Neustadt bei Coburg:250 Kilogramm Leidenschaft für den FC Bayern

Neustadt bei Coburg: Tagelang wurde eine Stoffbahn an die andere gefügt, um eine ganze Kurve des Coburger Eugen-Stocke-Stadions unter der FCB-Fahne zu begraben. Vergebens.

Tagelang wurde eine Stoffbahn an die andere gefügt, um eine ganze Kurve des Coburger Eugen-Stocke-Stadions unter der FCB-Fahne zu begraben. Vergebens.

(Foto: privat)

Mit einer 50 mal 16 Meter großen Fahne wollte ein fränkischer Fanklub dem FC Bayern im Fußballstadion huldigen. Doch nun wurde sie geklaut. Wer macht so was?

Von Olaf Przybilla, Neustadt bei Coburg

Wie das genau war, als Norbert Scholz den Zuschlag für ein "Traumspiel" bekam, ist hervorragend dokumentiert. Und das schon deshalb, weil der Präsident eines fränkischen Bayern-Fanklubs an jenem Tag höchstpersönlich in die örtlichen Redaktionen stürmte, um die Nachricht angemessen unters Volk zu streuen. Die in Coburg erscheinende Neue Presse notierte, Scholz habe lediglich ein Pokal in der Hand und eine blonde Perücke auf dem Kopf gefehlt, ansonsten sei er angesichts enthusiasmierter Urschreie ("Wir ham das Ding, wir ham das Ding") kaum von Oliver Kahn zu unterscheiden gewesen.

Für ein sogenanntes Traumspiel gibt sich der FC Bayern mit dem Versprechen die Ehre, gegen ausgesuchte Vertreter eines Fanklubs ein Vorbereitungsspiel auszutragen. "Totaler Traum", sagt Scholz, und schiebt ein "also grundsätzlich" hinterher. Inzwischen sind die Übergänge zum Albtraum nämlich nicht mehr ganz trennscharf auseinanderzuhalten.

Scholz, 46, hat in den vergangenen Monaten wesentliche Teile seiner Lebenszeit in einer gemäßigt behaglichen Industriehalle im Gewerbegebiet "Gebrannte Brücke" in Neustadt bei Coburg verbracht, in Sichtweite eines Großmarktes für Sonderposten. Das allein dürfte für Freunde von Lebensqualität in den Grenzbereich zum Albtraumhaften lappen, für Scholz aber war es reines Adrenalin. "Wissen Sie", sagt er, "ich bin Perfektionist."

Allein die Suche nach einer säulenlosen, leer stehenden und verfügbaren Halle hatte Wochen gedauert. Aber die Profis vom FC Bayern sollten eben nicht irgendwie, sondern angemessen empfangen werden, mit einer 50 mal 16 Meter großen Fahne, 250 Kilogramm schwer. Das Mordstrum hätte im kommenden Sommer eine ganze Kurve des Coburger Eugen-Stocke-Stadions unter sich begraben. Allerdings eben nur: hätte. Denn das Ding ist verschwunden.

Wie so was passieren kann? Scholz will dass gerne erzählen, aber vorab möchte er an die 63 Jahre alte Frau erinnern, die insgesamt wohl mehrere Tage ihres Lebens damit zugebracht haben dürfte, auf den Knien bis tief in die Nacht mit ihrer Nähmaschine Stoffbahnen aneinanderzufügen. Übrigens, sagt Scholz, und dies an alle Weltvereinfacher, die hinter Bayern-Fans immer gleich notorisch leidensunfähige Siegertypen vermuten: Diese Näherin ist eingetragenes Bayern-Mitglied! So sehe das nämlich aus mit der roten Leidenschaft in fränkischen Städten: "Die Frau konnte regelmäßig kaum mehr aufstehen in der Nacht."

Beim nächsten Bayern-Spiel aber stand sie trotzdem wieder in der Allianz-Arena. Oder jene 15 Helfer, die spontan zur Stelle waren, als es dieser Tage hieß, die Halle würde nun auf einmal doch für etwas anderes gebraucht. Da standen sie alle bereit, organisierten Lastkraftwagen und Hebebühne für das gute Stück aus 250 Kilogramm Leidenschaft und blickten dann gemeinsam in eine leere Halle. Also: eine nun vollständig leere Halle.

Wie das? Im Polizeibericht der Inspektion Neustadt heißt es dazu nüchtern: "Über den Verbrauchermarkt verschafften sich die unbekannten Diebe wahrscheinlich Zugang in das Lager." Einen Laster dürften sie wohl auch dabei gehabt haben - wie auch sonst, fragt Norbert Scholz, "sollen sie uns das angetan haben?" Wer so was macht? Bayern-Hasser, vermutet er, oder Halunken, die sich ein Lösegeld erhoffen. Wenn das Ding nicht wieder auftauche, werde es keine Fahne geben zur Begrüßung der Bayern. Demnächst soll der Karten-Vorverkauf beginnen, da haben die Mitglieder von "Red Residenz Coburg" genug anderes zu tun.

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