Süddeutsche Zeitung

Niederbayern:"Grenzzaun Halbe": Wie der Brauer sich verteidigt

  • Das neueste Produkt der Röhrl Brauerei, die "Grenzzaun Halbe", bringt Geschäftsführer Sillner massive Kritik ein.
  • Eine Flasche kostet 88 Cent, das Haltbarkeitsdatum ist bei allen Flaschen der 9. November.
  • Alles sei ein Riesenmissverständnis, erklärte Sillner am Montag. Er will nichts davon gewusst haben, dass die "88" unter Rechtsextremisten als Code für den Hitlergruß gilt.

Von Christian Gschwendtner, Straubing

Mit diesem Echo hat Frank Sillner nicht gerechtet. Einen Denkanstoß wollte er nach eigenen Angaben liefern. Doch der Versuch ging nach hinten los. Wegen der "Grenzzaun Halben", dem neuesten Produkt der Röhrl Brauerei, steht Geschäftsführer Sillner massiv in der Kritik.

Mittlerweile ist die Rede von Bayerns braunstem Bier. Studenten der Regensburger Universität haben einen Boykottaufruf gestartet. Sie wollen verhindern, dass es Röhrlbräubier weiter auf dem Campus zu kaufen gibt. Das Studentenwerk für Niederbayern und die Oberpfalz hat am Montag tatsächlich angekündigt, bei der Firma Röhrlbräu nichts mehr nachzubestellen.

Der Exklusivvertrag soll im kommenden Juni nicht verlängert werden. Man wolle nur noch die übrig gebliebenen Lagerbestände verkaufen. Nachbestellungen ausgeschlossen.

Eine Flasche kostet 88 Cent

Sillners Kritiker stören sich nicht nur an der Namensgebung des Hellen aus Straubing. Für Irritation sorgt auch, dass die "Grenzzaun Halbe" als einzelne Flasche in ausgewählten Getränkemärkten bayernweit inklusive Pfand für 88 Cent zu haben ist.

Unter Rechtsextremisten gilt die "88" als Code für den Hitlergruß. Damit nicht genug: Auf allen Flaschen prangt zudem der historisch vorbelastete 9. November als Mindesthaltbarkeitsdatum - an diesem Datum fanden 1938 in Deutschland die Pogrome gegen Juden statt.

Alles ein Riesenmissverständnis, erklärt ein offenkundig verzweifelter Sillner am Montag. Das Haltbarkeitsdatum werde am Abfülltag automatisch bestimmt. Und bei untergärigen Bieren betrage es nun einmal acht Monate. "Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass uns daraus einer einen Strick dreht", sagt Sillner. Und überhaupt: Ein Journalist habe ihn erst auf die Abkürzungsmodalitäten der Rechtsextremen hingewiesen.

Sillner kann die Wut nachvollziehen

Für was die "88" neben seiner unverbindlichen Preisempfehlung sonst noch steht, weiß Sillner spätestens seit dem vergangenen Wochenende. Seitdem klingelt bei ihm das Telefon ununterbrochen. Alle wollen wissen, ob er denn wirklich ein Nazibier gebraut hat.

Und bei den Fakten, die jetzt auf dem Tisch liegen, kann Sillner die Wut der Studenten in gewisser Weise auch nachvollziehen. Der Zusammenhang sei aber von anonymen Hetzern konstruiert worden. "Wir haben nichts gegen die Flüchtlinge, wir sind die Ersten, die immer wieder helfen", sagt Sillner. So habe seine Firma immer wieder Fahrzeuge zur Verfügung gestellt oder Getränke an Flüchtlinge verteilt.

Sillner will das Grenzzaunbier deshalb nur als Appell an die große Politik verstanden wissen, Bayerns Identität zu wahren. "Beschützen - Verteidigen - Bewahren", so steht es auf der Rückseite des Flaschenetiketts. Bei aller Mitmenschlichkeit dürfe man die bayerische Tradition nicht vergessen.

Marketing-Offensive auf Kosten von Flüchtlingen

Seitens des Bayerischen Brauerbundes glaubt man Sillners Beteuerungen. Man berate Mitglieder wie die Röhrl-Brauerei aber nur in lebensmitteltechnischen Fragen, erklärt Geschäftsführer Walter König. Und da habe es bei der "Grenzzaun Halben" nichts zu beanstanden gegeben.

Die Studenten der Uni Regensburg wiederholen ihre Kritik an der Röhrl-Brauerei: Es sei nicht in Ordnung, auf Kosten von Flüchtlingen eine Marketingoffensive zu starten, sagt der studentische Sprecher Michael Achmann. Auch ohne das Mindesthaltbarkeitsdatum und die Preisempfehlung sei die Aktion untragbar.

Entsprechend groß ist die Freude bei den Studenten, mit dem Boykottaufruf Gehör gefunden zu haben. Auf Facebook gibt es aber auch Stimmen, die Röhrlbräu klar den Rücken stärken. Wie es mit der "Grenzzaun Halben" weitergeht, ist ungewiss. Ursprünglich hatte Sillner angekündigt, sein umstrittenes Produkt in den Regalen zu lassen. Am Montag ist er sich nicht mehr ganz so sicher. Er will, dass die Diskussion aufhört.

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SZ vom 22.03.2016/mkro
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