung beziffert sie auf gut 20 Hektar Fläche. Die Behörde rät Wallerfing dringend, für das wenige Bauland, das noch gebraucht wird, die Brachen zu nutzen.

Josef Maidl ist Chef der Wallerfinger FW. "Natürlich ist bei uns angekommen, dass wir sorgsam mit Grund und Boden umgehen müssen", sagt er. "Das tun wir, indem wir zum Beispiel die Ortsmitte neu gestalten werden." Aber, so sagt Maidl, "unsere Bürger erwarten, dass wir ihnen Neubaugebiete bereitstellen, also weisen wir welche aus". Für Bär hat Maidl nur harte Worte. Der sei ein "hundertprozentiger Verweigerer", er "macht das Dorf schlecht", "seine extremen Ansichten" schadeten den FW.

Die Wallerfinger FW haben schnell einsehen müssen, dass sie Bär und dessen Vater nicht einfach so ausschließen können. Die Vorwürfe seien unhaltbar und gäben so einen einschneidenden Akt nicht her. Zumal Maidl keinerlei Begründung für sie liefere. So hat es Bärs Anwalt sofort moniert. Darauf haben die FW die Streichung rückgängig gemacht. Gleichwohl hat ihnen später auch noch das Amtsgericht Deggendorf ins Stammbuch geschrieben, dass es so nicht geht.

Der Richterspruch ist eine Genugtuung für Bär. Er will weiter gegen die neuen Baugebiete kämpfen. Auch wenn seine Zweifel gewachsen sind, dass er Erfolg haben wird. "Der Umgang mit mir zeigt klar, dass die Gemeinden nicht ernst machen mit dem Flächensparen ohne verbindliche Vorgaben." Solche Vorgaben lehnt FW-Chef Aiwanger freilich strikt ab. Er setzt einzig auf Freiwilligkeit und Einsicht der Kommunen.

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