Neutraubling:Humanist mit Humor

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Aufgewachsen ist Josef Fendl in der Einöde des Bayerischen Waldes. Dort hörte er die ersten Geschichten. (Foto: Privat)

Josef Fendl, Universalgelehrter vom alten Schlag, wird 90

Von Hans Kratzer, Neutraubling

"Wer einen anderen Menschen zum Lachen bringt, erlöst eine arme Seele aus dem Fegefeuer", lautet ein alter Volksglaube. Insofern verwundert es nicht, dass in den Refektorien der alten Benediktinerklöster für die Äbte eigene Witzstühle reserviert waren. Auf einem solchen Stuhl hätte auch der Humanist Josef Fendl bequem Platz gefunden, hat er doch im Laufe seines Lebens unzählige Menschen zum Lachen gebracht. Es wäre aber grundfalsch, den ehemaligen Realschullehrer und Autor, der am Donnerstag seinen 90. Geburtstag feiert, als flachen Humoristen und Sprücheklopfer abzutun. Fendl ist ein Universalgelehrter vom alten Schlag, dem von den Problemen im Hühnerstall bis hin zur Atomphysik nichts fremd ist, der mehr als 60 Bücher herausgegeben hat und sich auch als Historiker und Kreisheimatpfleger Meriten erworben hat.

Die Frage, wie er das zeitlich geschafft habe, beantwortet Fendl auf entwaffnende Art. Einer, der 30 Jahre lang jeden Abend von 19 bis 22 Uhr in die Glotze starre, habe zwar Tausende Morde gesehen, aber diese 32 850 Stunden doch weitgehend verplempert. "Genau in dieser Zeit habe ich meine Bücher geschrieben." Und nicht nur das: Er schrieb mehrere Tausend Texte für Zeitungen und Zeitschriften, hielt Hunderte Lesungen und Vorträge, stellte viele Rundfunksendungen zusammen. Weitere Beiträge von ihm finden sich in 150 Anthologien, Schulbüchern und Kalendern.

Fendls Werke sind eine unerschöpfliche Fundgrube. Unter anderem hat er eine riesige Sammlung an Aphorismen, Spruchweisheiten und sogenannten Sagwörtern zusammengetragen, etwa von der folgenden Art: "Schad, dass d'net dagwesn bist, wia mei Stadl abbrennt is," hat dersell Bauer zum Feuerschlucker im Zirkus gsagt, "da hättst di vollfressn könna ...!"

Aufgewachsen in einer Einöde im Bayerischen Wald, saß Fendl als Bub direkt an der Quelle. Auf den Bauernhöfen wurde viel erzählt, mediale Zerstreuung gab es ja damals noch nicht. Heute ermöglichen die alten Geschichten tiefe Einblicke in die Denkweise der Vorfahren. "Vieles hab ich von meinem Vater gehört", sagt Fendl. Und zwar zu einer Zeit, als es das Elektrische noch nicht gab, als der Vater noch Körbe geflochten, Besen gebunden und Holzschuhe gemacht hat. Es war eine kleine Welt, die von Menschen wie seiner Tante geprägt wurde, die im Leben nie weiter gekommen ist als ins 24 Kilometer entfernte Straubing. Es dauerte also, bis Fendl erkannte, dass die Welt hinter Straubing weiterging.

Später wurden ihm auch aus anderen Kanälen Volkssprüche zugetragen, im Kreistag von Regensburg etwa, dem er 30 Jahre lang angehörte, sowie im Benediktinerkloster Metten. Schon im alten Athen seien Sprüche gesammelt worden, sagt Fendl, ebenso im Italien der Renaissance, wo Sagwörter, Kürzest-Geschichten und Mini-Schwänke einen hohen Stellenwert besaßen. Deren Hintersinn ist oft verblüffend: "Bist jetzt des Du gwesn oder dei Bruader, der wo gstorben is?" Solche Sätze machen neugierig, ja sogar süchtig: "Ihre Sprüch' lese ich noch vor den Todesanzeigen", sagte einmal ein Leser zu Fendl.

Fendl hat viele Auszeichnungen erhalten, unter anderem das Bundesverdienstkreuz. Zu ihm passt auch, dass ihm ausgerechnet am 10.10.10 der Poetenteller des Ministerpräsidenten überreicht wurde. Wer den Zwiespalt der bayerischen Seele auch nur annähernd verstehen will, der kommt an Fendl nicht vorbei. Er hat die gängige Bayernfolklore ad absurdum geführt, doch ergeht es ihm oft wie Karl Valentin: Man stellt ihn in die humoristische Ecke, obwohl er ein Philosoph ist. Hobby-Autoren legt er vor allem den Gedanken eines seiner Schüler ans Herz: "A Gedicht is, wenn um an Text umme no vui freier Platz is, zum Nachdenka!" Josef Fendl vertritt einen Menschenschlag, der ohne Dünkel und aus eigener Anschauung zu gedanklicher Weite gelangt ist. Das Ergebnis sind Sätze wie jener, den Fendl von einer Leichenfrau hörte: "Wenn ned hin und wieder oans sterbat, nachad wär in unserm Dorf überhaupt koa Leben." Nicht zuletzt sei erwähnt, dass auch das weltweit kürzeste Gedicht zum Thema Egoismus von ihm stammt: "I".

© SZ vom 16.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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