Süddeutsche Zeitung

Neujahrsvorsatz in Roßtal:"Ich kann mich nicht mehr mit Plastiktüten sehen lassen"

Ein Dorf bei Nürnberg plant den gemeinsamen Verzicht: den Verzicht auf Plastiktüten. Roßtal soll 2014 zur ersten plastiktütenfreien Gemeinde Frankens werden - zumindest wenn es nach Gemeinderat Michael Brak geht.

Von Karin Geupel

65 Plastiktüten verbraucht ein Deutscher durchschnittlich laut Umweltbundesamt pro Jahr. Zu viele, findet der Roßtaler Gemeinderat Michael Brak und verordnete seiner Heimat einen ganz besonderen Vorsatz für das Jahr 2014: Roßtal soll zur ersten plastiktütenfreien Gemeinde Frankens werden. Brak will mit gutem Beispiel vorangehen: Wie er sich und seine Gemeinde plastiktütenfrei machen will, erzählt der 55-Jährige im Gespräch.

SZ.de: Herr Brak, was machen Sie, wenn Sie im Supermarkt an der Kasse merken, dass Sie gerade keinen Stoffbeutel bei sich haben, Sie aber zu viel gekauft haben?

Michael Brak: Das muss man sich schon vorher überlegen. Ich habe die Tüten immer gesammelt, damit man sie wiederverwerten kann, aber das wurden immer mehr. Die Plastiktüte hat auch ihre Berechtigung: Ein Goldfisch würde sich in einem Stoffbeutel nicht wohl fühlen - aber wo es geht, sollte man doch auf Plastiktüten verzichten.

Wie kamen Sie darauf, Roßtal plastiktütenfrei machen zu wollen?

In diesem Jahr war ich auf einem Seminar in Fürstenfeldbruck. Dort will man die erste plastiktütenfreie Stadt Bayerns werden. Da dachte ich, in Roßtal, mit unseren 10.000 Einwohnern, ist das leichter. Man kennt sich untereinander, auch die Einzelhändler und der Gewerbeverband, da lässt sich sowas besser umsetzen. Im September haben wir von den Grünen eine Plastiktütenumtauschaktion gemacht, bei der innerhalb von zwei Stunden mehr als 100 Plastiktüten in Baumwolltaschen umgetauscht wurden. Im Dezember gab es außerdem eine Filmaufführung von "Plastic Planet" im Gemeindehaus, die die Leute zum Nachdenken gebracht hat. Und so kam es dazu, dass wir die erste plastiktütenfreie Gemeinde Frankens werden wollen.

Was heißt wir? Sind das nur die Grünen?

Wir Grünen haben diese Idee als Antrag in den Markgemeinderat eingebracht. Der ist dort über Parteigrenzen hinweg auf Zustimmung gestoßen und weitergereicht worden. Auch unser erster Bürgermeister Johann Völkl von der SPD fand die Idee gut. Nun bekommen zum Beispiel engagierte Bürger bei Ehrungen ihre Geschenke nicht mehr in einer Plastiktüte, sondern in Baumwolltaschen.

Was sagen Sie zu Leuten, die nicht auf ihre Plastiktüte verzichten wollen?

Das alles läuft auf rein freiwilliger Basis. Ich werde garantiert nicht zu jedem, der eine Plastiktüte trägt, gehen und ihn zur Rede stellen. Wenn der Kunde beim Einkauf auf einer Plastiktüte besteht, dann muss der Händler ihm eine geben. Das ist ja logisch, das gehört zur Kundenfreundlichkeit. Man kann aber versuchen Leute zum Nachdenken zu bewegen. Jede Plastiktüte wird aus Erdöl gefertigt, das ist ein Rohstoff, der nicht ewig hält. Außerdem braucht eine Plastiktüte zwischen 100 und 500 Jahre, um zu verrotten.

Bis wann soll die Gemeinde denn nun plastiktütenfrei sein?

Der Startschuss fällt jetzt. Ende 2014 schauen wir dann, was wir erreicht haben.

Das ist also einer der guten Vorsätze fürs neue Jahr für die Gemeinde. Was ist denn ihr persönlicher Vorsatz?

Ich möchte auch meine Familie davon überzeugen, keine Plastiktüten mehr zu verwenden. Da muss man sich schon an die eigene Nase fassen und Vorbild sein. Ich kann mich jetzt auch nicht mehr mit Plastiktüten auf der Straße sehen lassen. Deshalb bin ich nun am Überlegen, was ich mit den alten, aufgehobenen Plastiktüten machen soll. Wegschmeißen will ich sie nicht einfach.

Politiker sind dafür bekannt, dass sie nicht immer alle Vorsätze halten. Haben Sie denn auch schon einmal einen guten Vorsatz gebrochen?

Genau deshalb bin ich mit Vorsätzen fürs neue Jahr sehr zurückhaltend.

Wenn man einen guten Vorsatz nicht hält, bestrafen sich einige Menschen dafür. Was passiert, wenn die Gemeinde Roßtal den Plastiktüten-Vorsatz nicht schafft?

Ich gehe davon aus, dass wir das schaffen. Als nächster Schritt wäre zum Beispiel möglich ganz auf Plastik zu verzichten. Das ist aber gar nicht so einfach. Sogar in Zahnpasta sind oft winzige Plastikteilchen enthalten.

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