Süddeutsche Zeitung

Nichtraucherschutz:Der weißblaue Dunst

In Bayern startet das Volksbegehren zum Nichtraucherschutz: Warum das Ringen darum so ungemein aufwühlt - und der CSU nun eine weitere Schlappe droht.

Katja Auer

Es gibt eine kleine Kneipe in München, gar nicht weit vom bayerischen Landtag entfernt. Da sitzen sie abends oft, die Abgeordneten, überwiegend von der CSU, und regieren noch ein bisschen. Der Wein soll gut sein, nur die Luft nicht besonders, weil kräftig geraucht wird.

Das ist dort erlaubt, weil der Laden kleiner ist als 75 Quadratmeter. Es handelt sich um eine "getränkegeprägte Gaststätte", wie die einfallsreiche Formulierung im aktuellen bayerischen Gesundheitsschutzgesetz lautet. Allerdings qualmten die Abgeordneten dort auch schon, als sie gerade das schärfste aller deutschen Rauchverbote beschlossen hatten. Damals etablierte sich die kleine Kneipe als Raucherclub in der gesetzlichen Grauzone.

Es gibt wenige politische Themen, die in Bayern derart emotional diskutiert werden wie das Rauchverbot. Wenn an diesem Donnerstag die Eintragefrist für das Volksbegehren gegen dessen Lockerung beginnt, dann ist das nur ein weiteres Kapitel in einer Geschichte, die vor zwei Jahren begann, als die Bayern wieder einmal die Besten und die Schnellsten sein wollten.

In der Diskussion um ein Rauchverbot tat sich der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Georg Schmid, mit einem Maß an Durchsetzungskraft hervor, das ihm seither fehlt. Die Folge war das strengste aller deutschen Rauchverbote, außerdem die kurzzeitige Bekanntheit des Herrn Schmid weit über Bayern hinaus.

Was haben sich die Leute aufgeregt. In einer Münchner Absteige wurde Schmid per Foto an der Wand diffamiert, er bekam Drohbriefe, die Widerständler organisierten sich im "Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur". Als Totschlagargument musste die Liberalitas Bavariae herhalten, wenngleich keiner so recht erklären konnte, was so freiheitlich bayerisch daran sein soll, seinem Tischnachbarn den Rauch ins Gesicht zu blasen.

Das kleine Schlupfloch im Gesetz, das in "nicht öffentlich zugänglichen" Gesellschaften eine Ausnahme vom Rauchverbot erlaubte, wurde großzügigst ausgedehnt. Jeder, der seine sozialen Kontakte nicht komplett vernachlässigen wollte, trug mehrere Mitgliedsausweise für Raucherclubs im Portemonnaie.

Ein einfallsreicher Wirt im schwäbischen Memmingen erklärte seine Kneipe kurzerhand zur Theaterbühne und die Gäste zu Darstellern. Im Theater nämlich war das Rauchen weiterhin gestattet, als Kunstform sozusagen.

Kurzum, die Anarchie war in Bayerns Wirtshäusern ausgebrochen, und an den Stammtischen tönte man: "Leben und leben lassen". Er lässt sich halt nicht gerne etwas sagen, der Bayer.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welchen Rückzugsplan sich die CSU für den Falle einer Niederlage zurechtgelegt hat.

Als dann im Frühjahr 2008 die Kommunalwahlen recht kläglich ausfielen für die CSU, war der Grund schnell gefunden: das Rauchverbot. Weil die Landtagswahlen genau dann stattfinden sollten, wenn beim Münchner Oktoberfest zum ersten Mal Millionen Biertouristen rauchfrei feiern sollten, musste eine Lockerung des Gesetzes her, schnellstens. Und so war das Rauchen in Bierzelten fortan wieder erlaubt.

Die Landtagswahl endete trotzdem bitter für die CSU, und heute noch finden sich CSU-Funktionäre, die glauben, das Rauchverbot sei der Grund gewesen. Die FDP triumphierte, der neue Ministerpräsident Horst Seehofer machte mit seiner schwarz-gelben Koalition aus dem strengen Rauchverbot eine dezente Version, die das Rauchen in Nebenräumen, kleinen Kneipen und, sowieso, in Festzelten erlaubt. Was haben sich die Leute aufgeregt. Über die CSU diesmal, die einstige Staatspartei, die nicht zu ihrer Meinung steht. Das Gefühl für die Leute hatte die CSU verloren, nicht nur die Landtagswahl. Auch wenn die Wahlforscher mittlerweile belegt haben, dass das Rauchverbot nicht der Grund für den Verlust der absoluten Mehrheit war.

Ganze CSU-Ortverbände wollen unterschreiben

Heute trifft man CSU-Abgeordnete im Maximilianeum, die von ganzen Ortsverbänden erzählen, die das Volksbegehren unterschreiben wollen. Sie erzählen das beiläufig, fast verständnisvoll, schließlich ist die Partei bei diesem Thema schon lange gespalten. Und die vielen Kurswechsel als Strategie zu verkaufen, versucht auch keiner mehr.

Etwa 930.000 Unterschriften, zehn Prozent der Wahlberechtigten, braucht das Volksbegehren, das von ÖDP, SPD, den Grünen, dem Bund Naturschutz, dem Bayerischen Leichtathletik-Verband, dem Apothekerverband sowie mehreren Nichtraucher- und Gesundheitsinitiativen unterstützt wird. 300.000 Euro wollen sich die Rauchgegner die Werbung kosten lassen, 1,4 Millionen Flugblätter sollen verteilt werden.

Auf Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hacken die Initiatoren kräftig ein. Ausgerechnet ein ehemaliger Bundesgesundheitsminister habe das Rauchverbot gelockert.

Kommen die nötigen Stimmen zusammen, kann der Landtag direkt ein strenges Rauchverbot beschließen. Oder es kommt zum Volksentscheid, zu dem dann alle Wahlberechtigten aufgerufen wären. Für diesen Fall gibt es schon einen Rückzugsplan in der CSU: Dann habe man ja auf Volkes Stimme gehört, heißt es. Dass Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) eine Niederlage wortreich als Erfolg verkaufen kann, daran zweifelt ohnehin keiner.

Wie es auch ausgeht, am Ende werden die Abgeordneten wieder in der kleinen Kneipe sitzen, gar nicht weit vom Landtag - nur zum Rauchen werden sie dann vielleicht vor die Tür gehen müssen.

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SZ vom 19.11.2009/bica
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