Niederbayern:Investor plant Riesen-Pflegeheim für 3500 Senioren im Bayerischen Wald

Altenheim Untermitterdorf

So könnte das Heim am Rande der kleinen Gemeinde platziert werden. Grafik: SZ

  • Ein Investor will in einer kleinen Bayerwaldgemeinde ein Pflegeheim für 3500 Demenzkranke und Senioren errichten.
  • Einst sollte auf dem Gelände ein Feriendorf gebaut werden, doch die Pläne wurden nie umgesetzt.
  • Eine wichtige Rolle bei dem Projekt spielen adoptierte Adelige.

Von Johann Osel

Das grün-leuchtende Ansichtskartenmotiv mit Löwenzahn und Wiesenschaumkraut hätte es in der Annonce gar nicht gebraucht, man merkt auch so, dass es im Bayerischen Wald idyllisch ist. Ein "großflächiges Grundstück" in Untermitterdorf, Gemeinde Kirchberg, bietet das Exposé des Maklers an. "Eingebettet in die wundervolle Hügellandschaft bietet es vor allem Ruhe und Erholung." Ein Sonderbaugebiet - "ideal" für Feriendorf, Reha-Klinik oder Seniorenresidenz.

Untermitterdorf hat ein paar Hundert Einwohner, die Kirche im Zentrum, schönste Natur rundherum. Und in Kirchberg, der Hauptgemeinde, wohnen 4248 Leute. "An ein Seniorenheim haben wir auch gedacht, das könnte da gut passen", sagt Kirchbergs Bürgermeister Alois Wenig. "Vielleicht eins mit 350 Plätzen, das wäre zu schultern. Aber 3500?" Alois Wenig, ein sonst gelassen klingender, seit zwei Jahrzehnten amtierender Rathauschef, sagt das zweimal: "Aber 3500? Das hat uns fast erschlagen."

Diese Zahl steht nun im Raum, ein Investor will ein Pflegeheim für 3500 Demenzkranke und Senioren errichten. Das Zehnfache der Einwohnerzahl von Untermitterdorf; mehr als dreimal so viel wie das bundesweit wohl größte Pflegeheim in Hamburg, das den Beinamen "Kleine Stadt für Senioren" hat; mehr Betten als das Klinikum Großhadern oder die Charité in Berlin. Noch ist es eine Voranfrage, hinter die der Bürgermeister ein "ganz dickes Fragezeichen" setzt. "Man kann sich die Dimension nicht mal vorstellen." Staunen und Skepsis ausgelöst haben die Pläne, Trubel im Wald, seit die Adeligen aufkreuzten.

Die Adeligen, sie haben mit der Vorgeschichte des Areals zu tun. Einen Bebauungsplan gibt es für die Fläche, die je nach Erschließung 30 000 oder bis zu 80 000 Quadratmeter beträgt. Der Plan ist schon 30 Jahre alt. Mitte der Achtziger wollte der Münchner Bauunternehmer Karl Heckl dort ein Feriendorf errichten. Heckl war Präsident des Fußballvereins 1860 München, der damals in der Bayernliga dümpelte. Vereinskenner wissen, dass Heckl sich um Transfers bemühte, die "gwamperten Jugoslawen" 1860 aber auch nicht nach oben schossen. In Erinnerung bleibt Heckl mehr als Lebemann, der die Münchner Schickeria liebte und mit seiner Yacht an der Côte d'Azur segelte; übrigens mit Leberkäs und Handwürsten an Bord, wie der Münchner Klatschreporter Michael Graeter mal erzählte.

Zu der Zeit ergab sich eine Liaison mit Beatrix Prinzessin von Anhalt. Eine Schneiderin aus Garmisch-Partenkirchen, bis sie von einer Schwester des heutigen Anhalt-Oberhaupts adoptiert wurde. Derlei geschah in dem Adelshaus dutzendfach. Seit Heckl 1988 an einem Herzinfarkt starb, gehört das Kirchberger Areal jedenfalls Prinzessin Beatrix. Mit dem Bauherrn waren gleichwohl die Pläne für das Feriendorf gestorben. Die Prinzessin hatte über Makler versucht, das Areal zu verkaufen, zuletzt über die Offerte mit Löwenzahn.

Bisher hat sich kein Investor an die Fläche getraut

"Es sind immer wieder Interessenten aufgetaucht, aber dann ist doch alles im Sand verlaufen", sagt Wenig. Konkret wurde es 2008, da sollte ein Solarpark her, eine Bürgerversammlung blockte dies ab - wegen der Nähe zum Wohngebiet. Beim Dorffriseur am Eck geht ein Weg zu den Wiesen hinaus, auf denen bis dato nichts gelingen wollte. Einer, der die regionale Immobilienszene gut kennt, meint: "Da braucht es halt einen Investor, der sich was zutraut."

Im Sommer ersuchte Albert von Anhalt um einen Termin beim Bürgermeister und reiste mit einer Dame und einem Vertreter der Züblin AG an. Züblin gehört zum österreichischen Strabag-Konzern, ein großer Name, man zieht Hotels, Bürotürme oder Kliniken hoch. Das Heim solle vor allem Demenzkranke betreuen, mit Zuzug aus ganz Deutschland, mit bis zu 1500 Mitarbeitern, hieß es. Goldgräberstimmung wollte bei Wenig nicht aufkommen, er dachte eher an die Probleme: der Straßenbau, eine eigene Kläranlage. Woher sollen die Mitarbeiter kommen und wo wohnen? Wer nun genau diese Anhalts waren, weiß er gar nicht.

Im Dorf spricht man über nichts anderes

Sowohl die herzogliche Familie von Anhalt als auch adoptierte Anhalts machen in Immobilien. Darüber ist man im eigentlichen Hause von Anhalt ebenso wenig erfreut wie über Eskapaden mancher Neu-Anhalts, einer urinierte mal im Fernsehen in Badewasser. Das Projekt, heißt es im Stammhaus, sei wohl ein Geschäft "dieser Elemente". Tatsächlich war in Kirchberg Albert von Anhalt, Bruder von Heckls Erbin und einst auch adoptiert, mit seiner Tochter vorstellig geworden. Man will sich nicht dazu äußern, erklärt Letztere freundlich am Telefon. Ähnliches bei der Züblin AG.

Jüngst hat der Gemeinderat zwar einer dichteren Bebauung zugestimmt, doch die Räte zweifeln. Das Projekt begraben will man aber nicht gleich. "Der Investor muss erst mal im Gemeinderat alles ausführen", sagt Wenig. Den Landrat von Regen, Michael Adam (SPD), hat der CSU-Bürgermeister auch informiert. "Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie eine solche Einrichtung in der Praxis funktionieren sollte", sagt Adam auf SZ-Anfrage. Viele Fragen seien offen, noch fehlten konkrete Informationen. "Einen regionalen Bedarf für ein Pflegeheim dieser Größe sehen meine Fachleute im Sozialamt nicht. Folglich würden wohl auch keine öffentlichen Fördermittel fließen."

Im Dorf ist das Seniorenheim "Thema Nummer eins", heißt es in der Gemeindeverwaltung. Der Bayerwald-Bote hatte zuerst dazu berichtet. In dessen Kommentarspalten glauben manche an "einen dummen Witz", andere sprechen von "Irrsinn". Ein Leser merkt an, Kirchberg wäre "auf einen Schlag" zweitgrößter Ort im Landkreis. Es gibt auch solche Stimmen: "Ein Ort vollkommen auf die Bedürfnisse von Senioren eingerichtet. Kirchberg wird sich dadurch vollkommen wandeln. Aber so eine Chance gibt es einmal in 100 Jahren."

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