Süddeutsche Zeitung

Niederbayern:Hoher Sachschaden nach Explosion in Metten

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Von Anne Kostrzewa, Metten

Wie der Überschallknall eines Kampfjets habe es sich angehört, sagt Erhard Radlmaier. Der Bürgermeister von Metten sitzt am Dienstagmorgen, kurz nach sieben Uhr, bereits in seinem Büro im Rathaus, als das Wohnhaus an der Waldstraße, am nördlichen Stadtrand, explodiert. "Vernommen habe ich das schon, aber diese Heftigkeit war da für mich noch nicht absehbar", sagt Radlmaier.

Ein Blick aus dem Fenster, dann habe er begriffen, dass etwas passiert sein musste: "Eine riesige schwarze Rauchsäule stand über unserem Ort. Da habe ich mich gleich auf den Weg gemacht." Die Freiwillige Feuerwehr des 4200-Seelen-Ortes teilt einen Innenhof mit dem Rathaus. Als der Bürgermeister ins Freie tritt, sind die freiwilligen Helfer schon da - Glück im Unglück sei das gewesen: Kurz zuvor sind sie wegen eines Schwelbrands im Nachbarort alarmiert worden, mussten dann aber doch nicht zum Einsatz. Als das Haus an der Waldstraße in Flammen aufgeht, sind die Feuerwehrler bereits auf den Beinen, können blitzschnell ausrücken.

Am Unfallort angekommen, habe er das Haus mit den breiten Giebeln und dem hölzernen Balkon kaum wiederkannt, erinnert sich Erhard Radlmaier: "Das war schon vergleichbar mit dem, was Sie auf Fotos aus Syrien sehen." Auch der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter sagt: "Das Bild der Zerstörung war enorm." Rußgeschwärztes, von tiefen Rissen durchzogenes Mauerwerk ist von den Hauswänden übrig, ein verkohltes Gerippe, dort wo einst der Dachstuhl thronte.

Die Scheiben sind geborsten, überall liegen Balken, Schutt und Scherben. Die beiden Bewohner, ein 53-jähriger gelernter Schweißer und seine 81-jährige Mutter, können sich noch vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte selbst aus dem brennenden Haus retten. Nach Zeugenaussagen sollen sie über eine Leiter aus dem oberen Stockwerk herausgeklettert sein. Der Mann bleibt unversehrt, die Seniorin kommt mit einem schweren Schock ins Krankenhaus.

Nach dem Auslöser der Explosion müssen die Ermittler nicht lange suchen. "Der Mann hat selbst zugegeben, Chemikalien und Explosivstoffe, Waffen und Munition gelagert zu haben", sagt Armin Angloher vom Polizeipräsidium Niederbayern am Mittwoch. Alles weitere sei Sache der Ermittlungen, "wobei vieles durch den Brand völlig zerstört wurde".

Die Ermittlungen über die genauen Brandursachen laufen

Das schnelle Geständnis erleichtert die Untersuchungen, entspannt die Lage am Tatort aber nicht. Die herbeigerufenen Sprengstoffexperten befürchten, die Hitze des Feuers könnte weitere Chemikalien im Haus entzünden. Die zu finden, gestaltet sich jedoch als schwierig, das Haus ist einsturzgefährdet und kann zunächst nicht betreten werden. "In einem Radius von achtzig, neunzig Metern um das Haus haben wir die Bürger gebeten, ihre Häuser zu verlassen", sagt der Bürgermeister.

Nur wohin mit 250 Anwohnern? Vorsorglich lässt Radlmaier sich vom Pater des Klosters den Schlüssel zur Turnhalle geben, in der bis vor Kurzem Asylbewerber untergebracht waren. Da ist es früher Nachmittag. Busse werden organisiert, dann ziehen Helfer von Tür zu Tür und informieren die Anwohner. Als Pater Markus am Abend in der Turnhalle vorbeischaut, ist vom erwarteten Ansturm wenig zu spüren. "Das Rote Kreuz war da, die Turnmatten lagen bereit, nur Anwohner waren keine zu sehen", erinnert sich der Pater.

Die Mettener haben sich stattdessen bei Freunden und Verwandten einquartiert. Man helfe einander, so sei das in Metten, sagen der Pater und auch der Bürgermeister nicht ohne Stolz. Nur etwa zehn Anwohner werden am Abend noch in der Turnhalle betreut. Gegen ein Uhr nachts kommt dann die erlösende Nachricht, die meisten erreicht sie per SMS: Der Tatort ist gesichert, die Evakuierung aufgehoben.

Am Mittwochvormittag gibt die Kripo das ausgebrannte Gebäude in Absprache mit der Staatsanwaltschaft frei. Nun laufen die Ermittlungen zur genauen Brandursache. Fest steht bereits: Eine Erlaubnis für die Lagerung der Gefahrenstoffe und Waffen hat der 53-Jährige nicht, woher er sie bekam und warum er sie im Haus aufbewahrte, ist noch unklar. Ein Tüftler soll er sein, ein Mann im Frühruhestand, der zurückgezogen lebt. Nach seiner vorläufigen Festnahme ist er seit Mittwoch wieder frei.

Dass der 53-jährige Hauseigentümer die Explosion mutwillig herbeigeführt haben könnte, schließt Erhard Radlmaier, der Bürgermeister, aus. "Auf keinen Fall wollte er jemandem etwas Böses. Er ist ein guter Mensch, ein tüchtiger Handwerker. Das Ganze ist ein großer, bedauerlicher Unglücksfall." Den Sachschaden beziffert die Polizei auf 360 000 Euro. Davon entfallen etwa 160 000 Euro allein auf die Garage. Darin hatte der Mann nach Angaben der Polizei "unter anderem einen Ferrari und einen hochpreisigen BMW".

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Quelle:
SZ vom 21.07.2016
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